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Praxis: Lernen braucht Beziehung<br />

innerhalb des schulischen Beziehungsgeflechts<br />

zu verorten.<br />

2. Die Beziehungen innerhalb<br />

des Klassenverbands fördern<br />

Die PISA-Studie von 2015 hat nicht nur<br />

die einschlägig bekannten Leistungsvergleiche<br />

zutage gefördert. Zum ersten<br />

Mal wurde hier auch untersucht,<br />

wie wohl sich unsere Schüler in ihrem<br />

schulischen Umfeld fühlen und wie dieses<br />

Students’ Well Being vom Verhalten<br />

der Lehrkräfte, Eltern und Mitschüler<br />

gesteuert wird. Dabei konnte PISA V<br />

lediglich bestätigen, was durch andere<br />

Studien schon lange belegt ist: Die<br />

Haltung der Schüler zu Unterricht und<br />

Schule ist ganz erheblich vom Klima<br />

innerhalb ihrer Klasse abhängig – und<br />

das heißt: von der Qualität der Beziehungen,<br />

durch die sich die Mitschüler<br />

untereinander verbunden fühlen.<br />

Leitprojekt: Die Implementierung<br />

eines »neuen Fachs«<br />

Wie sich die Beziehungen innerhalb des<br />

Klassenverbands gestalten, sollte auf der<br />

Agenda einer beziehungsaktiven Schule<br />

immer ganz oben stehen. Die Schulkonferenz<br />

kann diesem Anliegen Rechnung<br />

tragen, wenn sie in den Stundentafeln<br />

einzelner Jahrgänge das Soziale Lernen<br />

als eigenständiges Unterrichtsfach ausweist<br />

und dazu ein hauseigenes Curriculum<br />

in Auftrag gibt.<br />

Soziales Lernen – das bedeutet für die<br />

Schüler, dass sie einmal in der Woche<br />

zusammenkommen, um sich über die<br />

Beziehungsdynamik in ihrer Klasse<br />

auszutauschen. Angeleitet werden sie<br />

dabei von der Klassenlehrerin oder vom<br />

Sozialpädagogen der Schule.<br />

Darüber hinaus sollte sich die Schulkonferenz<br />

darauf verständigen, dass in<br />

den einzelnen Klassen weitere Arbeitsund<br />

Gesprächsformate eingeführt werden<br />

und dass dadurch die interne Beziehungsarbeit<br />

in einem verbindlichen<br />

Rahmen stattfinden kann. So lässt sich<br />

durchsetzen, dass in allen Jahrgängen<br />

regelmäßig der Klassenrat tagt und dass<br />

die hier zu verhandelnden Gesprächsgegenstände<br />

jeweils in einem gesonderten<br />

Themenbuch festgehalten werden.<br />

Durch entsprechende Fenster im<br />

Stundenplan kann dafür gesorgt werden,<br />

dass wenigstens eine Wochenstunde<br />

für interne Beratungen freigehalten<br />

und dass den Schülern damit mehr »Zeit<br />

für uns« (ZfU) zugestanden wird. In einzelnen<br />

Klassen kann erprobt werden,<br />

ob sich interne Konflikte durch die Berufung<br />

eines nur mit Gleichaltrigen besetzten<br />

Schiedsgerichts (Teenie Court)<br />

lösen lassen. Schließlich sollten einzelne<br />

Klassen die Möglichkeit haben, wenigstens<br />

einmal im Jahr zur Aufarbeitung<br />

interner Probleme einen Klassentag<br />

durchzuführen, der von der Schule<br />

zusammen mit einem externen Partner<br />

ausgerichtet wird.<br />

3. Die Schüler-Lehrer­<br />

Beziehung vertiefen<br />

Manche Lehrkräfte sind an einem<br />

engeren Kontakt zu den Kollegen nur<br />

bedingt interessiert. Deshalb meiden sie<br />

das Lehrerzimmer und ziehen sich lieber<br />

in ihre Nischen zurück. Demgegenüber<br />

bringt es die Organisation des<br />

Unterrichts mit sich, dass sich Lehrer<br />

und Schüler nicht aus dem Weg gehen<br />

können. Ihnen bleibt gar nichts anderes<br />

