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Berliner Kurier 28.10.2018

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25<br />

Mark Beneckeüber<br />

Neuzeit-Blutsauger<br />

die Nachrückenden in Panik<br />

zu versetzen.<br />

Die Taktik glückte. Darüber<br />

hinaus pflegte Vlad angeblich<br />

nach einer Schlacht sein<br />

Abendmahl umringt von toten<br />

Opfern einzunehmen<br />

und dabei sein Brot gelegentlich<br />

in das Blut der Sterbenden<br />

zu tunken. 1477 wurde<br />

der Tyrann ermordet.<br />

All diese Geschichten inspirierten<br />

den berühmten<br />

Vampir-Autor Bram Stoker<br />

(1847–1912) zu seinem Roman<br />

„Dracula“. Bis heute ist<br />

der Stoffaktuell. Bücher und<br />

Filme über die Blutsauger<br />

sind nach wie vor Kassenschlager.<br />

Für Bathory ist das alles<br />

keine Fiktion: „Vampire gibt<br />

es nicht nur in Büchern, sie<br />

wandeln auch mitten unter<br />

uns.“ Er selbst wurde angeblich<br />

im Traum von Vlad III.<br />

Draculea persönlich dazu<br />

Forensiker Mark Beneckeinseinem<br />

Büro, umgeben vonSkurrilitäten und<br />

Außergewöhnlichem.<br />

aufgefordert, dessen Erbe<br />

fortzuführen. Danach habe<br />

sich sein Leben „von Grund<br />

auf verändert“, als ihm diese<br />

berüchtigte Gestalt im<br />

Traum begegnete. Der britischen<br />

„Sun“ sagte er: „Vor<br />

vier Jahren kamerinmeinen<br />

Träumenzumir.Erwar in einer<br />

dunklen Kammer und<br />

nannte mich ,mein Sohn'. Ich<br />

glaube nicht, dass ich sein<br />

Nachkomme bin, sondern<br />

dass er mich gewählt hat, um<br />

seine Botschaft und seine<br />

Traditionen an die neue Generation<br />

weiterzugeben.“<br />

Seine Mitglieder tränken<br />

auch Blut,behauptet er –sie<br />

würden es vonbereitwilligen<br />

Spendern beziehen. Und diese<br />

Blutspender gebe es zu<br />

genüge, so der „Vampirfürst“<br />

stolz. Er müsse daher nie auf<br />

die Suche gehen. Dass das<br />

Trinken von fremdem Blut<br />

mit gesundheitlichen Risiken<br />

verbunden ist, sei ihm<br />

bekannt, ertrotze dem aber:<br />

„Es gibt Gesundheitsrisiken,<br />

aber keinen Unterschied dazu,<br />

die Straße zu überqueren.<br />

Wir ergreifen Maßnahmen,<br />

um sicherzustellen,<br />

dass die Transaktionen sicher<br />

sind.“<br />

Und welchem Brauch geht<br />

er noch nach? „Manchmal<br />

schlafe ich in einem Sarg,<br />

wenn ich für die Welt totsein<br />

und meditieren will“, erklärt<br />

Bathory. Särge seien Zufluchsorte<br />

für ihn, besonders<br />

wenn das Netz ihn, den<br />

bekennenden Bluttrinker,<br />

kritisiere und anfeinde, ihn,<br />

wie bereits erwähnt, als Satanisten<br />

bezeichne. Es sei<br />

eben sein Lebensstil und andere<br />

seien halt eifersüchtig<br />

aufihn.<br />

Oder, lieber Herr Vampir,<br />

einfach nurentsetzt.<br />

Anne-Kattrin Palmer<br />

Fotos: Imago, Facebook<br />

Vampire –gibt es sie wirklich?<br />

Und warum sind sie<br />

solch ein Phänomen? Ist es<br />

Aberglauben? Faszination?<br />

Wir fragten Mark Benecke<br />

(48), den wohl bekanntesten<br />

Forensiker und<br />

Kriminalbiologen Deutschlands.<br />

Einer, der oft nach<br />

außen hin Unergründliches<br />

erforscht. Außerdem<br />

ist<br />

der Kölner<br />

Buchautor –<br />

unter anderem<br />

von<br />

„Vampire<br />

unter uns“.<br />

