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M ENSCHEN <strong>IM</strong> GESPRÄCH<br />
Ein strukturierter Rock ‘n‘ Roll<br />
„Vorstadtweiber“-Drehbuchautor Uli Brée im RUNDSCHAU-Gespräch<br />
Anlässlich seiner Lesung „Weiberg’schichten und Weiberlieder“<br />
mit Markus Linder im Rathaussaal Telfs sprach die RUND-<br />
SCHAU mit dem Drehbuchautor Uli Brée.<br />
Von Lia Buchner<br />
RUNDSCHAU: Herr Brée, Sie<br />
sind als Drehbuchautor österreichischer<br />
TV-Legenden wie „Vier Frauen und<br />
ein Todesfall“, „Vorstadtweiber“ oder<br />
der „Brüder“-Trilogie auch einem Publikum<br />
bekannt, das sonst nicht genau<br />
weiß, wer sich seine Lieblingsserien<br />
ausgedacht hat. Sind Sie dort, wo Sie<br />
hinwollten oder geht es noch weiter?<br />
Uli Brée: Ich will definitiv noch<br />
woanders hin. Ich habe jetzt 20 Jahre<br />
lang Drehbücher geschrieben und<br />
das Drehbuchgeschäft ist ein unerbittlich<br />
brutales Geschäft. Man mag<br />
gut verdienen, aber es ist ein richtig<br />
hartes Business. Sicher, ich bin inzwischen<br />
in einer Position, wo man<br />
mir den roten Teppich ausrollt – und<br />
trotzdem wird mir am Ende des Teppichs<br />
einer ein Bein stellen. Ich habe<br />
als Schauspieler angefangen, dann<br />
bin ich Drehbuchautor geworden<br />
und jetzt merke ich, dass Literatur<br />
mich glücklich macht. Jetzt möchte<br />
ich Schriftsteller werden.<br />
RS: Sie haben vor wenigen Wochen<br />
ihr zweites Buch, „Schwindelfrei“,<br />
eine Sammlung mit Erzählungen über<br />
Frauen veröffentlicht.<br />
Brée: Ja. Ich liebe die Frauen. Deshalb<br />
schreibe ich so viel über sie.<br />
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RS: In „Vorstadtweiber“ kommen<br />
die Frauen nicht so gut weg…<br />
Brée: In „Vorstadtweiber“ ist keine<br />
Figur nur gut und keine ist nur böse.<br />
Das mag ich an diesen Charakteren.<br />
Da hat jede Dreck am Stecken, aber<br />
jede ist auch nachvollziehbar in ihrem<br />
Schmerz. Die erste Staffel von<br />
„Vorstadtweiber“ habe ich in meiner<br />
größten privaten Krise geschrieben.<br />
Da ist schon viel von mir drin. Andere<br />
gehen zum Therapeuten, ich krieg<br />
Geld dafür. Inzwischen hat sich das<br />
verschoben, oder: Ich habe vieles<br />
verarbeitet. In meinem neuen Buch<br />
verwischen sich Wirklichkeit und<br />
Phantasien. Es gibt sehr unterschiedliche<br />
Frauenfiguren, tatsächlich Erlebtes<br />
und frei Herbeigesehntes.<br />
RS: Wie nähern Sie sich Ihren<br />
Figuren?<br />
Brée: Früher habe ich sehr sauber<br />
skizziert und gegliedert und einen<br />
Bogen geschaffen und wenn ich einen<br />
Krimi geschrieben habe, wusste<br />
ich zum Schluss, was die Auflösung<br />
ist. Jetzt ist es eher „strukturierter<br />
Rock ‘n‘ Roll“. Ich schreib einfach<br />
drauf los. Und wenn die Figur in<br />
dem Dialog, den ich gerade schreibe,<br />
ganz woanders hin will, als ich<br />
das eigentlich vorhatte, dann geht<br />
die Figur eben dorthin und ich<br />
schau, was ich da draus machen<br />
kann. Figuren tun immer wieder<br />
überraschende Dinge, die ich nicht<br />
erwartet habe. Oder Dinge, von denen<br />
ich mir wünschen würde, dass<br />
sie es tun – und oft tun sie es dann<br />
auch wirklich. Ich bin genauso neugierig<br />
wie die Zuschauer, genauso<br />
gespannt, wie es weitergeht.<br />
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RS: Was ist das Geheimnis? Wie<br />
funktioniert Ihr „Rock ‘n‘ Roll“?<br />
Brée: Ich breche die Regeln. Ich<br />
glaube, du bist ein guter Drehbuchautor,<br />
wenn du das Handwerk begriffen<br />
hast und es dann NICHT<br />