übrig, als sich aufeinander einzulassen<br />

und sich immer wieder miteinander zu<br />

beschäftigen. Und doch neigen manche<br />

Lehrer dazu, die eigene Persönlichkeit<br />

vor ihren Schülern verborgen zu halten.<br />

Dabei sind es gerade die persönlichen<br />

Befindlichkeiten, die die Aufnahme vertrauensvoller<br />

und belastbarer Beziehungen<br />

begünstigen – oder diesen im Wege<br />

stehen.<br />

Leitprojekt: Die Förderung der<br />

innerschulischen Feedback-Kultur<br />

Deshalb ist die Schüler-Lehrer-Beziehung<br />

auf einen ehrlichen Austausch<br />

unter den Beteiligten angewiesen. Beide<br />

Seiten müssen wissen, wie sie gegenseitig<br />

wahrgenommen werden – weil<br />

sich ihre Beziehung nur über eine solche<br />

Rückmeldung weiterentwickeln<br />

kann. Für die Lehrkräfte bedeutet dies,<br />

dass sie sich dem Urteil ihrer Schüler<br />

stellen müssen und dass dieses auch<br />

für einzelne Aspekte ihrer Persönlichkeit<br />

zu gelten hat. Die Bereitschaft, sich<br />

auf ein solches Feedback einzulassen,<br />

darf nicht allein vom guten Willen einzelner<br />

Lehrkräfte abhängen. Deshalb<br />

hilft es allen Beteiligten, wenn die ganze<br />

Schule von der Notwendigkeit wechselseitiger<br />

Rückmeldungen überzeugt<br />

ist und wenn hier entsprechende Maßnahmen<br />

vereinbart werden. So kann im<br />

Schulprogramm ausdrücklich festgehalten<br />

werden, dass in allen Klassen einmal<br />

im Halbjahr eine Feedback-Stunde<br />

stattfindet. Gleichzeitig kann die Schule<br />

einen Methodenkoffer vorhalten, der<br />

im Rahmen solcher Feedback-Stunden<br />

zum Einsatz kommen kann. Außerdem<br />

können sich einzelne Schüler zu Feedback-Scouts<br />

ausbilden lassen, die diese<br />

Stunden moderieren und die über entsprechende<br />

Methodenkenntnisse verfügen.<br />

Schließlich kann sich die Schule auf<br />

einen Katalog bestimmter Regeln verständigen,<br />

die für die Feedback-Arbeit<br />

im Klassenzimmer gelten sollen. Durch<br />

solche Hilfestellungen dürften sich alle<br />

Lehrkräfte ermutigt und bestärkt fühlen<br />

– auch diejenigen, die große Vorbehalte<br />

gegenüber einer solchen kritischen<br />

Würdigung durch die Schüler haben.<br />

Darüber hinaus kann die Schule anregen,<br />

die Schüler-Lehrer-Beziehung<br />

durch zusätzliche Impulse neu zu beleben:<br />

So kann einmal im Halbjahr ein<br />

Durchgang stattfinden, bei dem sich<br />

der Klassenlehrer mit einem Schüler<br />

persönlich austauscht und bei dem<br />

viele Themen angesprochen werden, die<br />

lieber nicht vor der ganzen Klasse abgehandelt<br />

werden sollten. Einige Schulen<br />

bieten Tutorien an: Hier wird jeder<br />

Schüler von einer Lehrkraft begleitet<br />

und betreut, die ihn aber nicht unterrichtet<br />

und deshalb ganz unvoreingenommen<br />

agiert. Schließlich hat sich das<br />

Unterrichtstagebuch als ein taugliches<br />

Medium erwiesen, um das Verhältnis<br />

von Lehrer und Klasse jeweils neu zu<br />

reflektieren und ein nachhaltiges Bild<br />

von der Entwicklung dieser Beziehung<br />

zu zeichnen.<br />

Literatur<br />

Miller, Reinhold (2011): Beziehungsdidaktik.<br />

Weinheim: Beltz.<br />

Aktion Humane Schule (Hg.) (2017):<br />

Miteinander – Lernen braucht Beziehung<br />

(Themenheft der Zeitschrift »Humane<br />

Schule«).<br />

30 GS aktuell 144 • November 2018

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