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Die vergangenen Wochen waren für Daniel Federspiel nicht wirklich eine<br />
ruhige und positive Angelegenheit. Sportlich knabberte der Imster Radstar<br />
heuer an Verletzungen und einem für seine Ansprüche eher durchwachsenen<br />
Jahr. Hinzu kam die aufwühlende Geschichte mit dem Tourismusverband<br />
Imst und seinem Sponsoring. Obendrein musste „Feder“ kürzlich einen<br />
chirurgischen Eingriff im Gesicht hinter sich bringen. Sein großes Ziel,<br />
die Olympiade in Tokio 2020 hat er noch nicht aus den Augen verloren.<br />
Jetzt spricht der Doppelweltmeister im RUNDSCHAU-Interview Klartext.<br />
Von Albert Unterpirker<br />
RUNDSCHAU: Daniel, wie lautet dein<br />
sportliches Resümee heuer?<br />
Daniel Federspiel: Wir wissen beide,<br />
dass ich schon bessere Jahre gehabt habe.<br />
2017 war echt brutal. Ich habe zwar bis in<br />
den Februar hinein gut trainiert, habe da<br />
auch komplett anders trainiert. Das erste<br />
Rennen in Zypern war noch ganz ok – in<br />
Portugal hat es mich dann aufgestellt.<br />
RS: Was ist da passiert?<br />
Federspiel: Ich habe mir bei einem Sturz<br />
die Rippen gebrochen und im Knie ist ein<br />
Bluterguss übrig geblieben. Der hat zu diesem<br />
Zeitpunkt noch nichts getan. Dann bin<br />
ich weiter Rennen gefahren und von Portugal<br />
heim – und von heute auf morgen habe<br />
ich den Fuß nicht mehr abbiegen können.<br />
Dann kam die Diagnose, dass sich dieser<br />
Bluterguss mit Knorpelgewebe verbunden<br />
hat – das war so ein Krapfen –, der ist mir<br />
ins Kniegelenk gewandert. Da hat’s geheißen:<br />
Da nutzt die beste Salbe nichts mehr<br />
– und ich wurde operiert. Das Knie war<br />
danach wirklich gleich wieder perfekt, nach<br />
fünf Tagen habe ich wieder gehen können,<br />
bin nach zehn Tagen sogar wieder am Rad<br />
gesessen. Aber körperlich war ich nicht mal<br />
annähernd wieder beisammen. Es war wohl<br />
auch die Vollnarkose, die bis zu einem Jahr<br />
in deinem Körper wirken kann. Und wenn<br />
das nur zehn Prozent sind, die dir fehlen...<br />
RS: ...das sind dann Welten in diesem Bereich?<br />
Federspiel: Genau. Ich bin mir vorgekommen,<br />
als wäre ich noch nie auf diesem<br />
Rad gesessen, das war richtig hart und hat<br />
sich das ganze Jahr so hingezogen. Bei der<br />
EM habe ich das irgendwie wieder auf die<br />
Reihe bekommen (Anm.: zweiter Platz),<br />
die hätte ich gewonnen. Nur kurz vor dem<br />
Ziel hat der spätere Sieger eine Abkürzung<br />
genommen. Der ist einfach rechts bei mir<br />
vorbeigefahren, wo er nicht fahren hätte<br />
dürfen – keiner hat es gesehen.<br />
RS: Auch bei der WM in China ist es nicht<br />
so gelaufen, du bist disqualifiziert worden?<br />
Federspiel: Richtig, allerdings war ich<br />
mental so am Limit, ich war so verplant,<br />
so habe ich mich selber nicht gekannt. Ich<br />
hab’ dort nichts auf die Reihe bekommen.<br />
Auch nicht annähernd die Leistung abrufen<br />
können, wie ich es sonst eigentlich kann.<br />
Keine Chance.<br />
RS: Wie geht’s jetzt weiter, gibt’s irgendwelche<br />
Pläne? Was geht jetzt in dir vor?<br />
Federspiel (lacht): Gute Frage! Der dritte<br />
WM-Titel im Eliminator wäre eigentlich<br />
mein großes Ziel heuer gewesen. Normal<br />
starte ich mein Training immer im November<br />
(da war aber die WM in China).<br />
„Jeder gibt halt seinen Senf dazu“<br />
Daniel Federspiel spricht im RUNDSCHAU-Interview Klartext<br />
