07.08.2018 Aufrufe

Capture your life

Die Broschüre richtet sich an haupt-und ehrenamtliche Akteur*innen in der Jugendverbandsarbeit/Jugendhilfe. Neben einer umfangreichen Einführung in die Theorie des Digital Storytellings bietet die Handreichung konkrete Hilfestellung zur Gestaltung eines eigenen Digital Storytelling Workshops sowie einer sozialwissenschaftlichen Analyse einzelner Digital Storys.

Die Broschüre richtet sich an haupt-und ehrenamtliche Akteur*innen in der Jugendverbandsarbeit/Jugendhilfe. Neben einer umfangreichen Einführung in die Theorie des Digital Storytellings bietet die Handreichung konkrete Hilfestellung zur Gestaltung eines eigenen Digital Storytelling Workshops sowie einer sozialwissenschaftlichen Analyse einzelner Digital Storys.

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Kapitel 9<br />

9.1 „Spielkind – ein Film von Coby“<br />

(Der Körper als Ort des Ichs)<br />

Die Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, ist eine Geschichte,<br />

die weder einen Anfang noch ein Ende hat. Es ist<br />

ein Lebensthema, das hier verhandelt wird: der Körper und<br />

seine Geschlechtlichkeit.<br />

Coby gibt schon in den ersten Sekunden das Thema des<br />

Films bekannt und verbindet es mit den Bildern, die zu<br />

sehen sind: „Warum ich jongliere? Weil ich trans bin.“ Der<br />

Vorgang der Jonglage und die Jonglagebälle stellen für<br />

Copy einen direkt Zugang zum Körper dar, aktivieren das<br />

Körperempfinden und schalten für diesen Moment das<br />

Denken aus. Ein Denken, das durch die Zeiten (Früher,<br />

Jetzt, Später) irrt, immer wieder hinterfragt und oft nicht<br />

stillstehen kann. Rationalität und Reflexion war und ist (?)<br />

für Coby eine Form des Umgangs mit der eigenen Körperlichkeit,<br />

der offensive Umgang mit dem eigenen Körper.<br />

In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Film.<br />

Wir erfahren, wie stark Coby die Vergeistigung als Abkehr<br />

vom Körperlichen gepflegt hat. Fast wirkt es wie eine<br />

Überlebensstrategie. Nach der Erkenntnis und persönlichen<br />

Akzeptanz, weibliche und männliche Seiten im eigenen,<br />

dem einen Körper zu vereinen, wandelt sich Cobys Strategie<br />

und zwar in einen offensiven Umgang mit der eigenen als<br />

schwierig erlebten Körperlichkeit: Der eigene Körper darf<br />

sein, wird angenommen und geliebt. Der eigene Körper<br />

wird zum Ort des Ichs, zum Ort des Seins und Werdens, zum<br />

Ort positiver Gefühle und angenehmer Empfindungen.<br />

Adäquat zur Visualisierung, in der die Hände eine entscheidende<br />

Rolle spielen: sie halten und werfen die Bälle, stellt<br />

Coby die Hände auch immer wieder in den Mittelpunkt der<br />

Erzählung. Vielleicht, weil unsere Hände zumeist sehr aktive<br />

Körperteile sind. Sie können schreiben, halten, abwehren,<br />

aber auch berühren und streicheln. Im Film fungieren sie als<br />

Übergangsmedium von den Bällen zum Körper während der<br />

Jonglage. Ihre erzählerische Thematisierung und gleichzeitige<br />

Präsenz im Film vermittelt aber auch das Bild des konstruktiven<br />

Umgangs mit der eigenen Körperlichkeit und die<br />

aktive Entscheidung, sich diesem Lebensthema zu stellen, es<br />

quasi in die Hand zu nehmen.<br />

Gleichzeitig wird jedoch deutlich, wie essentiell Körperlichkeit<br />

wird, wenn die eindeutige Geschlechtlichkeit prekär ist<br />

oder als solche empfunden wird. In der Passage, in der Coby<br />

über die eigenen Strategien des Umgangs damit spricht,<br />

ist der Stimme auch die Trauer anzuhören, und im gesprochenen<br />

Satz „Ich war nie glücklich in meinem Körper.“<br />

schwingt die Permanenz der herausfordernden Auseinandersetzung<br />

mit diesem Themas fort.<br />

Und doch werden in Cobys Film Möglichkeiten gezeigt, sich<br />

dieser lebensgeschichtlichen Herausforderung zu stellen,<br />

sowohl mit der Erzählung, die Umgangsweisen anbietet, als<br />

auch mit der visuellen Umsetzung: Coby zeigt seinen*ihren<br />

Körper nie im Ganzen - es sind immer nur Ausschnitte zu<br />

sehen - und verweigert sich damit einem konstruierenden<br />

Urteil von außen zu einem „Gesamtkörper“. In dieser<br />

Sichtbarkeit bestimmt Coby selbst, wie der Körper präsentiert<br />

wird - in welcher Perspektive, in welcher Haltung, mit<br />

welchen Worten.<br />

Die Perspektiven und sichtbaren Körperausschnitte verändern<br />

sich permanent und radikal während des gesamten<br />

Films – vielleicht repräsentiert dies den Wunsch, dass sich<br />

die Außenperspektiven auf den Körper des Anderen vervielfältigen,<br />

nicht statisch sind, sondern flexibel und veränderbar.<br />

Vielleicht zeigt sich hier die Vision, nicht festgelegt zu<br />

werden und/oder unabhängig von einem Außenblick und<br />

fremdbestimmter Markierung autonom agieren zu können.<br />

Von außen gesetzte Markierungen haben zumindest in<br />

dieser Präsentation auf eindrucksvolle Art und Weise keine<br />

Chance.<br />

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