Verpackungs Rundschau 05/98
Verpackungs Rundschau 05/98
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UMWELT<br />
Europas-Mehrwegquoten<br />
Zwischen Zoff und Zustimmung<br />
Die in Deutschland gültige Mehrwegquote<br />
ist Reizthema für die einen, Beruhigung<br />
für die anderen. Sie ist der<br />
Knüppel im Sack der Umweltschützer<br />
gegen ein Überhandnehmen der Einwegverpackung.<br />
Bemühungen eines<br />
Teils der EU-Länder zielen darauf, diesen<br />
Knüppel bald in den legendären<br />
Sack der Brüder Grimm verschwinden<br />
zu lassen, denn die Brüsseler Eurokraten<br />
sehen in der Mehrwegquote ein<br />
Handelshemmnis.<br />
Derzeit beträgt die MW-Quote 72<br />
Prozent. Das heißt, wenn weniger<br />
als 72 Prozent der verpackt in<br />
den Handel kommenden Biere und Soft<br />
Drinks in Mehrwegflaschen abgefüllt werden,dann<br />
würde auf Einwegverpackungen<br />
Pfandgeld erhoben. Allerdings ist das<br />
statistische Material, die Einwegflaschen<br />
und Dosen betreffend, nicht ganz vollständig,<br />
denn in den Zahlen führender<br />
Marktforschungsinstitute fehlen zum Beispiel<br />
die entsprechenden Umsätze von<br />
Firmen wie Aldi und Norma sowie die<br />
nicht unerheblichen Verkäufe von Kaufhäusern<br />
und Tankstellen.<br />
Der ausgewiesene Dosenanteil in der<br />
Bundesrepublik betrug für 0,5 l und 0,33 l<br />
von Januar bis Oktober 1997 19,9 Prozent.<br />
Die vergleichbare Zahl für das Jahr 1996:<br />
18,8 Prozent, somit eine Steigerung von<br />
annähernd fünf Prozent.<br />
Stellungnahmen<br />
Dr. Fritz L. Schmucker,<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
des Bayerischen Brauerbundes:<br />
„Bier in<br />
Dosen hat beachtlich<br />
zugelegt. Von 1995 bis<br />
1996 in Bayern um 21,4<br />
Prozent. Das ist umweltpolitischbedenklich.<br />
Das Fraunhofer-Institut hat unter Annahme<br />
aller relevanten Gegebenheiten<br />
unter anderem auch die verschiedensten<br />
Lieferentfernungen bis hin zu der in der<br />
Praxis kaum realistischen Strecke von 1000<br />
km festgestellt, daß die Mehrwegflasche,<br />
selbst wenn sie nur zehn Umläufe absolvierte<br />
– in der Praxis bringt sie es auf 40 bis<br />
50 – praktisch unter allen ökologisch belangvollen<br />
Kriterien umweltfreundlicher<br />
ist als Einwegverpackungen. Die fördern<br />
die Konzentration und gefährden die<br />
mittelständische Struktur der Brauwirtschaft”.<br />
Diese Stellungnahme aus der weißblauen<br />
und badischen Sicht kann nicht<br />
weiter verwundern: Mittlerweile reisen<br />
über 20 Prozent des verpackten Bieres in<br />
der Dose zum Konsumenten. Die Umschlagstationen<br />
auf dem Weg dorthin –<br />
Groß- und Einzelhandel – schätzen die rigide<br />
und leicht zu plazierende Verpackung.<br />
Die anfänglich agressive Preispolitik<br />
einiger Billiganbieter tat ein Übriges. Bei<br />
den führenden Marken bringt das Bier<br />
in der Dose einen auskömmlichen Preis.<br />
1997 setzte Warsteiner zum Beispiel<br />
564 414 hl in der 0,5 l Dose um. Trotzdem<br />
hat diese Brauerei immer noch einen<br />
Mehrweganteil von 88,7 Prozent.<br />
Die Bitburger Brauerei verkaufte<br />
300000 hl in der Dose. Folgerichtig ging<br />
der Zuwachs an Bierabsatz bundesweit<br />
vornehmlich auf das Konto der Dose, die<br />
ganz einfach ein Marktbedürfnis stillte.<br />
Müßte der Einzelhandel das Bier in der<br />
Einwegverpackung, gleich ob Dose oder<br />
EW-Flasche, mit Pfand abrechnen, wäre<br />
die Sache für Brauereien und den Handel<br />
längst nicht mehr so attraktiv. Immerhin<br />
