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IM KW 48

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Die vergangenen Wochen waren für Daniel Federspiel nicht wirklich eine<br />

ruhige und positive Angelegenheit. Sportlich knabberte der Imster Radstar<br />

heuer an Verletzungen und einem für seine Ansprüche eher durchwachsenen<br />

Jahr. Hinzu kam die aufwühlende Geschichte mit dem Tourismusverband<br />

Imst und seinem Sponsoring. Obendrein musste „Feder“ kürzlich einen<br />

chirurgischen Eingriff im Gesicht hinter sich bringen. Sein großes Ziel,<br />

die Olympiade in Tokio 2020 hat er noch nicht aus den Augen verloren.<br />

Jetzt spricht der Doppelweltmeister im RUNDSCHAU-Interview Klartext.<br />

Von Albert Unterpirker<br />

RUNDSCHAU: Daniel, wie lautet dein<br />

sportliches Resümee heuer?<br />

Daniel Federspiel: Wir wissen beide,<br />

dass ich schon bessere Jahre gehabt habe.<br />

2017 war echt brutal. Ich habe zwar bis in<br />

den Februar hinein gut trainiert, habe da<br />

auch komplett anders trainiert. Das erste<br />

Rennen in Zypern war noch ganz ok – in<br />

Portugal hat es mich dann aufgestellt.<br />

RS: Was ist da passiert?<br />

Federspiel: Ich habe mir bei einem Sturz<br />

die Rippen gebrochen und im Knie ist ein<br />

Bluterguss übrig geblieben. Der hat zu diesem<br />

Zeitpunkt noch nichts getan. Dann bin<br />

ich weiter Rennen gefahren und von Portugal<br />

heim – und von heute auf morgen habe<br />

ich den Fuß nicht mehr abbiegen können.<br />

Dann kam die Diagnose, dass sich dieser<br />

Bluterguss mit Knorpelgewebe verbunden<br />

hat – das war so ein Krapfen –, der ist mir<br />

ins Kniegelenk gewandert. Da hat’s geheißen:<br />

Da nutzt die beste Salbe nichts mehr<br />

– und ich wurde operiert. Das Knie war<br />

danach wirklich gleich wieder perfekt, nach<br />

fünf Tagen habe ich wieder gehen können,<br />

bin nach zehn Tagen sogar wieder am Rad<br />

gesessen. Aber körperlich war ich nicht mal<br />

annähernd wieder beisammen. Es war wohl<br />

auch die Vollnarkose, die bis zu einem Jahr<br />

in deinem Körper wirken kann. Und wenn<br />

das nur zehn Prozent sind, die dir fehlen...<br />

RS: ...das sind dann Welten in diesem Bereich?<br />

Federspiel: Genau. Ich bin mir vorgekommen,<br />

als wäre ich noch nie auf diesem<br />

Rad gesessen, das war richtig hart und hat<br />

sich das ganze Jahr so hingezogen. Bei der<br />

EM habe ich das irgendwie wieder auf die<br />

Reihe bekommen (Anm.: zweiter Platz),<br />

die hätte ich gewonnen. Nur kurz vor dem<br />

Ziel hat der spätere Sieger eine Abkürzung<br />

genommen. Der ist einfach rechts bei mir<br />

vorbeigefahren, wo er nicht fahren hätte<br />

dürfen – keiner hat es gesehen.<br />

RS: Auch bei der WM in China ist es nicht<br />

so gelaufen, du bist disqualifiziert worden?<br />

Federspiel: Richtig, allerdings war ich<br />

mental so am Limit, ich war so verplant,<br />

so habe ich mich selber nicht gekannt. Ich<br />

hab’ dort nichts auf die Reihe bekommen.<br />

Auch nicht annähernd die Leistung abrufen<br />

können, wie ich es sonst eigentlich kann.<br />

Keine Chance.<br />

RS: Wie geht’s jetzt weiter, gibt’s irgendwelche<br />

Pläne? Was geht jetzt in dir vor?<br />

Federspiel (lacht): Gute Frage! Der dritte<br />

WM-Titel im Eliminator wäre eigentlich<br />

mein großes Ziel heuer gewesen. Normal<br />

starte ich mein Training immer im November<br />

(da war aber die WM in China).<br />

„Jeder gibt halt seinen Senf dazu“<br />

Daniel Federspiel spricht im RUNDSCHAU-Interview Klartext<br />

