hinnerk Bremen August 2018
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10 HAMURG<br />
Plenarsaal im Hamburger Rathaus – hier tagt die Bürgerschaft, die den Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg wählt.<br />
die „eigenen Reihen“ der queeren<br />
Communitys.<br />
Wir sind wirklich gut vorangekommen: im<br />
Berufsleben, in den Kirchen, in der gesellschaftlichen<br />
Akzeptanz. Aber wenn es<br />
noch Dinge zu verbessern gibt, hat jeder<br />
das Recht, sich dafür einzusetzen. Das ist<br />
das Wesen einer freiheitlichen Gesellschaft<br />
und der Demokratie.<br />
„Im Grunde<br />
sind wir aber<br />
heute alle froh,<br />
dass wir nicht<br />
mehr im Kaiserreich<br />
leben.“<br />
MIGRATION UND AFD<br />
Es gibt zwei Themenblöcke, die uns<br />
queere Menschen sehr betreffen,<br />
die eigentlich sehr konträr sind, aber<br />
irgendwie auch zusammengehören:<br />
Einmal die Sorge einiger, dass Menschen<br />
aus bestimmten Kulturkreisen<br />
unsere Werte nur mühsam annehmen,<br />
zum anderen die, die selbst<br />
Probleme mit unserer weltoffenen<br />
Gesellschaft haben und rechtspopulistische<br />
Bewegungen wie damals<br />
Schill, heute die AfD unterstützen.<br />
Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen<br />
um?<br />
Wir verlangen, dass alle akzeptieren,<br />
dass wir eine offene und demokratische<br />
Gesellschaft sind, in der alle Menschen<br />
dieselben Rechte und Pflichten haben. Ich<br />
finde, jeder sollte sein Leben so gestalten,<br />
wie es seiner Persönlichkeit, seinen<br />
Überzeugungen und seiner Religion<br />
entspricht. Aber das muss er auch für alle<br />
anderen gelten lassen. Die Regeln einer<br />
freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft<br />
gelten für alle gleichermaßen.<br />
Bei einer Einbürgerung verlangen wir in<br />
Hamburg deshalb ein Bekenntnis zu den<br />
Werten unserer Demokratie und unserem<br />
Rechtsstaat.<br />
Und für die, die hier geboren sind und<br />
zum Beispiel aktuell im Bundestag<br />
ankündigen, die Öffnung der Ehe<br />
wieder rückabwickeln zu wollen?<br />
Denen würde ich selbstbewusst entgegentreten.<br />
Rückständige Haltungen<br />
beruhen oft auf eigener Unsicherheit und<br />
Angst vor der Zukunft. Dem kann man<br />
am besten mit Optimismus und einem<br />
Hinweis auf die positiven Wirkungen des<br />
gesellschaftlichen Wandels begegnen.<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Viele Errungenschaften, die uns heute<br />
selbstverständlich erscheinen, mussten in<br />
unserer Geschichte gegen rückständiges<br />
Denken durchgesetzt werden: politische<br />
Rechte, gleiche Bildungschancen,<br />
Arbeitnehmerrechte und vieles mehr. Im<br />
Grunde sind wir aber heute alle froh, dass<br />
wir nicht mehr im Kaiserreich leben, in<br />
dem viele Benachteiligungen und Diskriminierungen<br />
an der Tagesordnung waren.<br />
Darauf müssen wir hinweisen, denn es<br />
entspricht der Lebenserfahrung vieler<br />
Menschen, dass ihnen diese Errungenschaften<br />
auch zugutekommen. Das ist<br />
der Kern einer positiven Botschaft: Wir<br />
wollen eine Gesellschaft, in der alle ihr<br />
Glück suchen und finden können.<br />
Vielen Dank für das Interview,<br />
Herr Bürgermeister.<br />
*Interview:<br />
Alexander Nebe/Christian Knuth