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Thema: Bindung – Beziehung – Bildung<br />

rauf an, wer mehr weiß, sondern darauf,<br />

dass wir alle nachdenken können. Das<br />

können Kinder – und wie! Wenn wir ihnen<br />

Rationalität zutrauen und eine innere<br />

Welt zuschreiben, werden sie darin<br />

gestärkt, ein Bewusstsein von Individualität<br />

und Perspektivität zu entwickeln,<br />

sie erleben Wertschätzung und<br />

Relevanz ihrer eigenen Gedanken und<br />

zugleich wird im Raum der Gründe die<br />

Unterschiedlichkeit anderer bewusst.<br />

Anmerkungen<br />

1) Vgl. Bowlby, J. 1969 und Ainsworth, M.<br />

1977<br />

2) Viernickel, Völkel 2009, 13 f.<br />

3) Vgl. u. a. Dornes 2000<br />

4) Vgl. u. a. Thagard, Paul (2006): Hot<br />

Thought: Mechanisms and Applications of<br />

Emotional Cognition. Cambridge. MIT Press<br />

5) Der Philosoph Thomas Nagel hat eine<br />

Sicht, die die Perspektivität der eigenen<br />

Wahrnehmung (subjektiv und intern) der<br />

Welt (objektiv und extern) nicht mit einrechnet,<br />

einschlägig als »View from Nowhere«<br />

bezeichnet. Vgl.: Nagel, Thomas (1986): The<br />

View from Nowhere. Oxford University Press<br />

6) Vgl. Gopnik, Alison; Wellman Henry M.<br />

(2012): Reconstructing constructivism:<br />

Causal models, Bayesian learning mechanisms<br />

and the theory theory. In: Psychological<br />

Bulletin 2012 Nov; 138 (6): 1085–108<br />

7) Für Forschungen, die das Sensorium der<br />

Kinder für pädagogische Interaktionen in den<br />

Blick nehmen, vgl.<br />

Bonawitz, Elizabeth, et al. (2011): The doubleedged<br />

sword of pedagogy: Instruction limits<br />

spontaneous exploration and discovery.<br />

Cognition 120.3: 322–330<br />

Buchsbaum, D., Gopnik, A., Griffiths, T. L., &<br />

Shafto, P. (2011). Children’s imitation of causal<br />

action sequences is influenced by statistical<br />

and pedagogical evidence. Cognition, 120 (3),<br />

331–340.<br />

8) Sellars 1956; McDowell 1994<br />

9) Sylva, K. u. a. 2004<br />

10) Ein Zusammentreffen von Gehirnen<br />

11) Habermas 1981<br />

12) Habermas 1981<br />

13) Sylva, K. u. a. 2004, 154<br />

14) Hamre et al. 2013; König 2009;<br />

Siraj-Blatchford, Muttock, Sylva,<br />

Gilden & Bell 2002; Sylva et al. 2004;<br />

Sammons et al. 2004<br />

15) Carpenter et al. 1998<br />

16) Dickinson & Tabors 2001; Girolametto,<br />

Weitzmann & Greenberg 2003<br />

17) Hildebrandt, Scheidt, Hildebrandt,<br />

Hédervári-Heller & Dreier 2016<br />

18) Harris et al. 2005; Moore 1990;<br />

Lohmann und Tomasello 2003<br />

19) Hildebrandt 2016<br />

Gerlind Große<br />

Emotionsregulation<br />

und Sprache<br />

Emotionsregulation wird als Handeln definiert, mit dem ein Mensch gezielt darauf<br />

Einfluss nimmt, welche Emotionen er erlebt, wie und wann er sie erlebt und<br />

wie er sie einsetzt, um seine Ziele zu erreichen (1). Die Fähigkeit zur Emotionsregulation<br />

versetzt eine Person in die Lage, ihren Emotionen und den damit verbundenen<br />