KURIER:<br />

Herr Benecke,<br />

was lieben<br />

Menschen<br />

an Vampiren?<br />

Mark Benecke:<br />

Vampire<br />

faszinieren<br />

und stoßen<br />

gleichermaßen<br />

ab. Und das seit Jahrtausenden.<br />

Sie sind Fantasiegestalten<br />

aus Film, Fernsehen und,<br />

ja, Aberglauben. Es dreht<br />

sich immer um Dauerbrenner<br />

der menschlichen Existenz:<br />

Liebe, Erlösung,<br />

Schuld. Und natürlich die<br />

Angst der Menschen, dass es<br />

Untote wirklich gibt. Es ist<br />

ein unerschöpfliches Thema,<br />

und das fasziniert mich genauso<br />

wie andere.<br />

Gib es Vampire denn wirklich?<br />

Untote natürlich nicht.<br />

Wenn angebliche Tote wieder<br />

aufwachen, gibt es immer<br />

wissenschaftliche Erklärungen.<br />

Aber es gibt Subkultur-<br />

Vampire. Menschen, die sich<br />

selbst als Vampire identifi-<br />

ist inzwischen<br />

zieren. Das<br />

unstrittig.<br />

Um welche<br />

Menschen<br />

handelt es<br />

sich?<br />

Sie nennen sich Real-<br />

und sie<br />

life-Vampyre,<br />

werden intern<br />

immer<br />

mit „y“ geschrieben:<br />

Vampyre. Es sind<br />

Menschen, die<br />

unter anderem das<br />

Bedürfnis haben, ab<br />

und zu Blut zutrinken,<br />

und das meinen die auch<br />

ganz ernst. Das ist jetzt<br />

keineswegs, was sie so spie-<br />

oder nach-<br />

lerisch empfinden<br />

empfinden, wenn die sich<br />

einmal dienstagabends tref-<br />

ist in ihrem<br />

fen, sonderndas<br />

ganzen Leben so.<br />

Welche Eigenschaften<br />

haben sie noch?<br />

Viele sind emp-<br />

Licht,<br />

findlich bei<br />

Berührungen oder<br />

Gerüchen. Oder sie<br />

können nachts nicht schlafen.<br />

Interessant ist, dass sie<br />

sich das vorher nicht aus Filmen<br />

oder Büchern angeeignet<br />

haben. Viele von ihnen<br />

sind depressiv und haben anstrengende<br />

Kindheiten hinter<br />

sich.<br />

Trinken alle Real-Life-<br />

Vampyre Blut?<br />

Nein, nicht alle. Andere lehnen<br />

das ab. Die sogenannten<br />

Energie-Vampire.<br />

Also ist ein Vampir nicht<br />

gleich ein Vampir?<br />

Nein, die Szene ist extrem<br />

aufgesplittert. Neben den<br />

Real-Life-Vampyren gibt es<br />

auch welche, die handeln nur<br />

aus romantischen Motiven,<br />

getreu dem Motto: Ach, käme<br />

doch mal ein Wesen, das mir<br />

mein Kleid vom Leib reißt.<br />

Andere interessieren sich<br />

nur für die Kleidung. Manche<br />

finden sich daher in der Gothic-Szene.<br />

Also eine Definition gibt es<br />

nicht?<br />

(Lacht.) Nur, dass sie Energie<br />

oder Blut brauchen, weil<br />

sie sich sonst schwach fühlen.<br />

Durch die vielen Aufsplittungen<br />

sind sich manche<br />

Real-Life-Vampyre auch<br />

spinnefeind. Die zanken sich<br />

wie im Kleingartenverein.<br />

Wo gibt es die Szene?<br />

Die meisten treffen sich inzwischen<br />

im Internet oder<br />

auf kleineren Veranstaltungen.<br />

Ich kenne viele, und die<br />

sind sehr nett, freundlich und<br />

friedlich.<br />

Wie viele gibt es?<br />

In Deutschland etwa 500.<br />

Weltweit mehrere Tausend.<br />

Erstaunlich viele leben in<br />

New Orleans –auch wegen<br />

des dort spielenden Films<br />

„Interview mit einem Vampir“.<br />

Mark Beneckekennt<br />

sich mit Vampiren aus.

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