wurden 1997 über die Registrierkassen<br />
des Lebensmitteleinzelhandels und der<br />
Abholmärkte 47,2 Mio. hl Bier im Wert<br />
von 9,67 Mrd. DM abgerechnet. Daß hier<br />
zwangsläufig ein Dissens zwischen den<br />
Klein- und Mittelbrauereien vor allem<br />
in Bayern und Württemberg/Baden einerseits<br />
und den Großbrauern anderseits<br />
entstehen mußte, ist klar. Für viele Kleine<br />
wäre eine Dosenabfüllstraße unwirtschaftlich,<br />
es sei denn, sie schlössen sich<br />
zu Abfüllgemeinschaften zusammen.Kein<br />
Wunder also, daß die südlichen Bundesländer<br />
nicht nur für eine höhere, sondern<br />
vor allem für eine spezielle Quote für<br />
Mehrweg-Bierflaschen votieren. Und die<br />
wünschen sie sie sich nahe der 80 Prozent<br />
Grenze.<br />
„Daß auch die Mehrwegbierflasche<br />
aus Glas Konkurenz bekommen könnte“,<br />
meint der Getränkefachjournalist Walter<br />
Mergarten. Er sieht in absehbarer Zeit<br />
auch die PET-Flasche in der Mehrwegfraktion.<br />
“Was bei Mineralwasser (Gerolsteiner)<br />
funktioniert, wird auch bei Bier funktionieren”,<br />
das Problem bekäme damit<br />
eine weitere Facette.<br />
Dr.Ruppert Kammermeier,Mitglied der<br />
Unternehmensleitung Karlsberg-Verbund,<br />
Homburg: „Der Umweltausschuß der Bun-<br />
desländer drängt auf<br />
eine spezielle Bierquote.<br />
Damit soll<br />
erstmals eine Sonderquote<br />
für eine<br />
Produktgattung eingeführt<br />
werden. Die<br />
findet bei vielen Umweltministern<br />
auch<br />
einen hohen Konsens. Verständlicherweise<br />
besonders bei den Bayern und Badenern.<br />
Dabei wird unseres Wissens ohnedies<br />
schon mehr recycliert als ursprünglich<br />
vorgegeben war. Das ruft natürlich die<br />
Wirtschaftsminister auf den Plan, denn<br />
hier geht es ja auch um ein wettbewerbspolitisches<br />
Thema.<br />
Die neu entflammte Diskussion ist<br />
zurückzuführen auf frühere Interventionen<br />
der beiden genannten Bundesländer.<br />
Da wird mit Arbeitslosigkeit und der existentiellen<br />
Bedrohung mittelständischer<br />
und kleiner Brauereien argumentiert. Daß<br />
die EU dies nicht akzeptieren wird, ist anzunehmen.<br />
Man sollte aber auch sehen,<br />
daß dies ein Einstieg in die Zwangswirtschaft<br />
wäre. Was mich betrifft, so geht es<br />
mir bei der ganzen Geschichte nämlich<br />
auch um die Freihheit der Produktgestaltung.<br />
Ich möchte nicht von der Politik<br />
in meinen Marketingüberlegungen beeinträchtigt<br />
werden. Genau wie ich frei sein<br />
will, meine Preise festzusetzen, will ich<br />
dies auch in meiner Produktpolitik sein.<br />
Dazu gehört unbedingt die Verpackung.<br />
Ich muß freie Wahl zwischen Einweg und<br />
Mehrweg, zwischen Glas und Dose haben.<br />
Nur so kann ich auf die Bedürfnisse des<br />
Marktes reagieren“.<br />
So verteilen sich denn die Interessen<br />
auch in den Ausschüssen der Politiker.Die<br />
Meinungsunterschiede sind gravierend.<br />
Auf der einen Seite die Umweltpolitiker,<br />
die gerne eine Mehrwegquote von 78 Prozent<br />
festklopfen möchten,auf der anderen<br />
Seite die Wirtschaftspolitiker, die sagen,<br />
der Mehrweganteil bei Bier liege ohnehin<br />
bei dieser Marke. Der Wirtschaftsausschuß<br />
vermutet zudem, daß eine gesonderte<br />
Quote für Bier zu einem Zusammenbruch<br />
der Mehrwegsysteme führen könne.<br />
Niko Tessin vom<br />
Deutschen Brauerbund:<br />
„Es werden<br />
zwar vom Umweltministerium<br />
und anderen<br />
Stellen die speziellen<br />
Quoten für die<br />
einzelnen Getränke<br />
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