KUNSTINVESTOR AUSGABE SEPTEMBER 2018
Kunst als Kapitalanlage AUSGABE SEPTEMBER 2018 Chefredakteur: Michael Minassian
Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE SEPTEMBER 2018
Chefredakteur: Michael Minassian
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien<br />
Für Wien plant der Künstler Kollaborationen mit dem<br />
Georg Fritsch Antiquariat, dem ZOOM Kindermuseum,<br />
dem Sigmund Freud Museum und dem museum in<br />
progress. Er lässt außerdem Helene Weigels Mercedes<br />
Benz Ponton tageweise in der Nähe vom Burgtheater<br />
und Volkstheater parken. Die Ehefrau Bertolt Brechts<br />
kaufte das Auto 1967 in ihrer Funktion als Direktorin<br />
des Berliner Ensembles. Auch das Deserteursdenkmal<br />
am Ballhausplatz ist Schauplatz für seine breit<br />
angelegten Ausstellungsaktivitäten. Es wurde 2014<br />
nach einem Entwurf des Künstlers als Mahnmal für die<br />
Verfolgten der NS-Militärjustiz errichtet. Als ein<br />
elementarer Bestandteil des Projekts wird das<br />
Monument neu aktiviert, indem Gesangs-<br />
Performer/innen a capella Stücke aufführen. Es handelt<br />
sich dabei um eine Fortsetzung des Projekts Escalier<br />
Du Chant, das Nicolai 2011 für die Pinakothek der<br />
Moderne in München umgesetzt hat. Das Konzept sieht<br />
vor, dass der Künstler Komponist/innen einlädt, jeweils<br />
kurze Werke ausgehend von aktuellen Ereignissen zu<br />
schreiben, die dann von den Neuen Vocalsolisten<br />
(Stuttgart) musikalisch interpretiert werden. Nicolais<br />
methodische Herangehensweise führt auch dazu,<br />
andere Blickweisen auf und Bezüge zu seinem Werk<br />
herzustellen und künstlerische Arbeiten vordergründig<br />
manchmal gar nicht als solche zu erkennen zu geben.<br />
Häufig stellt der Künstler bekannte Motive in neue<br />
Kontexte oder versucht sich am Wiederholen von<br />
Bildern aus der Erinnerung. Er greift Fragen der Naturund<br />
Geisteswissenschaft auf und macht sie in einem<br />
ästhetisch konstruierten und damit neuen Kontext<br />
erfahrbar.Der Ausstellungstitel There Is No Place<br />
Before Arrival geht zurück auf ein Werk des Künstlers<br />
mit dem Titel Don’t spend time searching the colorful<br />
layered flood of leaking information, or: There is no<br />
place before arrival. Dieses besteht aus einer großen<br />
Steinplatte aus präkambrischen Quarzsandstein, der<br />
aus einer Zeit noch vor dem ersten Aufkommen von<br />
Lebewesen auf der Erde stammt. There Is No Place<br />
Before Arrival verweist darauf, dass es keinen Ort vor<br />
der Ankunft gibt: Gedanken, Worte, Bilder und Gesten,<br />
die übermittelt werden, finden, wenn sie ankommen,<br />
ihren Ort nicht als solchen schon vor, sondern schaffen<br />
ihn allererst. Gleichzeitig handelt es sich um eine<br />
poetische Paraphrase über die Dialektik des<br />
Wunsches, „die erhoffte Dauer und den permanenten<br />
Aufschub in der Bewegung“, so der Künstler über den<br />
Titel seiner Ausstellung in Wien. Olaf Nicolai zeigt mit<br />
There Is No Place Before Arrival nicht nur seine<br />
Methode: Er verbindet vielmehr performative Elemente,<br />
sich im Laufe der Ausstellung transformierende Werke,<br />
Verfremdungen bekannter Alltagsgegenstände und<br />
popkulturelle Motive in einem dichten Feld aus<br />
Verweisen auf ikonische Momente in Politik und<br />
Geistesgeschichte. Zugleich inszeniert die Ausstellung<br />
ein Ensemble sich wandelnder Situationen, in dem sich<br />
die Besucher/innen bewegen. Dieses ist gleichermaßen<br />
für eine zerstreute, eher nomadische Rezeption wie für<br />
eine sehr persönliche Aneignung der Arbeiten offen.<br />
[Kunsthalle Wien, Kurator Luca Lo Pinto. Dauer Von 13.<br />
Juli bis 7. Oktober <strong>2018</strong>. Foto © Kunsthalle Wien]<br />
Olaf Nicolai (*1962) lebt und arbeitet in Berlin. Nach dem Studium der Germanistik an den Universitäten Leipzig,<br />
Budapest und Wien arbeitet er seit 1990 als bildender Künstler. Neben der Teilnahme an zahlreichen internationalen<br />
Einzel- und Gruppenausstellungen war er auf der documenta X (1997) und documenta 14 (2017) vertreten sowie auf<br />
der 49., 51. und 56. Venedig Biennale (2001, 2005 und 2015). Für seine von der documenta 14 in Auftrag gegebene<br />
Arbeit In The Woods There Is A Bird... erhielt Olaf Nicolai 2017 den Karl-Sczuka-Preis für Hörspiel als Radiokunst.