Rojava Report
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sind, beispielsweise jegliches Miteinander, Demokratie,<br />
Menschenrechte, also Rechtsstaatlichkeit. Das ist hier<br />
im Mittleren Osten überhaupt nicht selbstverständlich.<br />
Es wird versucht, so etwas zu erreichen. Deshalb bin ich<br />
hier.<br />
Warum hast du gewechselt von YPG zum Freiheits-<br />
Bataillon? Was war deine Motivation?<br />
Bei der YPG gibt es erstens viele Sprachschwierigkeiten.<br />
Ausserdem war die Stimmung in meiner Einheit eher<br />
negativ. Viele andere ausländische Freiwillige sind auch<br />
oft frustriert, haben eine negative Meinung von den<br />
Kurden und sie kommen teilweise auch psychisch und<br />
körperlich nicht so sehr mit der Situation klar. Deshalb<br />
wollte ich aus meiner Einheit weg.<br />
Das internationale Bataillon bot sich halt an, weil hier<br />
mehr auf die Sprachprobleme geachtet wird. Es gibt<br />
mehr Leute, die Englisch sprechen. Die Ausbildung die<br />
jemand hier bekommt, vor allem wenn er aus einem<br />
Land wie Deutschland kommt, habe ich als ernsthafter<br />
erlebt, als bei der YPG. Wir hatten eine kleinere Gruppe,<br />
es wurde alles ernsthafter gemacht und auch kompetent.<br />
Deshalb bin ich hier.<br />
Würdest du sagen, das Freiheits-Bataillon<br />
unterscheidet sich auch politisch von den andern<br />
Bataillonen?<br />
Die YPG ist die kurdische Befreiungsbewegung. Da sind<br />
leider auch viele ungebildete Leute und unpolitische<br />
Leute dabei. Zumindest sind sie politisch nicht so hoch<br />
gebildet, denn es ist eine Volksarmee. Im Freiheits-<br />
Bataillon gibt’s vor allem SozialistInnen, MarxistInnen,<br />
LeninistInnen, KommunistInnen, so was halt. Teilweise<br />
auch Anarchisten.<br />
Bei westlichen Freiwilligen, die über die YPG Einheiten<br />
verteilt sind, ist alles vertreten. Von liberal und neutral<br />
eingestellt zu dieser Befreiungsbewegung. Leute, die<br />
halt herkommen, um gegen den Islamischen Staat zu<br />
kämpfen, weil die das für eine gute Sache halten. Das ist<br />
ihre Hauptmotivation. Manche sind politisch eher links.<br />
Nicht so sehr wie hier im IFB und manche haben auch<br />
überhaupt keine politischen Ansichten oder merkwürdige<br />
politische Ansichten. Teilweise islamophob.<br />
Das war die Erfahrung, die du gemacht hast?<br />
Nicht in meiner Einheit, aber ich habe schon ein paar<br />
Leute getroffen und von Leuten gehört, die ein bisschen<br />
islamophob sind und die hierher kommen, weil sie sagen,<br />
sonst greift uns Daesh zuhause an.<br />
Kannst du das Leben im Freiheits-Bataillon<br />
beschreiben?<br />
Derzeit sieht das Leben an der Front so aus: man hält<br />
Wache, man ist da draussen ziemlich abgeschieden,<br />
man wartet auf Operationen. Nachts muss man oft zu<br />
komischen Zeiten aufstehen.<br />
Manchmal geht man raus zu anderen Punkten wo man<br />
versucht zu beobachten und Lücken zu schliessen, die<br />
sich dadurch ergeben, dass man nachts nichts sieht.<br />
Das ist so der Tagesbetrieb auch in vielen YPG Einheiten.<br />
Man ist an der Front, man bewacht. Manchmal schiesst<br />
Daesh mit Waffen wie Raketenbatterien, Mörsern rüber,<br />
teilweise aber selten wird’s dann gefährlich. Bei den<br />
Operationen letztens, in Hol, wars schon anders. Man ist<br />
oft unterwegs, aber es kam bei den letzten Operationen<br />
nicht zu Gefechten, die sehr nahe geführt wurden. Es<br />
gab viele Luftschläge und die YPG hat schwere Waffen<br />
hingebracht. Ausserdem hat sich Daesh zurückgezogen,<br />
ziemlich geordnet. Deshalb sind wir in die Dörfer<br />
gegangen und haben die Versorgungswege gesichert. Als<br />
wir in Hol ankamen war das Ganze auch schon vorbei.<br />
Wie sieht es aus, es wird ja darüber spekuliert,<br />
dass eine nächste Offensive organisiert wird. Werdet<br />
ihr da mit einbezogen? Wisst ihr davon etwas? Wie<br />
bereitet ihr euch darauf vor?<br />
Uns wurde gesagt, falls eine Offensive gegen Rakka<br />
stattfindet, dass der Punkt den wir vorher gesichert<br />
haben, also die letzten paar Monate, bevor es nach Hol<br />
ging, dass erwartet wird, dass es dort sehr aktiv sein wird.<br />
Daher erwarten wir schon, mit einbezogen zu werden.<br />
Bald erfahre ich mehr in den kommenden Tagen.<br />
Setzt du dich damit auseinander wenn du an die<br />
Front gehst, was es bedeuten kann?<br />
Bevor ich hierher kam habe ich mich auseinander gesetzt<br />
und hatte Gespräche mit Leuten, die so was schon erlebt<br />
hatten. Aber jetzt bevor ich das erste Mal an die Front<br />
gegangen bin mit dem internationalen Bataillon und<br />
bevor ich jetzt an die Front gehe, brauche ich mich nicht<br />
zusätzlich damit auseinander zu setzen. Das habe ich<br />
schon getan.<br />
Wie sieht das bei anderen aus? Redet ihr darüber?<br />
Wir reden mehr über alltägliche Sachen. Wir reden nicht<br />
über Sachen wie «ah ich habe Angst, morgen könnte ich<br />
vielleicht sterben». Das ist auch nicht gut für die Moral,<br />
das braucht man nicht zu tun.<br />
Die Moral ist ja ein Aspekt und das Bewusstsein<br />
ein anderer Aspekt. Für das Bewusstsein, wird da im<br />
Bataillon etwas getan?<br />
Es gibt politische Schulung, die wird von der MLKP<br />
und von BÖG organisiert. Diese beiden Gruppen<br />
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