11.03.2018 Aufrufe

Rojava Report

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Titel Nanuk<br />

«Man hat also eine direkte Erfahrung. Man<br />

kann auf einmal von einer Utopie zu einer Praxis<br />

kommen.»<br />

Kannst du kurz sagen, wer du bist und seit wann<br />

du da bist?<br />

Ich bin Nanuk und bin jetzt ein bisschen über zwei<br />

Monate hier. Ich bin seit zirka eineinhalb Monaten im<br />

internationalen Tabûr.<br />

Kannst du auch was darüber sagen, was deine<br />

politische Geschichte ist, die dich hierher geführt<br />

hat?<br />

Ich habe eine klassische politische Laufbahn. Das<br />

heisst, ich bin seit zwanzig Jahren im Antifaschismus<br />

aktiv. Das heisst auch im militanten Antifaschismus und<br />

in der linksradikalen Bewegung und ich komme aus<br />

einer Grossstadt in Deutschland. Es ist so, dass das hier<br />

eigentlich die Fortsetzung des Antifaschismus ist, wie<br />

ich ihn in Deutschland gelebt habe. So sind es eigentlich<br />

auch dieselben Beweggründe dafür, wieso ich mich aktiv<br />

gegen Nazis geäussert und gekämpft habe und warum<br />

ich heute hier bin.<br />

Kannst du sagen, wie sich deine Entscheidung<br />

hierher zu kommen entwickelt hat?<br />

Es gibt seit vier Jahren einen Bürgerkrieg in Syrien. Da<br />

wird gegen eine Diktatur gekämpft, es gibt zehntausende<br />

Tote und das ganze wird von Europa völlig ignoriert.<br />

Das war der Hauptgrund, warum ich letztes Jahr, das<br />

heisst im im August 2014, in den Irak gegangen bin und<br />

dort konkret Flüchtlingslager besucht habe. Wir haben<br />

medizinisches Equipment und ein bisschen Kleinkram<br />

für die Kinder hingebracht. Wir haben dort auch<br />

Interviews mit den Peschmerga gemacht und ich war<br />

kurz nach einer Operation in einem PKK-Gebiet. Dort<br />

hab ich sehr viele Erfahrungen für mich gemacht, ich<br />

konnte mir dadurch sehr viel erklären und habe mir ein<br />

besseres Bild machen können.<br />

Dann kam kurz darauf Kobanê und Kobanê war etwas,<br />

was sehr, sehr präsent in der deutschen Presse war. Zu der<br />

Zeit hatte ich eine Freundin hier, die jetzt auch hier ist,<br />

und hier arbeitet. Sie bewirkt hier viel und ich hatte zu<br />

der Zeit viel Kontakt mit ihr. Das war insofern wichtig,<br />

als dass wir in Deutschland eigentlich ein Bild der<br />

Verzweiflung der Menschen und des Kampfes gesehen<br />

haben. Doch was mir hier vermittelt wurde, war<br />

vielmehr, dass die Menschen in ihrem Kampf äusserst<br />

hoffnungsvoll sind. Die Bilder, die wir in Deutschland<br />

gesehen haben, haben etwas ganz anderes vermittelt.<br />

Jedenfalls kam im Zuge dieser Kontakte dann auch die<br />

konkrete Frage, „wann kommst du?“. Ich war damals<br />

der Meinung, was soll ich da, wie kann ich da helfen?<br />

Denn ich habe ja weder eine militärische Ausbildung,<br />

noch kenne ich die Sprache. Ich hab auch keine andere<br />

Qualifikation, die ich mitbringen kann. Ich bin kein<br />

Ingenieur, der hier irgend etwas aufbauen kann oder<br />

so.<br />

Dennoch habe ich mich dann letztes Jahr im Dezember<br />

dazu entschlossen hierher zu kommen. Ab Dezember<br />

habe mich darauf vorbereitet; unter anderem mit einem<br />

Sprachkurs und mit verschiedenen Kursen, die mir hier<br />

helfen, zum Beispiel im Umgang mit Waffen. Im Juni<br />

habe ich dann konkret das Datum abgemacht und bin<br />

jetzt seit September hier.<br />

Kannst du was zu deiner bisherigen Erfahrung<br />

und deinen Eindrücken sagen?<br />

Ich kann nochmal kurz was zu dem Thema davor<br />

sagen, das heisst zu der Frage warum man hierher<br />

kommt. Im Sommer und Herbst 2015 gab es einen<br />

riesigen Flüchtlingsstrom aus Syrien nach Europa. Alle<br />

haben die Bilder des kurdischen Kindes gesehen, das<br />

im türkischen Meer ertrunken ist. Die Reflexe daraus<br />

waren, betroffen zu sein oder wegzuschauen. Europa<br />

hat auf Grund des Flüchtlingsstromes angefangen<br />

Zäune aufzubauen, da die Toten des Mittelmeeres die<br />

Menschen alleine nicht abgeschreckt haben. Europa<br />

hat gesagt, wir müssen die bösen Schleuser jagen.<br />

Doch das sind Menschen, die auf der Suche nach<br />

Zukunft, nach Hoffnung und nach Glück sind. Hier<br />

in <strong>Rojava</strong> entsteht eine Demokratie, hier entsteht eine<br />

Gesellschaft und man hat hier die Möglichkeit, diese<br />

Gesellschaft mitzugestalten, mitaufzubauen und auch<br />

zu verteidigen. Das ist der Grund warum ich hier bin.<br />

Man redet immer von Flucht und Fluchtursachen. Ich<br />

glaube, die Fluchtursache liegt hier hauptsächlich im<br />

Bürgerkrieg mit Assad. Es ist dies eine Situation, in<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!