Jetzt war der Plan, dass ich das Training im<br />

Dezember starte. Allerdings weiß ich jetzt<br />

gerade nicht wie und was. Die Olympiade<br />

mit Cross Country wäre eigentlich mein<br />

großes Ziel. Aber ich habe momentan null<br />

Sponsoren.<br />

RS: Das heißt, es wird sich in den nächsten<br />

Wochen klären, wie es weitergeht?<br />

Federspiel: Genau. Ich möchte aber<br />

auch schauen, dass ich meine Arbeit bei der<br />

Gemeinde in den Griff bekomme. Ich habe<br />

dort viele Minusstunden, die muss ich klarerweise<br />

einarbeiten. Und wenn sich noch<br />

was ergibt – was ich hoffe – würde ich meinen<br />

Sport natürlich gerne so weitermachen.<br />

RS: Apropos, du warst gerade beim Arzt.<br />

Was ist da genau gewesen, was hat der Arzt<br />

gesagt?<br />

Federspiel (lacht): Sowas hat er noch nie<br />

gesehen. Der Arzt hat Zeug rausgeholt (aus<br />

dem Gesicht), Talg, Gewebe und Eiter. Es<br />

war zwar nur eine örtliche Betäubung, aber<br />

er hat gemeint, wenn er weiter soviel Zeug<br />

da rausholt, ist bald kein Gesicht mehr da.<br />

Es war ein kleiner Schnitt (siehe Bild)...<br />

RS: Wie lange warst du da drin?<br />

Federspiel: Rund eineinhalb Stunden.<br />

Allerdings bin ich schon wieder im Warteraum<br />

gesessen, weil sie schauen wollten, ob<br />

es nachblutet. Dann hat’s mich im Warteraum<br />

natürlich umgebeamt, dann hab’ ich<br />

mich nochmal hinlegen müssen.<br />

RS: Wie geht’s dir mit der Augengeschichte?<br />

Federspiel: Das war in China ab und zu<br />

da, dieses alte Leiden. Das kommt dann,<br />

wenn ich mental voll am Limit bin. Die<br />

Woche in China war echt schlimm.<br />

RS: Hättest du dir schenken können?<br />

Federspiel: Ja, im Nachhinein schon. In<br />

China war ich kurz vor‘m Eingehen, mental<br />

habe ich es fast nicht geschafft. Das ist mir<br />

echt mal vorgekommen, so in der Art – ich<br />

weiß jetzt nicht, was Depressionen sind –,<br />

aber ich glaube, ich war da nicht mehr weit<br />

weg. Denn das hat mich so zerstört. Das<br />

klingt jetzt scheiße, aber nach dem Rennen,<br />

nachdem sie mich disqualifiziert haben, war<br />

ich topfit. Da war ich ein anderer Mensch.<br />

RS: Als wäre ein Last von dir gefallen?<br />

Federspiel: Genau! Ich war danach echt<br />

frisch.<br />

RS: Zu der Geschichte mit dem Tourismusverband<br />

Imst. Möchtest du zu diesem Thema<br />

etwas sagen?<br />

Federspiel: Eigentlich wollte ich nichts<br />

mehr sagen. Ich wollte da überhaupt nichts<br />

aufwirbeln und ich habe das auch nicht so<br />

formuliert, wie ich das auf Facebook gepo-<br />

Daniel Federspiel: „In China war ich kurz vor’m Eingehen!“ <br />

stet habe. Das war absolut mit null Hintergedanken,<br />

aber dass das dann so ausartet...<br />

RS: Da wurde danach dann hineininterpretiert?<br />

Federspiel: Genau! Die Probleme waren<br />

die Kommentare.<br />

RS: Welche Kommentare? Ich welche Richtung<br />

sind diese u.a. gegangen?<br />

Federspiel: Schlecht dem TVB gegenüber.<br />

RS: Tiefe Meldungen teilweise?<br />

Federspiel: Genau. Ich habe da auch<br />

mit keinem Like oder Kommentar dafür gestimmt.<br />

Ich habe mich da rausgehalten. Ich<br />

wollte mich auf Facebook bedanken und<br />

das habe ich Thomas (Köhle, TVB Imst-Geschäftsführer)<br />

auch gesagt. Das Gegenangebot,<br />

das sie mir gemacht haben – im Verhältnis,<br />

was ich bis jetzt bekommen habe – kann<br />

ich nicht annnehmen. Das wäre wieder das<br />

Logo auf dem Kopf gewesen, aber mit dem<br />

Geld könnte ich mir genau ein Rennen und<br />