Handlungsbereitschaften nicht mehr nur ausgeliefert zu sein, sondern<br />

aktiv Einfluss auf die Wirkung der eigenen Emotionen nehmen zu können (2).<br />

Das bedeutet auch, dass Emotionsregulation<br />

es ermöglicht,<br />

in stressvollen und emotionsgeladenen<br />

Situationen dennoch sozial<br />

angemessen, adaptiv und flexibel zu reagieren<br />

(3). Ein ganz wesentliches Ziel<br />

in der Entwicklung der Emotionsregulation<br />

für Kinder und Jugendliche besteht<br />

also darin, zu lernen, wie sie mit<br />

ihren Emotionen sozial und situativ angemessen<br />

umgehen können (4).<br />

Warum ist Emotionsregulation<br />

so wichtig für kindliche Entwicklung<br />

(und Schulerfolg)?<br />

Zu lernen, die eigenen emotionalen<br />

Erfahrungen und damit verbundene<br />

Handlungstendenzen mit persönlichen<br />

Zielen und sozialen Anforderungen in<br />

Einklang zu bringen, ist eine zentrale<br />

Entwicklungsaufgabe der frühen und<br />

mittleren Kindheit (5). Bessere Emotionsregulationsfähigkeiten<br />

stehen im<br />

Zusammenhang mit besseren sozioemotionalen<br />

Kompetenzen (6–8), mehr<br />

prosozialem Verhalten (9) sowie besseren<br />

Peer-Beziehungen (10, 11). Sie ermöglichen<br />

eine bessere Anpassung an<br />

das schulische und vorschulische Umfeld<br />

sowie bessere schulische Leistungen<br />

(12, 13). Außerdem zeigen sich Zusammenhänge<br />

zwischen dem Erleben positiver<br />

Emotionen und dem emotionalen<br />

Wohlbefinden und psychischer Gesundheit<br />

(14).<br />

Die Fähigkeit, die eigenen und die Gefühle<br />

anderer zu verstehen (Empathie),<br />

mit starken Emotionen gut umgehen zu<br />

können und soziale Hinweise wahrzunehmen,<br />

trägt maßgeblich zu positiven<br />

Peer-Beziehungen und Peer-Interaktionen<br />

bei. Kinder, die von ihren Mitschüler*innen<br />

nicht gemocht, ausgeschlossen<br />

oder gehänselt werden, haben häufiger<br />

Verhaltens- und Sozialprobleme und<br />

schlechtere schulische Leistungen als<br />

Kinder, die gemocht werden und gut sozial<br />

eingebunden sind. Solche Kinder mit<br />

hohem sozialem Gruppenstatus sind im<br />

Gegenzug oft besser darin, mit negativen<br />

Emotionen – wie Wut, Nervosität oder<br />

Traurigkeit – umgehen zu können. Sie<br />

zeigen häufiger freundliches und positives<br />

Sozialverhalten wie Kooperation und<br />

Hilfsbereitschaft (15).<br />

Emotionsregulations-Strategien<br />

Die Aneignung von Strategien, mit<br />

denen sich Emotionen in ihrer Qualität,<br />

Intensität, Dauer und Häufigkeit<br />

modifizieren lassen, stellt also eine<br />

wesentliche Entwicklungsaufgabe dar.<br />

Dabei lassen sich verschiedene Arten<br />

der Emotionsregulation unterscheiden<br />

(siehe Kasten, Larsen und Prizmic) (16).<br />

Alle Strategieformen sind sowohl intrapersonal<br />

wie interpersonal anwendbar.<br />

Allerdings sind nicht alle Strategien<br />

gleichermaßen erfolgreich. Im Vergleich<br />

der Wirksamkeit von zwei Regulationsstrategien<br />

(17) zeigte beispielsweise die<br />

Neubewertung einer negativen Situation<br />

eine höhere Funktionalität als die<br />

Unterdrückung des Gefühls. Die Neubewertung<br />

ermöglichte es, die Intensität<br />

eines negativen Gefühls tatsächlich<br />

zu reduzieren, wogegen eine Unterdrückung<br />

zwar zu einer Reduktion des Gefühlsausdrucks<br />

führte, das Gefühl selbst<br />

aber bestehen blieb. Die Unterdrückung<br />

von Gefühlen kann – im Gegensatz zur<br />

Neubewertung – sogar negative Konsequenzen<br />

auf die Gedächtnisleistung<br />

haben (18).<br />

12<br />

GS aktuell 144 • November 2018

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