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IM KW 45

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M ENSCHEN <strong>IM</strong> GESPRÄCH<br />

Ein strukturierter Rock ‘n‘ Roll<br />

„Vorstadtweiber“-Drehbuchautor Uli Brée im RUNDSCHAU-Gespräch<br />

Anlässlich seiner Lesung „Weiberg’schichten und Weiberlieder“<br />

mit Markus Linder im Rathaussaal Telfs sprach die RUND-<br />

SCHAU mit dem Drehbuchautor Uli Brée.<br />

Von Lia Buchner<br />

RUNDSCHAU: Herr Brée, Sie<br />

sind als Drehbuchautor österreichischer<br />

TV-Legenden wie „Vier Frauen und<br />

ein Todesfall“, „Vorstadtweiber“ oder<br />

der „Brüder“-Trilogie auch einem Publikum<br />

bekannt, das sonst nicht genau<br />

weiß, wer sich seine Lieblingsserien<br />

ausgedacht hat. Sind Sie dort, wo Sie<br />

hinwollten oder geht es noch weiter?<br />

Uli Brée: Ich will definitiv noch<br />

woanders hin. Ich habe jetzt 20 Jahre<br />

lang Drehbücher geschrieben und<br />

das Drehbuchgeschäft ist ein unerbittlich<br />

brutales Geschäft. Man mag<br />

gut verdienen, aber es ist ein richtig<br />

hartes Business. Sicher, ich bin inzwischen<br />

in einer Position, wo man<br />

mir den roten Teppich ausrollt – und<br />

trotzdem wird mir am Ende des Teppichs<br />

einer ein Bein stellen. Ich habe<br />

als Schauspieler angefangen, dann<br />

bin ich Drehbuchautor geworden<br />

und jetzt merke ich, dass Literatur<br />

mich glücklich macht. Jetzt möchte<br />

ich Schriftsteller werden.<br />

RS: Sie haben vor wenigen Wochen<br />

ihr zweites Buch, „Schwindelfrei“,<br />

eine Sammlung mit Erzählungen über<br />

Frauen veröffentlicht.<br />

Brée: Ja. Ich liebe die Frauen. Deshalb<br />

schreibe ich so viel über sie.<br />

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RS: In „Vorstadtweiber“ kommen<br />

die Frauen nicht so gut weg…<br />

Brée: In „Vorstadtweiber“ ist keine<br />

Figur nur gut und keine ist nur böse.<br />

Das mag ich an diesen Charakteren.<br />

Da hat jede Dreck am Stecken, aber<br />

jede ist auch nachvollziehbar in ihrem<br />

Schmerz. Die erste Staffel von<br />

„Vorstadtweiber“ habe ich in meiner<br />

größten privaten Krise geschrieben.<br />

Da ist schon viel von mir drin. Andere<br />

gehen zum Therapeuten, ich krieg<br />

Geld dafür. Inzwischen hat sich das<br />

verschoben, oder: Ich habe vieles<br />

verarbeitet. In meinem neuen Buch<br />

verwischen sich Wirklichkeit und<br />

Phantasien. Es gibt sehr unterschiedliche<br />

Frauenfiguren, tatsächlich Erlebtes<br />

und frei Herbeigesehntes.<br />

RS: Wie nähern Sie sich Ihren<br />

Figuren?<br />

Brée: Früher habe ich sehr sauber<br />

skizziert und gegliedert und einen<br />

Bogen geschaffen und wenn ich einen<br />

Krimi geschrieben habe, wusste<br />

ich zum Schluss, was die Auflösung<br />

ist. Jetzt ist es eher „strukturierter<br />

Rock ‘n‘ Roll“. Ich schreib einfach<br />

drauf los. Und wenn die Figur in<br />

dem Dialog, den ich gerade schreibe,<br />

ganz woanders hin will, als ich<br />

das eigentlich vorhatte, dann geht<br />

die Figur eben dorthin und ich<br />

schau, was ich da draus machen<br />

kann. Figuren tun immer wieder<br />

überraschende Dinge, die ich nicht<br />

erwartet habe. Oder Dinge, von denen<br />

ich mir wünschen würde, dass<br />

sie es tun – und oft tun sie es dann<br />

auch wirklich. Ich bin genauso neugierig<br />

wie die Zuschauer, genauso<br />

gespannt, wie es weitergeht.<br />

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RS: Was ist das Geheimnis? Wie<br />