vielleicht ein Trainingslager zahlen, dann ist<br />

es erledigt. Darum habe ich gesagt: Thomas,<br />

es tut mir leid, ich kann das nicht annehmen<br />

und ich werde es auch nicht annehmen.<br />

Aber ist ja kein Problem. Sie haben eine andere<br />

Philosophie und das passt ja auch.<br />

RS: Was möchtest du jetzt den Leuten sagen?<br />

Ist dein Post bei vielen in die falsche Kehle<br />

gekommen?<br />

Federspiel: Genau so ist es! Ich wollte<br />

damit nur sagen, dass es in den zehn Jahren<br />

so viele Geschäftsführer gegeben hat und die<br />

Philosophie des neuen Geschäftsführers ist<br />

halt eine andere. Und dass so ein Sponsoring<br />

in dem Sinne, wie es die letzten Jahre<br />

war, leider nicht mehr möglich ist. Das war<br />

dann brutal, so was habe ich noch nie gesehen!<br />

Da ist es dann rund gegangen.<br />

RS: Da hast du nicht erwartet, dass es so<br />

eskaliert ...<br />

Federspiel: Nein. Das wollte ich auch<br />

nicht.<br />

RS: Bist du aufgrund der vorgefallenen Sachen<br />

in den sozialen Netzkwerken bzw. von<br />

medialen Veröffentlichungen enttäuscht? Trifft<br />

dich das jetzt persönlich?<br />

Federspiel: Ja, sicher! So wie ich das<br />

jetzt mitbekommen habe, auch in den Zeitungen...ist<br />

schon klar: Jeder gibt halt seinen<br />

Senf dazu. Ich wollte wirklich nicht, dass das<br />

so rüberkommt, nachdem ich das gepostet<br />

habe.<br />

RS: Hätten sich deiner Meinung nach manche<br />

Leute nicht so sehr aus dem Fenster lehnen<br />

sollen?<br />

Federspiel: Vielleicht nicht so reinsteigern<br />

oder falsch aufnehmen. Das hätte man<br />

auch positiv sehen sollen, denn Imst war<br />

mein treuester Sponsor und es hat immer<br />

alles gepasst! Das ist einfach falsch aufgenommen<br />

worden. Ich bin Imst keine Minute<br />

böse, wieso sollte ich auch. Sie sind zehn<br />

Jahre hinter mir gestanden.<br />

RS: Und wie es manche nun formulieren,<br />

dass es vom TVB quasi eine Schweinerei sei?<br />

Federspiel: Das sehe ich eben nicht so!<br />

Wir haben alles zusammen erreicht und sie<br />

sind auch hinter mir gestanden, als es nicht<br />

so gelaufen ist. Viele sehen jetzt den TVB<br />

in einem schlechten Licht, aber das wollte<br />

ich nicht.<br />

RS: Du sagst, du wolltest dir keine Feinde<br />

machen. Aber manche haben jetzt vielleicht so<br />

über das Ziel hinausgeschossen, als wäre das<br />

jetzt eine Feindschaft geworden?<br />

Federspiel: So ist es.<br />

RS: Wie nahe ist dir diese Sache gegangen?<br />

War diese ganze Geschichte vielleicht das letzte<br />

Tröpfchen, das bei der WM in China das Fass<br />

sozusagen mental zum Überlaufen brachte?<br />

Federspiel: So ist es. Ich wollte eh nichts<br />

mehr posten, habe es dann aber doch getan.<br />

Allerdings habe ich gepostet und nichts<br />

mehr gelesen, habe keinen Kommentar<br />

mehr angesehen. Normalerweise bin ich<br />

echt cool und wenn ein Großereignis ansteht,<br />

kann ich immer wieder etwas drauflegen,<br />

das ich gar nicht habe. Nur da ist es<br />

echt...<br />

RS: Weg von diesem Thema. Besinnliche<br />

Adventzeit, wie verbringst du Weihnachten?<br />

Federspiel: In der Weihnachtszeit bin ich<br />

eigentlich immer da. Wir sind ja eine kleine<br />

Familie, Mama und ich. Zu Weihnachten<br />

gibt’s einmal im Jahr Fondue und keine<br />

großen Geschenke. Einfach mal ein bisschen<br />

abschalten und runterkommen.<br />

RS: Danke für das Gespräch.<br />

RS-Foto: Unterpirker<br />

RUNDSCHAU Seite 64 29./30. November 2017

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