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Und dennoch, in einem grösseren Rahmen betrachtet,<br />

sind wir in den Bergen stets isoliert geblieben.<br />

Irgendwann bin ich dann in eine Grossstadt nach<br />

Deutschland gezogen. Davor war ich in einem kleinen<br />

Dorf in den Pyrenäen, wo es keine Menschen gab. Der<br />

Umzug war im politischen Sinn eine Enttäuschung. Ich<br />

war schon 1994 in Deutschland und wenn man vergleicht<br />

wie es damals war, war das eine grosse Enttäuschung.<br />

Ich habe nicht die gleichen Menschen getroffen, die ich<br />

von früher kannte und die sozialen Bewegungen waren<br />

abgebaut. Hier in Deutschland habe ich eine ironische<br />

Linke gefunden. Ich hatte den Eindruck, die Menschen<br />

haben sich unterdrücken lassen. Es gibt keinen<br />

Widerstand mehr. Wir gehen auf Demos und die Bullen<br />

kommen und sie können sagen, das kannst du sagen, das<br />

nicht, das kann auf deinem Plakat stehen, das kann da<br />

nicht stehen.<br />

Es gibt sehr schöne Veranstaltungen, Performances,<br />

alles sehr kunstvoll. Es gibt trotzdem Initiativen, die<br />

sehr schön sind aber eben nicht kämpferisch. Ich glaube<br />

die Menschen, die Linke hier in Deutschland, haben sich<br />

kaufen lassen. Es gibt viele Stiftungen und die Leute<br />

sitzen in ihren Stiftungen und in neuen Büros, wo sie<br />

Co-Work machen. Aber was bleibt am Ende davon? Die<br />

Strasse ist verloren.<br />

Wir bleiben hier in unseren schönen Vierteln in Kreuzberg.<br />

Macht jemand die Arbeit in der Peripherie, wo die<br />

Nazis Platz gewinnen? Wo ist die Zusammenarbeit mit<br />

den Flüchtlingen oder mit den KurdInnen oder mit den<br />

TürkInnen? Eigentlich gibt es hier Menschen aus 140<br />

Ländern und wir bleiben unter uns. Mir gefällt die Arbeit<br />

auf der Strasse. Es gefällt mir, nicht nur in unserem Kitz<br />

zu bleiben.<br />

Aus persönlichen Gründen konnte ich aber nicht<br />

vieles machen, weil ich von Spanien eine Strafe auf<br />

Bewährung habe. Deswegem bin ich nicht so frei,<br />

weil ich sonst in den Knast gehe. In Spanien hatte ich<br />

Freunde, wir kennen uns seit Jahren und dann lande ich<br />

hier, wo die Menschen, die ich kannte nicht mehr da<br />

sind. Ich glaube um bestimmte Sachen zu machen und<br />

zu organisieren braucht man persönliches Vertrauen.<br />

Dann bin ich ins östliche Grenzgebiet gegangen und da<br />

war die Enttäuschung noch grösser, weil das ein braunes<br />

Gebiet ist. Da können die Nazis ganz frei ohne Probleme<br />

ihre Plakate an den Strassen plazieren. Die Leute da stört<br />

das nicht, die sind wahrscheinlich bei der NPD. Es war<br />

krass zu sehen, wie sich das entwickelt hat. Ich hatte mir<br />

das für Deutschland nicht vorstellen können, dass die<br />

Rechte so grosse Schritte nach vorne macht. Man weiss,<br />

die Leute da, die haben Waffen und es passiert nichts.<br />

Ich hatte trotzdem gute Erfahrungen gemacht, vor<br />

allem mit Kindern. Ich hatte da allein und spontan<br />

antifaschistische Erziehung gemacht. Dann bin ich<br />

wieder in die Grosstadt gegangen und irgendwann<br />

habe ich dieses Plakat auf der Strasse gefunden:<br />

Eine Solidaritätsparty und Aktionen für Kobanê und<br />

Unterstützung der Internationalen Brigaden, die ein<br />

Krankenhaus bauen wollten. Ich war überrascht, weil<br />

das war im Juni letztes Jahr und ich hätte nicht gedacht,<br />

dass die Möglichkeit da einen Wiederaufbau zu leisten so<br />

schnell kommen würde. Kobanê wurde im Januar letztes<br />

Jahr wieder erobert und im Juni gab es dann schon einen<br />

richtigen Wiederaufbau! Ich interessierte mich dafür<br />

und dachte, vielleicht ist jetzt die Gelegenheit, da was<br />

zu machen. In der Vergangenheit hatte ich schon meine<br />

ersten Erfahrungen mit KurdInnen gemacht. Ich bin<br />

Baske und natürlich gibt es ein Gefühl der Empathie.<br />

Was den KurdInnen angetan wird und was uns passiert,<br />

ist ähnlich und doch sind es andere Umstände. Europa ist<br />

nicht Kurdistan.<br />

Und so habe ich gedacht, irgendwann würde ich gerne<br />

diesen Kampf unterstützen. Einige Zeit später war ich im<br />

Baskenland und da hatte ich eine Begegnung mit einer<br />

kurdischen Familie. Geblieben ist das Gefühl diesen<br />

Menschen etwass zurückgeben zu wollen, was die mir<br />

gegeben haben. Wieder in Deutschland sagte ich mir, ich<br />

muss nur ein paar Arbeitstermine absagen, dann habe ich<br />

Zeit; ich habe die Beine und die Hände, ich gehe einfach<br />

hin und schaue mir diese Revolution an. Mein Gefühl<br />

sagte mir, dass das richtig ist. Ich habe mich informiert<br />

und dann bin ich im August letztes Jahr einfach nach<br />

Kobanê gegangen. Das war zwischen August und<br />

September 2015.<br />

Was hast du dann dort erlebt? Hast du da gefunden,<br />

wonach du gesucht hast?<br />

Ich war nicht richtig auf der Suche, ich war spontan<br />

da gelandet. Ich fragte mich, was kann ich da arbeiten,<br />

dann habe ich gedacht, ich habe meine Hände, da<br />

kann ich mindestens die Strassen reinigen. Ich bin<br />

eigentlich mit einer Gruppe des internationalen<br />

Komitee der revolutionären Organisationen (ICOR),<br />

einer Gruppe der MLPD, der Marxistisch Leninistische<br />

Partei Deutschlands, hingegangen. Da habe ich gute<br />

GenossInnen um mich gehabt. Mit den Menschen vor<br />

Ort haben wir zusammen gearbeitet und den Alltag mit<br />

ihnen verbracht. Das waren Erlebnisse mit den Menschen<br />

in Kobanê, die trotz allem da geblieben sind, trotz den<br />

Daesh, trotz dem Druck der durch den Boykott da war,<br />

trotz dem Krieg, den die Türkei gegen sie führt.<br />

Diese Menschen haben teilweise nicht einmal ein<br />

richtiges Haus. Zum Teil stehen da noch zwei Wände<br />

ohne Dach, dann machen sie eine Plane drüber und<br />

führen ihr Leben weiter. Sie bleiben da und verteidigen<br />

sich. Wer da hin kommt, ist willkommen. Das eigentlich<br />

Revolutionäre dabei ist, ohne etwas zu haben, das Leben<br />

weiter zu führen. Und dies mit Respekt für alle Menschen,<br />

die als Nachbarn und Familien da geblieben aber auch<br />

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