hinnerk Bremen August 2018
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FILM<br />
Lebensjahr! In meiner Jugend warnte<br />
mich meine Mutter immer, dass ich als<br />
Erwachsene keine Schauspielerin mehr<br />
sein würde. Sie war sich sicher, meine<br />
Karriere wäre mit 16 oder 17 Jahren<br />
vorbei, und machte sich Sorgen, was<br />
dann aus mir würde. Also ging ich aufs<br />
College, aber letztlich arbeitete ich eben<br />
doch weiter vor der Kamera. Die Frage,<br />
was ich statt der Schauspielerei machen<br />
würde, stand also immer im Raum. Aber<br />
vom Regieführen abgesehen kam ich<br />
bis heute nicht dazu, sie wirklich zu<br />
beantworten.<br />
„Hotel Artemis“ spielt im Jahr 2028.<br />
Haben Sie Angst davor, wo unsere<br />
Gesellschaft in zehn Jahren stehen<br />
wird?<br />
Momentan befinden wir uns ja an einem<br />
sehr interessanten Wendepunkt. Und<br />
zwar in jeder Hinsicht, politisch ebenso<br />
wie kulturell oder in Umweltfragen. Ich<br />
glaube, wir stehen am Abgrund – und<br />
sehen sehr deutlich, dass es dort unten<br />
verdammt düster ist.<br />
Welche unserer Probleme machen<br />
Ihnen die meisten Sorgen?<br />
Da gibt es natürlich verdammt viele.<br />
Eigentlich verdeutlicht „Hotel Artemis“<br />
einiges sehr eindrücklich: Ganz Los<br />
Angeles ist ohne Wasser, denn das bisschen,<br />
was es noch gibt, wurde privatisiert.<br />
Nicht vollkommen unrealistisch, so<br />
ein Szenario. Werden sich bald nur noch<br />
die Reichen Wasser leisten können? Die<br />
immer größere Schere zwischen Arm<br />
und Reich, dazu die Krise des Gesundheitssystems,<br />
sich rasant verändernde<br />
technologische Möglichkeiten, Polizeigewalt<br />
und die Militarisierung der Polizei –<br />
alles, was in unserem Film vorkommt, ist<br />
ja im Grunde auch jetzt schon präsent<br />
und sollte uns allen Sorgen machen.<br />
Kommen wir noch einmal zurück<br />
zur Filmbranche und den dortigen<br />
Entwicklungen. Dass Hollywood viel<br />
zu wenige weibliche Filmemacher<br />
beschäftigt, ist aktuell wieder ein<br />
großes Thema ...<br />
Oh Mann, das ist doch seit fünfzig<br />
Jahren ein Thema! Als ich<br />
anfing, in dieser Branche<br />
zu arbeiten, gab es<br />
hinter der Kamera<br />
schlicht keine<br />
Frauen. Vielleicht<br />
hier<br />
mal eine<br />
Visagistin<br />
oder<br />
dort eine<br />
Skript-<br />
Assistentin.<br />
Aber das<br />
war’s.<br />
Ansonsten<br />
war ich da<br />
immer alleine<br />
unter Männern. Und<br />
darunter waren natürlich<br />
ganz wunderbare Männer,<br />
von denen ich unglaublich viel gelernt<br />
habe. Trotzdem wurde es höchste Zeit,<br />
dass sich irgendwann etwas zu ändern<br />
begann. Nirgends dauert das allerdings<br />
länger als im Regie-Bereich. Das<br />
europäische Kino hatte schon immer<br />
mehr Frauen auf dem Regiestuhl, beim<br />
Fernsehen wächst die Zahl auch erheblich.<br />
Jetzt wird es also höchste Zeit, dass<br />
Hollywood da auch im Kino noch mal<br />
wirklich Fortschritte macht.<br />
Würden Sie selbst denn im Rückblick<br />
unterschreiben, dass Sie es als<br />
Frau immer schwerer hatten als die<br />
Männer?<br />
Wissen Sie: Als Frau lernt man von<br />
Kindesbeinen an, dass man mit anderen<br />
Augen gesehen wird als ein Mann – und<br />
entsprechend auch selbst die Welt anders<br />
sieht und erlebt. Das ist überall und<br />
immer so, in der Schule, an der Tankstelle<br />
oder an einem Filmset. Und ja, ich<br />
würde absolut sagen, dass<br />
wir es schwerer haben.<br />
Als Frau muss man,<br />
egal in welchem<br />
Beruf, immer<br />
doppelt so<br />
hart arbeiten,<br />
um<br />
die gleiche<br />
Anerkennung<br />
zu<br />
bekommen.<br />
Wobei<br />
selbst das<br />
dann keine<br />
Garantie ist.<br />
Zu wissen, dass<br />
ich vieles in meinem<br />
Leben nicht erreicht<br />
hätte, wenn mir nicht Männer<br />
geholfen hätten, die mich unter ihre Fittiche<br />
genommen haben, ist mitunter ein<br />
seltsames Gefühl. Ich bin mir jedenfalls<br />
sehr bewusst, dass ich es häufig leichter<br />
hatte als andere Frauen in meiner Position,<br />
einfach weil ich eine erfolgreiche<br />
Schauspielerin war, der einige Männer<br />
nur aus diesem Grund eine Chance<br />
gegeben haben.<br />
*Interview: Jonathan Fink