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GSa144_Nov2018_181022_Web_ES

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Thema: Bindung – Beziehung – Bildung<br />

Die Entwicklung von Emotionsregulationsfähigkeiten<br />

Die Fähigkeiten, Emotionen zu regulieren,<br />

entwickeln sich eingebettet in den<br />

sozialen Kontext, in dem Kinder aufwachsen.<br />

Dieser ist hauptsächlich durch<br />

die beteiligten sozialen Partner, also Eltern,<br />

Geschwister, Freunde, Mitschüler,<br />

Pädagog*innen charakterisiert. Sie alle<br />

tragen zur Entwicklung der Emotionsregulationsfähigkeiten<br />

bei, indem sie<br />

– in abnehmendem Maße – ko-regulativ<br />

agieren. Das heißt: Im Verlaufe der<br />

Entwicklung findet eine Verschiebung<br />

von externaler Co-Regulation hin zu<br />

internaler Selbstregulation der emotionalen<br />

Erlebnisse und der damit einhergehenden<br />

Handlungsimpulse statt (19).<br />

Babys und Kleinkinder sind in emotional<br />

erregenden Situationen auf die soziale<br />

Unterstützung durch Bezugspersonen<br />

wie Eltern oder Pädagog*innen angewiesen<br />

(20, 21). Diese Situationen geben<br />

den Kindern wiederum die Gelegenheit,<br />

durch Nachahmung und erzieherisches<br />

Feedback etwas über Emotionsregulation<br />

zu lernen (22). Während soziale<br />

Unterstützung zeitlebens eine Quelle des<br />

Trostes bleibt, verringert sich doch im<br />

Vorschulalter nach und nach der Bedarf<br />

an externer Unterstützung in alltäglichen<br />

emotionalen Episoden (21, 23).<br />

Verhaltensstrategien:<br />

Beruhigung, Lenkung der Aufmerksamkeit,<br />

Flucht / Rückzug, Selbst belohnung,<br />

Ersatzbefriedigung, soziale Unterstützung,<br />

Problemlösung, Abreagieren /<br />

Ausleben des Gefühls, Unterdrückung<br />

des Gefühls<br />

Symbolische Strategien:<br />

Beruhigung, Trost, Verbale / Gestische<br />

Lenkung der Aufmerksamkeit,<br />

Neubewertung oder Bagatelli sierung,<br />

Abwärtsvergleich, Schuld abwehr,<br />

Leugnung<br />

Zeitliche Hierarchisierung:<br />

Vertrösten, Versprechen,<br />

Visualisieren<br />

Antezedente Strategien:<br />

Aufsuchen positiver Emotions episoden,<br />

Vermeiden negativer Emotionsepisoden,<br />

Diskurs über den Umgang mit<br />

Emotionen<br />

Abb. 1: Strategien der Emotionsregulation<br />

nach Larsen / Prizmic (2004) und<br />

Holodynski / Friedlmeier (2006)<br />

Abb. 2: Einflussfaktoren der Emotionsregulation im Kindesalter<br />

(aus: Kullik / Petermann [2012] nach Jacob et al. [2011])<br />

Wichtige Phase in der Übergangszeit<br />

von der Kita zur Grundschule<br />

Unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten<br />

ist dabei der Übergang von<br />

der externalen zur internalen Regulation<br />

besonders bedeutsam. Viele Emotionsregulationsstrategien<br />

werden von den Kindern<br />

um den vierten Geburtstag herum<br />

erworben, wodurch der Übergang von<br />

der externalen zur internalen Regulation<br />

auch in den Zeitraum des Übergangs vom<br />

Kindergarten in die Grundschule fällt<br />

(19). Im Vorschulalter verbessern Kinder<br />

ihre Emotionsregulationstrategien<br />

und zeigen erstmals auch ein Bewusstsein<br />

für das Vorhandensein solcher Strategien<br />

(24, 25). Darüber hinaus bilden<br />

Verständnis für und Wissen über Emotionen<br />

die Basis für die Entwicklung von<br />

Empathie und prosozialem Verhalten.<br />

Zwischen dem vierten und achten Lebensjahr<br />

erwerben Kinder metakognitives<br />

Wissen über Emotionen und ihre Regulation<br />

– eine sogenannte Theory of Emotion,<br />

in Analogie zur Theory of Mind (26).<br />

Es umfasst sowohl Wissen über 1.) emotionsspezifische<br />

Bewertungen und typische<br />

Emotionsanlässe, 2.) Ausdruckszeichen,<br />

um Emotionen bei anderen erkennen<br />

zu können, 3.) Kenntnisse über peripher-physiologische<br />

Körperreaktionen,<br />

4.) subjektive Erlebensformen, um sie<br />

bei sich selbst identifizieren zu können,<br />

sowie 5.) die (positiven und negativen)<br />

Folgen von Emotionen. Zu einer Theory<br />

of Emotion gehört aber auch ein Wissen<br />

um Regulationsstrategien, wie man seine<br />

und die Emotionen anderer effektiv<br />

modifizieren kann.<br />

Mit Schuleintritt wird von den Kindern<br />

auch erwartet, dass sie in der Lage<br />

sind, die Lernangebote zu nutzen, was<br />

eine gute Selbstregulation voraussetzt.<br />

Dieser Entwicklungsabschnitt ist durch<br />

große individuelle Unterschiede geprägt,<br />

die sich nicht zuletzt im Konzept<br />

der Schulreife niederschlagen (27, 28).<br />

Einflussfaktoren auf die Entwicklung<br />

der Emotionsregulation<br />

Die unterschiedlichen Entwicklungsverläufe<br />

lassen sich dadurch erklären,<br />

dass die Emotionsregulationsfähigkeiten<br />

durch eine Vielzahl von Faktoren<br />

beeinflusst wird. Dazu gehören sowohl<br />

kindbezogene als auch soziale Faktoren<br />

(vgl. Abb. 2).<br />

Vonseiten des Kindes entwickeln sich<br />

die Emotionsregulationsstrategien im<br />

Einklang mit anderen kognitiven Fähigkeiten<br />

wie den exekutiven Funktionen,<br />

dem Repräsentationsvermögen und den<br />

Perspektiveübernahmefähigkeiten (31).<br />

Verbesserte exekutive Funktionen (wie<br />

zum Beispiel Impulskontrolle) durch<br />

Reifung des präfrontalen Kortex ermöglicht<br />

es den 3- bis 5-jährigen Kindern<br />

zum Beispiel, dem Handlungsimpuls in<br />

einer emotional erregenden Situation zu<br />

widerstehen (32).<br />

Auch das Temperament des Kindes ist<br />

ein wichtiger Einflussfaktor – besonders<br />

die sogenannte negative Reaktivität oder<br />

Reizbarkeit des Kindes (33). Negative Reaktivität<br />

bedeutet, dass diese Kinder dazu<br />

neigen, in hohem Maße Wut, Frustration,<br />

Reizbarkeit, Nervosität, Angst oder Traurigkeit<br />

zu erleben. Dies wirkt sich wiederum<br />

auf das elterliche Verhalten aus und<br />

macht auch ein größeres Maß an Emotionsregulationsfähigkeiten<br />

nötig, um<br />

diese starken Gefühle zu beherrschen.<br />

GS aktuell 144 • November 2018<br />

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