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Berliner Kurier 10.10.2018

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EXPEDITION OST<br />

Kinder gingen früh<br />

allein zur Schule, ohne<br />

eine Straße überqueren<br />

zu müssen<br />

Fortsetzung von Seite 17<br />

sich vom Zentrum der Stadt<br />

entfernten und je später sie entstanden.<br />

Das Schönste ist das<br />

erste, gegenüber vom Kino International.<br />

Die Plattenbauten<br />

sind mit Keramikfliesen verziert,<br />

das Ärztehaus, der Friseur<br />

und die Apotheke in gläsernen<br />

Pavillons untergebracht,<br />

die Schulen sind technische<br />

Meisterwerke, in die<br />

Fassade wurden Lüftungen eingebaut,<br />

damit sich die Räume<br />

im Sommer nicht so aufheizen,<br />

zum Kindergarten gehörte ein<br />

großes Planschbecken, zwischen<br />

den Häusern wurden<br />

Kunstprojekte verstreut.<br />

Gesetzliche Richtlinien<br />

schrieben die Ausstattung der<br />

Viertel vor: Im Jahr 1975 zum<br />

Beispiel kamen auf 1000 Einwohner<br />

30 Krippenplätze, 45<br />

bis 54 Kindergarten-, 180 bis<br />

210 Grundschulplätze sowie 18<br />

Plätze im Jugendklub. Jedem<br />

Einwohner standen 8,5 Quadratmeter<br />

Grünfläche und ein<br />

Das Hans-Loch-Viertel heißt heute Friedrichsfelde-<br />

Süd. Seine Planer dachten auch an Treffpunkte.<br />

Parkplatz zu. Wurde die Richtlinie<br />

nicht eingehalten, durften<br />

die Wohnungen nicht bezogen<br />

werden.<br />

Das sei es, was heute fehle,<br />

sagt Christina Lindemann, die<br />

Komplexität der Planung. Alles<br />

werde voneinander getrennt<br />

geplant: Investoren bauen die<br />

Wohnungen, aber keine Straßen,<br />

S-Bahn-Stationen und<br />

Kindergärten. Dafür sind die<br />

Stadt- und die Bezirksverwaltungen<br />

zuständig, und die kommen<br />

nicht hinterher. Das Ergebnis<br />

ist bekannt: zu wenig<br />

Wohnungen, zu wenig Schulen,<br />

zu wenig Lehrer, zu wenig Kindergartenplätze,<br />

verstopfte<br />

Straßen. Lindemann hat vor<br />

der Wende im Büro für Städtebau<br />

des <strong>Berliner</strong> Magistrats gearbeitet<br />

und sich danach als in<br />

einem Architekturbüro niedergelassen,<br />

sie weiß genau, wovon<br />

sie spricht. Stadtplanung<br />

heißt für Lindemann heute vor<br />

allem, Mängel bei der Planung<br />

notdürftig auszugleichen. Gerade<br />

plant sie Erweiterungsbauten<br />

für den Bezirk Pankow,<br />

wo die Schulen aus allen Nähten<br />

platzen, weil immer mehr<br />

Wohnungen gebaut werden. Zu<br />

DDR-Zeiten, sagt sie, wurde die<br />

Zahl der Geburten immer<br />

gleich in den Wohngebietsplan<br />

mit aufgenommen. Auch das sei<br />

etwas, was man vom Osten lernen<br />

könne.<br />

Manchmal fahre ich noch zurück<br />

ins Hans-Loch-Viertel. Es<br />

heißt jetzt Friedrichsfelde-Süd,<br />

und ich finde, die Zeit hat ihm<br />

gut getan, die Bäume sind hoch<br />

gewachsen, die Höfe so grün<br />

wie ein Stadtpark, die Häuser<br />

wurden renoviert, die Clubgaststätte<br />

Drushba abgerissen,<br />

dafür sind neue Wohnungen<br />

entstanden. Viele meiner Lehrer<br />

und Mitschüler leben heute<br />

noch hier. Das Viertel gilt<br />

längst wieder als begehrte<br />

Wohngegend. Auf ihrer Website<br />

wirbt die Wohnungsbaugesellschaft<br />

Howoge mit „spannenden<br />

Kontrasten“ und der<br />

„hervorragenden Infrastruktur“.<br />

Nach und<br />

nach entstanden<br />

neue<br />

Wohnviertel,<br />

zuletzt in Hellersdorf.<br />

Hier<br />

sieht man eine<br />

Musterwohnung,<br />

mit<br />

original DDR-<br />

Einrichtung.<br />

Lesen Sie am<br />

Donnerstag,<br />

den 11. Oktober,<br />

Teil 8der Serie –<br />

diesmal zum<br />

Thema Liebe.<br />

Fotos: Benjamin Pritzkuleit (2), privat,Imago

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