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Rojava Report

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Aufstehzeit. Es gibt Pläne für die Wache oder für den<br />

Küchendienstes und es gibt klare Regeln und Strukturen.<br />

Zum Beispiel, dass man den ganzen Tag in seiner<br />

Uniform zu sein hat. Man schläft hier in seiner Uniform.<br />

Doch zurück zur Struktur: Man hat Wachdienst, man<br />

hat Ausbildung an den Waffen, geht zum Frühsport<br />

und trotzdem ist es stets ein Gefühl der Freiheit, das<br />

ich vorher so nicht erlebt habe. Denn man bekommt<br />

eine ganz andere Einstellung zur Zeit. Es geht nicht<br />

mehr darum, welcher Wochentag heute ist oder welche<br />

Termine ich habe, etwa wann ich wo wie arbeiten muss.<br />

Dieses Gefühl der Freiheit besteht, obwohl es doch ein<br />

ganz enges Konstrukt ist, in dem man sich bewegt.<br />

Wir sind eigentlich ein bewegliches Tabûr. Wenn wir uns<br />

aber nicht bewegen, sind wir hier und das ist ein fünfzig<br />

mal fünfzig Meter grosser Platz, umgeben von einem<br />

Schutzwall. Also es ist räumlich sehr eng und dennoch<br />

ist dieses Gefühl der Freiheit unbeschreiblich. Gerade<br />

solche Sachen musste ich aber auch immer reflektieren,<br />

um sie für mich erklären zu können.<br />

der die demokratischen Kräfte jahrelang allein gelassen<br />

wurden und nun die islamistischen Kräfte sehr, sehr<br />

stark wurden. <strong>Rojava</strong> gibt den Menschen hingegen<br />

Hoffnung. Ja das Projekt hier gibt der ganzen Region<br />

Hoffnung, denn vom arabischen Frühling ist nicht viel<br />

übrig geblieben.<br />

Und genau das war konkret meine Erfahrung in Kobanê.<br />

Denn wann immer die Leute mich gefragt haben, warum<br />

ich aus Deutschland hierher komme, da habe ich sie<br />

gefragt, warum sie denn hier bleiben. Da haben sie<br />

gesagt, sie sind sehr stolz auf Kobanê und sie verstehen<br />

nicht, wie die Menschen fliehen können, wenn es hier<br />

etwas aufzubauen gibt. Sie waren alle sehr, sehr dankbar,<br />

dass wir aus Europa herkommen und aktiv mit unseren<br />

Möglichkeiten helfen.<br />

Doch nun zu meinen Erfahrungen im internationalen<br />

Bataillon. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, wie<br />

man hier helfen und wie man mitgestalten kann. Ich habe<br />

mich im Moment für den militärischen Teil entschieden.<br />

Man kann auch humanistische Arbeit leisten. Man kann<br />

konkrete Sachen aufbauen. Man kann sich aber auch den<br />

Tabûrs und dem Bataillon anschliessen.<br />

Es ist alles sehr, sehr strukturiert hier. Es gibt eine feste<br />

Das internationale Tabûr wird hauptsächlich von zwei<br />

politischen Gruppen organisiert. Das ist einmal die MLKP<br />

und dann die BÖG. Das sind beides türkische Parteien.<br />

Die sind, sag ich mal, ideologisch sehr starr. Wir sind<br />

meistens eine kleine Gruppe europäischer Freiwilliger,<br />

die in diesem Tabûr sind. Das Zusammenleben kann sich<br />

manchmal durchaus schwierig gestalten. Es gibt hierbei<br />

natürlich die Sprachschwierigkeiten, denn wenn zwei<br />

Drittel oder drei Viertel des Tabûrs Türkisch sprechen<br />

und der Rest sich auf Englisch unterhält, ist das nicht<br />

ganz einfach. Aber das wird alles irgendwie immer<br />

organisiert.<br />

Wir waren ungefähr zwei Wochen an dieser Stellung,<br />

bevor wir in unserer eigentlichen Aufgabe als<br />

bewegliches Tabûr an einer Operation teilgenommen<br />

haben. Die Operation war eine Operation der YPG.<br />

Da ging es erstens darum, im Bereich von <strong>Rojava</strong><br />

nach Şengal einen sicheren Korridor zu schaffen und<br />

zweitens auch um einen Schlag gegen Daesh, der diese<br />

hauptsächlich wirtschaftlich treffen sollte, weil es auch<br />

gegen die Stadt Hol ging. Hol ist nämlich eine Stadt, in<br />

der sehr viel Erdöl abgebaut wird. Als Bataillon wurden<br />

wir in dieser Operation beweglich und haben dort an<br />

diesem Angriff teilgenommen.<br />

Was kannst du zu deinen Erfahrungen an der<br />

Front sagen?<br />

Ich habe sehr viel über die Taktik der YPG und über<br />

die Struktur gelernt. Wenn man jetzt keinen harten<br />

militärischen Background hat, dann sind das sehr viele<br />

neue Erfahrungen. Beispielsweise haben wir uns als<br />

Bataillon in zwei Taxims aufgeteilt; erstens in eine<br />

offensiv und zweitens in eine defensiv.<br />

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