anwendest.<br />
RS: Die klassische amerikanische<br />
Film-Dramaturgie mit Exposition,<br />
Konfrontation, Auflösung…<br />
Brée: Genau. Aber die musst du<br />
erst beherrschen und wissen, wie sie<br />
funktioniert, damit du sie brechen<br />
kannst.<br />
RS: Was der europäische Film ja allgemein<br />
ganz gerne macht…<br />
Brée: Der europäische Film<br />
Nicht nur momentweise glücklich: Autor Uli Brée.<br />
nimmt die erste Hürde nicht. Denn<br />
der europäische Film beherrscht das<br />
Handwerk oft nicht und hält sich<br />
dann trotzdem nicht an die Regeln.<br />
RS: Ihre Vorbilder waren also nicht<br />
so sehr Helmut Zenker oder Ernst Hinterberger,<br />
die Autoren österreichischer<br />
Fernseh-Sternstunden wie „Kottan ermittelt“,<br />
„Ein echter Wiener geht nicht<br />
unter“, „Kaisermühlen Blues“?<br />
Brée: Billy Wilder ist mein Vorbild!<br />
Zum Beispiel „Das Apartment“.<br />
„Das Apartment“ ist alles,<br />
alles was ein guter Film sein muss. Es<br />
ist gesellschaftskritisch, es ist lustig,<br />
es ist auf den Punkt, es ist berührend.<br />
Dieser Film kann alles. Billy<br />
Wilder ist mein Lehrherr gewesen.<br />
RS: Die ersten Meter auf Ihrem Weg<br />
zum Schriftsteller sind Sie mit Ihrem<br />
Erzählband „Schwindelfrei“ schon gegangen.<br />
Wie geht es weiter? Kennen<br />
Sie Ängste?<br />
Brée: Nein, für Angst bin ich<br />
schon viel zu oft hingefallen und<br />
aufgestanden. Wenn ich in meinem<br />
Leben an einem Punkt angelangt<br />
bin, wo ich unzufrieden oder unglücklich<br />
bin, dann versuche ich<br />
nachzujustieren. Dann überlege<br />
ich mir: „Ok, da bin ich jetzt, wo<br />
will ich mit mir hin, womit bin ich<br />
unglücklich und wie kann ich das<br />
ändern?“ Ich strebe nicht nach Karriere<br />
und Erfolg. Ich strebe nach Lebensoptimierung.<br />
Wie kann ich für<br />
mich und die, die ich liebe, ein Biotop<br />
schaffen, in dem wir nicht nur<br />
momentweise glücklich sind, sondern<br />
eine Art von Frieden haben,<br />
in dem wir uns aufhalten und leben<br />
RS-Foto: Buchner<br />
wollen? An so einem Punkt der Veränderung<br />
bin ich jetzt gerade. Ich<br />
möchte jetzt jedes Jahr ein Buch herausbringen<br />
und die nächsten sieben<br />
Jahre weiter Drehbücher schreiben.<br />
Dann möchte ich einen gleitenden<br />
Übergang vom Drehbuchschreiben<br />
zur Literatur für mich schaffen.<br />
RS: Spielt Tirol weiterhin eine Rolle<br />
in dieser Lebensplanung?<br />
Brée: Ich lebe seit meiner Scheidung<br />
vor vier Jahren in diesem wunderschönen<br />
alten Haus von Harald<br />
Krassnitzer in Mieming. Eigentlich<br />
genau das, was ich immer gesucht<br />
habe. Ich war ja ganz lange in Wien<br />
und als ich meine Frau kennengelernt<br />
habe und wir uns Kinder<br />
wünschten, wollte ich, dass sie am<br />
Land aufwachsen. Ich wollte nicht,<br />
dass sie wienerisch reden.<br />
RS: Gelungen?<br />
Brée: Gelungen! Wir haben dann<br />
von Wien aus ein Haus gesucht, aber<br />
das hat natürlich nicht funktioniert.<br />
Also haben wir zuerst in Kolsass in<br />
einer Wohnung gewohnt und dann<br />
nach zweieinhalb Jahren ein modernes<br />
Haus in Mieming gekauft, weil<br />
man nichts anderes gefunden hat.<br />
Jetzt lebe ich in dem Haus, das ich<br />
mir immer gewünscht habe.<br />
RS: Können Sie eine spezifische Tiroler<br />
Seele identifizieren?<br />
Brée: Ich weiß, dass die Tiroler in<br />
Wien beliebt sind. Ich weiß, dass die<br />
Tiroler den Ruf haben, eher kantig<br />
und eckig zu sein. Und ich empfinde<br />
sie ganz anders! Mir sind die Tiroler<br />
sehr, sehr sympathisch.<br />
RUNDSCHAU Seite 22 8./9. November 2017