ROTWILDES 6 - Schweizer Jäger
ROTWILDES 6 - Schweizer Jäger
ROTWILDES 6 - Schweizer Jäger
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wollte mir aber nicht richtig in<br />
den Kopf und so suchten wir<br />
weiter. Eben beschloss ich die<br />
Übung abzubrechen und einen<br />
Schweisshundeführer aufzubieten,<br />
als Mario gute dreissig<br />
Meter vom Anschuss entfernt<br />
einen einzelnen, etwa stecknadelkopfgrossenSchweisstropfen<br />
in einer Waldlichtung fand.<br />
Die Färbung des Schweisses<br />
liess auf einen guten Schuss<br />
hoffen und wenige Meter unter<br />
diesem ersten Tropfen war<br />
noch mehr Schweiss auszumachen.<br />
Anhand der vorgefundenen<br />
Spuren lag die Vermutung<br />
nahe, dass der Bock durch<br />
die steilabfallende Waldlichtung<br />
rutschte, oder zumindest<br />
Vor fast 13 Jahren haben<br />
mein Wildhüter und ich geheiratet.<br />
Das war keine logische<br />
Verbindung. Eine Anwältin<br />
vom Flachland, die immer<br />
dachte, ein Reh sei ein weiblicher<br />
Hirsch, vermählte sich<br />
mit einem Wildhüter zwischen<br />
den Bergen. Tja, die Liebe ist<br />
eben nicht logisch. Dass wir<br />
kürzlich nach holländischem<br />
Brauch unsere bronzene Hochzeit<br />
(12½ Jahre verheiratet)<br />
gefeiert haben, zeigt, dass es<br />
bis jetzt gehalten hat. Wie das<br />
im Alltag funktioniert? Anders<br />
als der Titel vermuten lässt, ist<br />
es kein Hundeleben. Mit Tochter<br />
und zwei Jagdhunden läuft<br />
es ganz rund.<br />
Ich hatte aber nie Hunde und<br />
bekam mit der Hochzeit gleich<br />
zwei von diesen eigenartigen,<br />
eigensinnigen und liebenswürdigen<br />
Tieren. Ayla, eine bayerischeGebirgsschweisshündin,<br />
und Tasco, ein Luzerner<br />
Niederlaufrüde. Sie sind trotz<br />
hohem Alter (13 und 16) wie<br />
Kinder, mit dem Unterschied,<br />
dass sie nie erwachsen geworden<br />
sind (eher umgekehrt).<br />
flüchtete. Um allenfalls einen<br />
Fangschuss antragen zu können,<br />
lud ich meine Büchse und<br />
sicherte sie.<br />
Die Spannung war kaum zu<br />
übertreffen. Auf leisen Sohlen<br />
folgten wir der Schweissspur,<br />
bis wir zwischen ein<br />
paar Bäumen auf einer kleinen<br />
Waldwiese ein Reh liegen sahen.<br />
Von hier aus konnte man<br />
nicht mit Sicherheit sagen, ob<br />
es verendet war, oder sich im<br />
Wundbett befand. Wir nahmen<br />
beide die Ferngläser zur<br />
Hilfe und kamen schnell zum<br />
Schluss, dass das Reh verendet<br />
sein musste. Und plötzlich war<br />
es wieder da, das Jagdfieber.<br />
Mit zittrigen Händen entlud<br />
Die WILDHÜTERFRAU<br />
und das HUNDELEBEN<br />
Ayla liebt Schuhe, namentlich<br />
meine Schuhe, und Tasco<br />
hat dank einer kleinen Persönlichkeitsstörung<br />
namentlich<br />
sich selber gern. Wir dürfen<br />
ihn nur streicheln, wenn er<br />
das will, zudem tut er nur das,<br />
wozu er gerade Lust hat. Er<br />
heult wie ein Wolf gegen den<br />
Mond, und das am liebsten,<br />
wenn wir in tiefer Ruhe weilen.<br />
Auch die Kuckucksuhr,<br />
Sirenen, Spieldosen und Pianomusik<br />
formen den Anlass<br />
zu einem wahren Hundeheulkonzert.<br />
Unsere Gäste wissen<br />
meist nicht, was passiert.<br />
Des Weiteren verweigert Tasco,<br />
in ein anderes Auto als den<br />
Landrover (das Dienstauto) zu<br />
steigen. Wollen wir mit dem<br />
Privatauto wegfahren, sitzt<br />
Tasco mit seinem Rücken gegen<br />
uns in der festen Überzeugung,<br />
dass, wenn er uns nicht<br />
sieht, wir ihn auch nicht sehen<br />
können. Oder aber er versteckt<br />
sich, worauf wir mit<br />
dem Jagdhorn einen Hunderuf<br />
blasen müssen, damit er sich<br />
verrät, weil er das unwiderstehliche<br />
Bedürfnis hat, mit-<br />
ich das Gewehr. Nun trennten<br />
uns nur noch zwanzig Meter<br />
von meiner Beute. Langsam<br />
näherten wir uns der Szenerie<br />
und noch als ich vor dem<br />
Stück Rehwild stand, konnte<br />
ich im hohen Gras nicht sehen,<br />
ob es ein Bock oder ein weibliches<br />
Tier war. Der Atem stand<br />
mir für einen Augenblick still,<br />
erst jetzt sahen wir, dass es ein<br />
Bock war. Es war tatsächlich<br />
ein prächtiger Rehbock mit einer<br />
aussergewöhnlichen Krone.<br />
Ich selber hatte ihn zuvor<br />
nie gesehen, umso mehr freute<br />
ich mich über dieses grosse<br />
Jagdglück und mein Bruder<br />
freute sich mit mir. Und<br />
wissen Sie was? Ich zitterte<br />
zuheulen. Kommt noch dazu,<br />
dass, wenn man ihm etwas<br />
zum Hüten gibt, man es unwiderruflich<br />
nie mehr zurück bekommt.<br />
Trotz ihren Eigenartigkeiten<br />
werden diese Monster verwöhnt<br />
mit gutem Essen, viel<br />
Streicheleinheiten und viel<br />
Freiheit in einem grossen<br />
Garten, wo sie Stunden verbringen<br />
können mit dem Post-<br />
immer noch. Ich zitterte derart,<br />
dass ich den Verschluss<br />
von meinem Flachmann beinahe<br />
nicht auf brachte. Aber<br />
wo ein «Willi» ist, da ist bekanntlich<br />
auch ein Weg und so<br />
nahmen wir beide erstmal einen<br />
ordentlichen Schluck und<br />
genossen diesen unvergesslichen<br />
Augenblick, der uns<br />
noch heute in allerbester Erinnerung<br />
ist.<br />
Von allen fieberhaften Erkrankungen<br />
ist mir das Jagdfieber<br />
die Liebste und wissen<br />
Sie was? Ich hoffe, ich habe<br />
Sie ein wenig angesteckt.<br />
Christian Prinz<br />
boten und Velofahrern einen<br />
grossen Schrecken einjagen,<br />
spielen und herumtoben. Ich<br />
kann mir deswegen gar nicht<br />
vorstellen, woher dieser eher<br />
negative Ausdruck «ein Hundeleben<br />
führen» kommt. Wer<br />
will nicht gerne leben wie unsere<br />
Hunde, mit neun Jahren<br />
pensioniert werden und keine<br />
(Hunde)Steuer bezahlen?<br />
Louise Dräyer-de Moor<br />
<strong>Schweizer</strong> <strong>Jäger</strong> 9/2009 39<br />
Jagdgeschichten