funktioniert Ihr „Rock ‘n‘ Roll“?<br />

Brée: Ich breche die Regeln. Ich<br />

glaube, du bist ein guter Drehbuchautor,<br />

wenn du das Handwerk begriffen<br />

hast und es dann NICHT<br />

anwendest.<br />

RS: Die klassische amerikanische<br />

Film-Dramaturgie mit Exposition,<br />

Konfrontation, Auflösung…<br />

Brée: Genau. Aber die musst du<br />

erst beherrschen und wissen, wie sie<br />

funktioniert, damit du sie brechen<br />

kannst.<br />

RS: Was der europäische Film ja allgemein<br />

ganz gerne macht…<br />

Brée: Der europäische Film<br />

Nicht nur momentweise glücklich: Autor Uli Brée.<br />

nimmt die erste Hürde nicht. Denn<br />

der europäische Film beherrscht das<br />

Handwerk oft nicht und hält sich<br />

dann trotzdem nicht an die Regeln.<br />

RS: Ihre Vorbilder waren also nicht<br />

so sehr Helmut Zenker oder Ernst Hinterberger,<br />

die Autoren österreichischer<br />

Fernseh-Sternstunden wie „Kottan ermittelt“,<br />

„Ein echter Wiener geht nicht<br />

unter“, „Kaisermühlen Blues“?<br />

Brée: Billy Wilder ist mein Vorbild!<br />

Zum Beispiel „Das Apartment“.<br />

„Das Apartment“ ist alles,<br />

alles was ein guter Film sein muss. Es<br />

ist gesellschaftskritisch, es ist lustig,<br />

es ist auf den Punkt, es ist berührend.<br />

Dieser Film kann alles. Billy<br />

Wilder ist mein Lehrherr gewesen.<br />

RS: Die ersten Meter auf Ihrem Weg<br />

zum Schriftsteller sind Sie mit Ihrem<br />

Erzählband „Schwindelfrei“ schon gegangen.<br />

Wie geht es weiter? Kennen<br />

Sie Ängste?<br />

Brée: Nein, für Angst bin ich<br />

schon viel zu oft hingefallen und<br />

aufgestanden. Wenn ich in meinem<br />

Leben an einem Punkt angelangt<br />

bin, wo ich unzufrieden oder unglücklich<br />

bin, dann versuche ich<br />

nachzujustieren. Dann überlege<br />

ich mir: „Ok, da bin ich jetzt, wo<br />

will ich mit mir hin, womit bin ich<br />

unglücklich und wie kann ich das<br />

ändern?“ Ich strebe nicht nach Karriere<br />

und Erfolg. Ich strebe nach Lebensoptimierung.<br />

Wie kann ich für<br />

mich und die, die ich liebe, ein Biotop<br />

schaffen, in dem wir nicht nur<br />

momentweise glücklich sind, sondern<br />

eine Art von Frieden haben,<br />

in dem wir uns aufhalten und leben<br />

RS-Foto: Buchner<br />

wollen? An so einem Punkt der Veränderung<br />

bin ich jetzt gerade. Ich<br />

möchte jetzt jedes Jahr ein Buch herausbringen<br />

und die nächsten sieben<br />

Jahre weiter Drehbücher schreiben.<br />

Dann möchte ich einen gleitenden<br />

Übergang vom Drehbuchschreiben<br />

zur Literatur für mich schaffen.<br />

RS: Spielt Tirol weiterhin eine Rolle<br />

in dieser Lebensplanung?<br />

Brée: Ich lebe seit meiner Scheidung<br />

vor vier Jahren in diesem wunderschönen<br />

alten Haus von Harald<br />

Krassnitzer in Mieming. Eigentlich<br />

genau das, was ich immer gesucht<br />

habe. Ich war ja ganz lange in Wien<br />

und als ich meine Frau kennengelernt<br />

habe und wir uns Kinder<br />

wünschten, wollte ich, dass sie am<br />

Land aufwachsen. Ich wollte nicht,<br />

dass sie wienerisch reden.<br />

RS: Gelungen?<br />

Brée: Gelungen! Wir haben dann<br />

von Wien aus ein Haus gesucht, aber<br />

das hat natürlich nicht funktioniert.<br />

Also haben wir zuerst in Kolsass in<br />

einer Wohnung gewohnt und dann<br />

nach zweieinhalb Jahren ein modernes<br />

Haus in Mieming gekauft, weil<br />

man nichts anderes gefunden hat.<br />

Jetzt lebe ich in dem Haus, das ich<br />

mir immer gewünscht habe.<br />

RS: Können Sie eine spezifische Tiroler<br />

Seele identifizieren?<br />

Brée: Ich weiß, dass die Tiroler in<br />

Wien beliebt sind. Ich weiß, dass die<br />

Tiroler den Ruf haben, eher kantig<br />

und eckig zu sein. Und ich empfinde<br />

sie ganz anders! Mir sind die Tiroler<br />

sehr, sehr sympathisch.<br />

RUNDSCHAU Seite 22 8./9. November 2017

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