Jetzt war der Plan, dass ich das Training im<br />
Dezember starte. Allerdings weiß ich jetzt<br />
gerade nicht wie und was. Die Olympiade<br />
mit Cross Country wäre eigentlich mein<br />
großes Ziel. Aber ich habe momentan null<br />
Sponsoren.<br />
RS: Das heißt, es wird sich in den nächsten<br />
Wochen klären, wie es weitergeht?<br />
Federspiel: Genau. Ich möchte aber<br />
auch schauen, dass ich meine Arbeit bei der<br />
Gemeinde in den Griff bekomme. Ich habe<br />
dort viele Minusstunden, die muss ich klarerweise<br />
einarbeiten. Und wenn sich noch<br />
was ergibt – was ich hoffe – würde ich meinen<br />
Sport natürlich gerne so weitermachen.<br />
RS: Apropos, du warst gerade beim Arzt.<br />
Was ist da genau gewesen, was hat der Arzt<br />
gesagt?<br />
Federspiel (lacht): Sowas hat er noch nie<br />
gesehen. Der Arzt hat Zeug rausgeholt (aus<br />
dem Gesicht), Talg, Gewebe und Eiter. Es<br />
war zwar nur eine örtliche Betäubung, aber<br />
er hat gemeint, wenn er weiter soviel Zeug<br />
da rausholt, ist bald kein Gesicht mehr da.<br />
Es war ein kleiner Schnitt (siehe Bild)...<br />
RS: Wie lange warst du da drin?<br />
Federspiel: Rund eineinhalb Stunden.<br />
Allerdings bin ich schon wieder im Warteraum<br />
gesessen, weil sie schauen wollten, ob<br />
es nachblutet. Dann hat’s mich im Warteraum<br />
natürlich umgebeamt, dann hab’ ich<br />
mich nochmal hinlegen müssen.<br />
RS: Wie geht’s dir mit der Augengeschichte?<br />
Federspiel: Das war in China ab und zu<br />
da, dieses alte Leiden. Das kommt dann,<br />
wenn ich mental voll am Limit bin. Die<br />
Woche in China war echt schlimm.<br />
RS: Hättest du dir schenken können?<br />
Federspiel: Ja, im Nachhinein schon. In<br />
China war ich kurz vor‘m Eingehen, mental<br />
habe ich es fast nicht geschafft. Das ist mir<br />
echt mal vorgekommen, so in der Art – ich<br />
weiß jetzt nicht, was Depressionen sind –,<br />
aber ich glaube, ich war da nicht mehr weit<br />
weg. Denn das hat mich so zerstört. Das<br />
klingt jetzt scheiße, aber nach dem Rennen,<br />
nachdem sie mich disqualifiziert haben, war<br />
ich topfit. Da war ich ein anderer Mensch.<br />
RS: Als wäre ein Last von dir gefallen?<br />
Federspiel: Genau! Ich war danach echt<br />
frisch.<br />
RS: Zu der Geschichte mit dem Tourismusverband<br />
Imst. Möchtest du zu diesem Thema<br />
etwas sagen?<br />
Federspiel: Eigentlich wollte ich nichts<br />
mehr sagen. Ich wollte da überhaupt nichts<br />
aufwirbeln und ich habe das auch nicht so<br />
formuliert, wie ich das auf Facebook gepo-<br />
Daniel Federspiel: „In China war ich kurz vor’m Eingehen!“ <br />
stet habe. Das war absolut mit null Hintergedanken,<br />
aber dass das dann so ausartet...<br />
RS: Da wurde danach dann hineininterpretiert?<br />
Federspiel: Genau! Die Probleme waren<br />
die Kommentare.<br />
RS: Welche Kommentare? Ich welche Richtung<br />
sind diese u.a. gegangen?<br />
Federspiel: Schlecht dem TVB gegenüber.<br />
RS: Tiefe Meldungen teilweise?<br />
Federspiel: Genau. Ich habe da auch<br />
mit keinem Like oder Kommentar dafür gestimmt.<br />
Ich habe mich da rausgehalten. Ich<br />
wollte mich auf Facebook bedanken und<br />
das habe ich Thomas (Köhle, TVB Imst-Geschäftsführer)<br />
auch gesagt. Das Gegenangebot,<br />
das sie mir gemacht haben – im Verhältnis,<br />
was ich bis jetzt bekommen habe – kann<br />
ich nicht annnehmen. Das wäre wieder das<br />
Logo auf dem Kopf gewesen, aber mit dem<br />
Geld könnte ich mir genau ein Rennen und<br />
