Band40
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beobachtbaren Phänomene sind: Durch den Begriff der Stochastizität wird speziell auf den<br />
Einfluss des Rauschens (in all seinen Facetten) auf Lernen hingewiesen und durch den Begriff<br />
der Resonanz die Abstimmung von zwei Signalen mit einem Optimaltrend betont (Schöllhorn<br />
2005; Beckmann & Schöllhorn, 2006; Schöllhorn et al., 2009; Schöllhorn et al., 2015). Der<br />
Bereich des Optimums (= Resonanz) wird aufgrund der Befunde zur Individualität und<br />
Situationsabhängigkeit von Bewegungsmustern bislang als relativ unbestimmt und<br />
veränderlich betrachtet (Abbildung 2). In der Praxis kann entsprechend eine wesentliche<br />
Bedingung effektiven Lernens darin gesehen werden, dass ein Trainer oder der Athlet selbst<br />
im Training das entsprechende Optimum an Schwankungen bzw. Variationen zu finden und<br />
auszuwählen hat. Bei Anfängern und Kindern führt dies dazu, dass die Schwankungen eher zu<br />
reduzieren sind, z. B. durch Wiederholungen, da bei Kindern oder Anfängern selbst bei<br />
Wiederholungen die Schwankungen noch genügend groß sind, um effektiv zu lernen. Das<br />
Potenzialgesetz der Adaptation (Baccus & Meister, 2002; Drew & Abott2006) liefert hier<br />
zusätzliche Hinweise darauf, dass die größten Anpassungen von Neuronen während der ersten<br />
drei Wiederholungen stattfinden. Entsprechend werden beim differenziellen Lernen mit<br />
Anfängern oder Kindern nicht mehr als drei Wiederholungen empfohlen, wenn es sich um<br />
Techniktraining handelt. Mit zunehmendem Leistungsfortschritt (oder Alter) scheinen jedoch<br />
die Schwankungen in den Bewegungsmustern und mit ihnen die Leistungsfortschritte<br />
abzunehmen, d. h., für vergleichbare Lernfortschritte sind die Schwankungen entsprechend zu<br />
steigern. Inwiefern demnach das sogenannte optimale Lernalter ausschließlich an das<br />
Wiederholungslernen gekoppelt ist, da in der entsprechenden Phase zwischen 10 und 12<br />
Jahren aufgrund der verringerten Wachstumsraten lediglich die geringsten Schwankungen in<br />
der Motorik der Lernenden vorliegen, erscheint dann unter anderem Licht.<br />
Die Vorteile variablen Techniktrainings sind mittlerweile nicht nur für den Anfängerbereich<br />
weitestgehend akzeptiert, dabei liegt der optimale Schwankungsbereich und -umfang deutlich<br />
höher, als in der Mehrzahl der disziplinspezifischen Literatur empfohlen. Bezüglich der<br />
optimalen Höhe der Schwankungen und ihrer optimalen Struktur ist die Befundlage etwas<br />
weniger eindeutig. Da Schwankungen in nahezu allen biomechanischen Variablen (Schöllhorn,<br />
1998) zu beobachten sind und die Schwankungen selten voneinander unabhängig sind, lassen<br />
sich vielfältige Interpretationen ableiten, die unglücklicherweise oft in zu einfache Lösungen<br />
für komplexe Probleme münden. Die Interpretationen der Schwankungen, die Einfluss auf die<br />
Lernraten zeigen, beziehen sich einerseits auf eine variierende Anzahl an Übungen während<br />
der Aneignung (Birklbauer, Haudum & Müller, 2006; Hegen, Kuby, Horst & Schöllhorn,<br />
2014; Schöllhorn et al., 2015), andererseits auf Variationen der Bewegungsausführung<br />
verglichen mit Variationen im Zielbereich (Hockey) und kombinierten Variationen (Beckmann,<br />
Winkel & Schöllhorn, 2008) oder auf die Variation der zeitlichen Abstände der<br />
Trainingseinheiten (Beckmann, 2013) sowie auf die Variation der Reihenfolge der<br />
Bewegungsausführungen (Birklbauer, Haudum, & Müller 2006; Hossner et al., 2015). Der<br />
Vergleich der Effekte von Variationen der Bewegungsausführung mit Variationen des Ziels<br />
beim Hockeytorschuss fiel mit Vorteilen seitens der Ersten aus. Die Untersuchung zu den<br />
zeitlichen Abständen liefert Hinweise auf einen optimalen Abstand des Techniktrainings mit<br />
zwei Tagen Abstand; ein und drei Tage führen zu suboptimalen Veränderungen. Der Vergleich<br />
von Kontext-Interferenzlernen und differenziellem Lernen auf Effektivität zeigt keine klare<br />
Befundlage (Birklbauer, Haudum & Müller, 2006; Hegen et al., 2015).<br />
Die Reihenfolgen von differenziellen Bewegungsübungen zeigen keine statistischen Unterschiede<br />
in den Effekten (Birklbauer, Haudum & Müller, 2006; Hossner et al., 2015). Hierbei<br />
wurden zwei relative Extreme des differenziellen Lernens verglichen, um den Einfluss der<br />
Struktur der Differenzen auf den Lernprozess zu analysieren. Im einen Fall werden die<br />
Differenzen relativ konstant gehalten (= graduelles differenzielles Lernen), indem die<br />
Variationen in eine systematische (leicht vorhersehbare) Reihenfolge gebracht werden: z. B.<br />
Variation des linken Sprunggelenks, danach Variation des rechten Sprunggelenks, dann