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hinnerk Bremen August 2018

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32<br />

GESUNDHEIT<br />

Die Infektiologie, also die<br />

Wissenschaft von den Infektionskrankheiten,<br />

zu denen auch alle<br />

sexuell übertragbaren Krankheiten<br />

(STI) gehören, ist oft in den Schlagzeilen.<br />

Das Universitätsklinikum<br />

Eppendorf (UKE) mit seinem Ambulanzzentrum<br />

bietet umfangreiche<br />

Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten.<br />

Wir sprachen mit dem<br />

ärztlichen Leiter Dr. Olaf Degen.<br />

INTERVIEW<br />

SUPER-TRIPPER,<br />

AIDS-ERKRANKUNGEN,<br />

ANTIBIOTIKA-RESISTENZEN<br />

HERR DR. DEGEN, AUF DEN<br />

MÜNCHNER AIDS- UND HEPATI-<br />

TIS-TAGEN IM FRÜHJAHR DIESES<br />

JAHRES BERICHTETE DR. STOCKER<br />

VON AKTUELL VIER PATIENTEN<br />

MIT AIDS-DEFINIERENDEN ER-<br />

KRANKUNGEN. WIE SIEHT ES IM<br />

UKE AUS?<br />

Grundsätzlich sind die Behandlungsmöglichkeiten<br />

für eine HIV-Infektion sehr<br />

gut geworden. Unsere Patienten haben<br />

eine weitgehend normale Lebenserwartung.<br />

Leider sehen wir weiterhin aber<br />

stabile Patienten mit schweren sogenannten<br />

opportunistischen Infektionen<br />

oder Aids-Erkrankungen. Es gibt für<br />

die HIV-Infektion eine anonymisierte<br />

Meldepflicht, nicht aber für die opportunistischen<br />

Infektionen. Wir kennen also<br />

genaue bundesweite Zahlen nicht. Auf<br />

unseren Stationen liegen im Monat im<br />

Schnitt vier bis fünf Patienten. Wir sehen<br />

dort alles, was bei der unbehandelten<br />

und insbesondere unerkannten HIV-<br />

Infektion passieren kann.<br />

WELCHE GRÜNDE HAT DAS? IST ES<br />

NUR „TESTFAULHEIT“ ODER SPIELT<br />

ES AUCH EINE ROLLE, DASS HIV<br />

BEI BEHANDLERN UND BESTIMM-<br />

TEN PATIENTEN EINFACH NICHT<br />

IM FOKUS STEHT, WEIL DIE JUNGE<br />

FRAU, DER FAMILIENVATER NICHT<br />

ZUR RISIKOGRUPPE GEHÖREN?<br />

Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen<br />

gibt es immer noch Menschen aus den<br />

Risikogruppen, die zu spät zum Test gehen.<br />

Patienten, die das Risiko der HIV-Infektion<br />

nach wie vor verdrängen und es rausschieben,<br />

bis sie den Test dann leider viel zu<br />

spät machen. Auf der anderen Seite wissen<br />

wir aus den von Ihnen angesprochenen<br />

Berliner Daten von Dr. Stocker, dass von<br />

den Menschen, die sich mit den besagten<br />

Erkrankungen in einem Krankenhaus<br />

vorstellen, ein erheblicher Anteil vorher<br />

schon Kontakt zum medizinischen System<br />

gehabt hat – zum Beispiel mit einem Pilz<br />

im Mund beim Zahnarzt war, oder mit einer<br />

Gürtelrose bei einem Hautarzt, wo dann<br />

leider nicht die richtigen Schlüsse gezogen<br />

worden sind. Das ist ein ganz wichtiger<br />

Punkt, dass Ärzte weiter geschult werden,<br />

um diese sogenannten Indikatorerkrankungen<br />

zuverlässig zu erkennen.<br />

WAS TUT DAS UKE IN DIESER HIN-<br />

SICHT?<br />

Wir sind infektiologische Ausbildungsstätte<br />

– aus unserem Team haben vier Fachärzte<br />

die infektiologische Ausbildungsberechtigung.<br />

Und wir haben kontinuierlich<br />

mehrere Weiterbildungsassistenten. Das<br />

ist wichtig, weil wir in Deutschland einen<br />

Mangel an Infektiologen haben. Auch<br />

wichtig sind aber regelmäßige Fortbildungen<br />

für Ärzte, die keine Infektiologen sind –<br />

Zahnärzte, Hausärzte, Hautärzte. Hamburg<br />

liegt da auf einem sehr hohen Niveau. Die<br />

verschiedenen HIV-Einrichtungen, und damit<br />

auch wir, sind in dem Bereich sehr aktiv<br />

und führen diese Fortbildungen regelmäßig<br />

durch.<br />

SUPERTRIPPER, ANTIBIOTIKARE-<br />

SISTENZEN – DIE MEDIEN GREIFEN<br />

DIESE THEMEN IMMER GERNE<br />

AUFLAGENSTEIGERND AUF. WIE<br />

SIEHT ES TATSÄCHLICH MIT RESI-<br />

STENZEN AUS UND WIE MIT DER<br />

VERSCHREIBUNGSMORAL DER<br />

BEHANDLER?<br />

Glücklicherweise sehen wir bei der Syphilis<br />

bisher keine Resistenzen, sodass Penicillin<br />

weiter verwendet werden kann. Wir machen<br />

uns bei der Gonorrhö (Tripper) Sorgen.<br />

Es gibt inzwischen weltweit resistente<br />

Bakterien. Wir machen uns aber auch nach<br />

wie vor darüber Sorgen, dass – auch in<br />

Deutschland – Patienten nicht leitliniengerecht<br />

behandelt werden. Die Therapie<br />

der Syphilis zum Beispiel sieht vor, dass die<br />

Patienten eine kurze Infusion bekommen<br />

und ein Antibiotikum in Tablettenform<br />

gleichzeitig. Dieses wird nach wie vor – das<br />

erlebe ich täglich – nicht durchgeführt.<br />

EINE FRAGE ZUM SCHLUSS:<br />

WENN ICH AN UKE ODER CHARITÉ<br />

DENKE, DENKE ICH AN NOTFÄL-<br />

LE, NICHT SO SEHR AN MEINEN<br />

HIV-TEST ODER DIE TRIPPER-<br />

BEHANDLUNG. IST DAS NOCH<br />

ZEITGEMÄSS?<br />

Wir sind hier im Ambulanzzentrum mit vielen<br />

Fachbereichen organisiert. Wir können<br />

dadurch Leistungen anbieten, die auch ein<br />

Fachärztezentrum anbietet, und betreuen<br />

Patienten kontinuierlich und langjährig. Die<br />

schwule Schwerpunktpraxis ist sicherlich<br />

die erste Wahl für die schnell erreichbare,<br />

wohnortnahe Versorgung. Unser Vorteil<br />

liegt vielleicht darin, dass wir in einem so<br />

großen Klinikum interdisziplinär arbeiten<br />

können. Als Beispiel sitzt die Mikrobiologie,<br />

die die Proben auf HIV und die STI<br />

untersucht, direkt im Nebengebäude. Die<br />

Röntgenabteilung ist ebenfalls im Nebengebäude.<br />

Wir können direkt kommunizieren<br />

und zusammenarbeiten und dadurch<br />

sehr schnelle Labordiagnostik anbieten.<br />

*Interview: Christian Knuth<br />

www.uke.de

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