vielleicht ein Trainingslager zahlen, dann ist<br />
es erledigt. Darum habe ich gesagt: Thomas,<br />
es tut mir leid, ich kann das nicht annehmen<br />
und ich werde es auch nicht annehmen.<br />
Aber ist ja kein Problem. Sie haben eine andere<br />
Philosophie und das passt ja auch.<br />
RS: Was möchtest du jetzt den Leuten sagen?<br />
Ist dein Post bei vielen in die falsche Kehle<br />
gekommen?<br />
Federspiel: Genau so ist es! Ich wollte<br />
damit nur sagen, dass es in den zehn Jahren<br />
so viele Geschäftsführer gegeben hat und die<br />
Philosophie des neuen Geschäftsführers ist<br />
halt eine andere. Und dass so ein Sponsoring<br />
in dem Sinne, wie es die letzten Jahre<br />
war, leider nicht mehr möglich ist. Das war<br />
dann brutal, so was habe ich noch nie gesehen!<br />
Da ist es dann rund gegangen.<br />
RS: Da hast du nicht erwartet, dass es so<br />
eskaliert ...<br />
Federspiel: Nein. Das wollte ich auch<br />
nicht.<br />
RS: Bist du aufgrund der vorgefallenen Sachen<br />
in den sozialen Netzkwerken bzw. von<br />
medialen Veröffentlichungen enttäuscht? Trifft<br />
dich das jetzt persönlich?<br />
Federspiel: Ja, sicher! So wie ich das<br />
jetzt mitbekommen habe, auch in den Zeitungen...ist<br />
schon klar: Jeder gibt halt seinen<br />
Senf dazu. Ich wollte wirklich nicht, dass das<br />
so rüberkommt, nachdem ich das gepostet<br />
habe.<br />
RS: Hätten sich deiner Meinung nach manche<br />
Leute nicht so sehr aus dem Fenster lehnen<br />
sollen?<br />
Federspiel: Vielleicht nicht so reinsteigern<br />
oder falsch aufnehmen. Das hätte man<br />
auch positiv sehen sollen, denn Imst war<br />
mein treuester Sponsor und es hat immer<br />
alles gepasst! Das ist einfach falsch aufgenommen<br />
worden. Ich bin Imst keine Minute<br />
böse, wieso sollte ich auch. Sie sind zehn<br />
Jahre hinter mir gestanden.<br />
RS: Und wie es manche nun formulieren,<br />
dass es vom TVB quasi eine Schweinerei sei?<br />
Federspiel: Das sehe ich eben nicht so!<br />
Wir haben alles zusammen erreicht und sie<br />
sind auch hinter mir gestanden, als es nicht<br />
so gelaufen ist. Viele sehen jetzt den TVB<br />
in einem schlechten Licht, aber das wollte<br />
ich nicht.<br />
RS: Du sagst, du wolltest dir keine Feinde<br />
machen. Aber manche haben jetzt vielleicht so<br />
über das Ziel hinausgeschossen, als wäre das<br />
jetzt eine Feindschaft geworden?<br />
Federspiel: So ist es.<br />
RS: Wie nahe ist dir diese Sache gegangen?<br />
War diese ganze Geschichte vielleicht das letzte<br />
Tröpfchen, das bei der WM in China das Fass<br />
sozusagen mental zum Überlaufen brachte?<br />
Federspiel: So ist es. Ich wollte eh nichts<br />
mehr posten, habe es dann aber doch getan.<br />
Allerdings habe ich gepostet und nichts<br />
mehr gelesen, habe keinen Kommentar<br />
mehr angesehen. Normalerweise bin ich<br />
echt cool und wenn ein Großereignis ansteht,<br />
kann ich immer wieder etwas drauflegen,<br />
das ich gar nicht habe. Nur da ist es<br />
echt...<br />
RS: Weg von diesem Thema. Besinnliche<br />
Adventzeit, wie verbringst du Weihnachten?<br />
Federspiel: In der Weihnachtszeit bin ich<br />
eigentlich immer da. Wir sind ja eine kleine<br />
Familie, Mama und ich. Zu Weihnachten<br />
gibt’s einmal im Jahr Fondue und keine<br />
großen Geschenke. Einfach mal ein bisschen<br />
abschalten und runterkommen.<br />
RS: Danke für das Gespräch.<br />
RS-Foto: Unterpirker<br />
RUNDSCHAU Seite 64 29./30. November 2017