hinnerk Bremen August 2018
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GESUNDHEIT<br />
Die Infektiologie, also die<br />
Wissenschaft von den Infektionskrankheiten,<br />
zu denen auch alle<br />
sexuell übertragbaren Krankheiten<br />
(STI) gehören, ist oft in den Schlagzeilen.<br />
Das Universitätsklinikum<br />
Eppendorf (UKE) mit seinem Ambulanzzentrum<br />
bietet umfangreiche<br />
Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten.<br />
Wir sprachen mit dem<br />
ärztlichen Leiter Dr. Olaf Degen.<br />
INTERVIEW<br />
SUPER-TRIPPER,<br />
AIDS-ERKRANKUNGEN,<br />
ANTIBIOTIKA-RESISTENZEN<br />
HERR DR. DEGEN, AUF DEN<br />
MÜNCHNER AIDS- UND HEPATI-<br />
TIS-TAGEN IM FRÜHJAHR DIESES<br />
JAHRES BERICHTETE DR. STOCKER<br />
VON AKTUELL VIER PATIENTEN<br />
MIT AIDS-DEFINIERENDEN ER-<br />
KRANKUNGEN. WIE SIEHT ES IM<br />
UKE AUS?<br />
Grundsätzlich sind die Behandlungsmöglichkeiten<br />
für eine HIV-Infektion sehr<br />
gut geworden. Unsere Patienten haben<br />
eine weitgehend normale Lebenserwartung.<br />
Leider sehen wir weiterhin aber<br />
stabile Patienten mit schweren sogenannten<br />
opportunistischen Infektionen<br />
oder Aids-Erkrankungen. Es gibt für<br />
die HIV-Infektion eine anonymisierte<br />
Meldepflicht, nicht aber für die opportunistischen<br />
Infektionen. Wir kennen also<br />
genaue bundesweite Zahlen nicht. Auf<br />
unseren Stationen liegen im Monat im<br />
Schnitt vier bis fünf Patienten. Wir sehen<br />
dort alles, was bei der unbehandelten<br />
und insbesondere unerkannten HIV-<br />
Infektion passieren kann.<br />
WELCHE GRÜNDE HAT DAS? IST ES<br />
NUR „TESTFAULHEIT“ ODER SPIELT<br />
ES AUCH EINE ROLLE, DASS HIV<br />
BEI BEHANDLERN UND BESTIMM-<br />
TEN PATIENTEN EINFACH NICHT<br />
IM FOKUS STEHT, WEIL DIE JUNGE<br />
FRAU, DER FAMILIENVATER NICHT<br />
ZUR RISIKOGRUPPE GEHÖREN?<br />
Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen<br />
gibt es immer noch Menschen aus den<br />
Risikogruppen, die zu spät zum Test gehen.<br />
Patienten, die das Risiko der HIV-Infektion<br />
nach wie vor verdrängen und es rausschieben,<br />
bis sie den Test dann leider viel zu<br />
spät machen. Auf der anderen Seite wissen<br />
wir aus den von Ihnen angesprochenen<br />
Berliner Daten von Dr. Stocker, dass von<br />
den Menschen, die sich mit den besagten<br />
Erkrankungen in einem Krankenhaus<br />
vorstellen, ein erheblicher Anteil vorher<br />
schon Kontakt zum medizinischen System<br />
gehabt hat – zum Beispiel mit einem Pilz<br />
im Mund beim Zahnarzt war, oder mit einer<br />
Gürtelrose bei einem Hautarzt, wo dann<br />
leider nicht die richtigen Schlüsse gezogen<br />
worden sind. Das ist ein ganz wichtiger<br />
Punkt, dass Ärzte weiter geschult werden,<br />
um diese sogenannten Indikatorerkrankungen<br />
zuverlässig zu erkennen.<br />
WAS TUT DAS UKE IN DIESER HIN-<br />
SICHT?<br />
Wir sind infektiologische Ausbildungsstätte<br />
– aus unserem Team haben vier Fachärzte<br />
die infektiologische Ausbildungsberechtigung.<br />
Und wir haben kontinuierlich<br />
mehrere Weiterbildungsassistenten. Das<br />
ist wichtig, weil wir in Deutschland einen<br />
Mangel an Infektiologen haben. Auch<br />
wichtig sind aber regelmäßige Fortbildungen<br />
für Ärzte, die keine Infektiologen sind –<br />
Zahnärzte, Hausärzte, Hautärzte. Hamburg<br />
liegt da auf einem sehr hohen Niveau. Die<br />
verschiedenen HIV-Einrichtungen, und damit<br />
auch wir, sind in dem Bereich sehr aktiv<br />
und führen diese Fortbildungen regelmäßig<br />
durch.<br />
SUPERTRIPPER, ANTIBIOTIKARE-<br />
SISTENZEN – DIE MEDIEN GREIFEN<br />
DIESE THEMEN IMMER GERNE<br />
AUFLAGENSTEIGERND AUF. WIE<br />
SIEHT ES TATSÄCHLICH MIT RESI-<br />
STENZEN AUS UND WIE MIT DER<br />
VERSCHREIBUNGSMORAL DER<br />
BEHANDLER?<br />
Glücklicherweise sehen wir bei der Syphilis<br />
bisher keine Resistenzen, sodass Penicillin<br />
weiter verwendet werden kann. Wir machen<br />
uns bei der Gonorrhö (Tripper) Sorgen.<br />
Es gibt inzwischen weltweit resistente<br />
Bakterien. Wir machen uns aber auch nach<br />
wie vor darüber Sorgen, dass – auch in<br />
Deutschland – Patienten nicht leitliniengerecht<br />
behandelt werden. Die Therapie<br />
der Syphilis zum Beispiel sieht vor, dass die<br />
Patienten eine kurze Infusion bekommen<br />
und ein Antibiotikum in Tablettenform<br />
gleichzeitig. Dieses wird nach wie vor – das<br />
erlebe ich täglich – nicht durchgeführt.<br />
EINE FRAGE ZUM SCHLUSS:<br />
WENN ICH AN UKE ODER CHARITÉ<br />
DENKE, DENKE ICH AN NOTFÄL-<br />
LE, NICHT SO SEHR AN MEINEN<br />
HIV-TEST ODER DIE TRIPPER-<br />
BEHANDLUNG. IST DAS NOCH<br />
ZEITGEMÄSS?<br />
Wir sind hier im Ambulanzzentrum mit vielen<br />
Fachbereichen organisiert. Wir können<br />
dadurch Leistungen anbieten, die auch ein<br />
Fachärztezentrum anbietet, und betreuen<br />
Patienten kontinuierlich und langjährig. Die<br />
schwule Schwerpunktpraxis ist sicherlich<br />
die erste Wahl für die schnell erreichbare,<br />
wohnortnahe Versorgung. Unser Vorteil<br />
liegt vielleicht darin, dass wir in einem so<br />
großen Klinikum interdisziplinär arbeiten<br />
können. Als Beispiel sitzt die Mikrobiologie,<br />
die die Proben auf HIV und die STI<br />
untersucht, direkt im Nebengebäude. Die<br />
Röntgenabteilung ist ebenfalls im Nebengebäude.<br />
Wir können direkt kommunizieren<br />
und zusammenarbeiten und dadurch<br />
sehr schnelle Labordiagnostik anbieten.<br />
*Interview: Christian Knuth<br />
www.uke.de