Berliner Kurier 29.11.2018
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KULTUR<br />
SEITE19<br />
BERLINER KURIER, Donnerstag, 29. November 2018<br />
Matthias Harder,Leiter der Helmut-Newton-Stiftung,<br />
inmitten seiner Exponate.<br />
Fotos: Sabine Gudath<br />
Auch wenn man es anders<br />
vermuten würde: „Es ist<br />
das erste Mal in der 14-jährigen<br />
Geschichte des Hauses, dass wir<br />
eine reine Akt-Ausstellung machen“,<br />
sagt Matthias Harder,<br />
Leiter der Helmut-Newton-Stiftung<br />
mit einemLächeln. Ebenso<br />
ist es das erste Mal, dass wir Akt-<br />
Fotografiendes Kult-Regisseurs<br />
David Lynch sehen –bekannt<br />
bisher nur für seine abgründigen,<br />
unheimliche Filme wie die<br />
Serie „Twin Peaks“.<br />
„Saul Leiter. David Lynch,<br />
Helmut Newton: Nudes“, so<br />
heißt der Titel der Ausstellung<br />
im Museum für Fotografie am<br />
Zoologischen Garten. Nudes, so<br />
heißt auchein Fotobuch von David<br />
Lynch, das Harder unlängst<br />
in die Hände fiel und ihn zu dieser<br />
Ausstellung inspirierte.<br />
25 Bilder des Filmemachers<br />
sind jetzt überlebensgroß im<br />
Hauptraum des Museums zu sehen.<br />
Harder wählte sie gemeinsam<br />
mit Lynch aus: „Wir sind<br />
sehr froh, dass wir die erste Institution<br />
sind, die diese Bilder in<br />
Still, intim, fast schüchtern<br />
Die Helmut-Newton-Stiftung zeigt zum ersten Mal auch Aktaufnahmen von Saul Leiter und Star-Regisseur David Lynch<br />
einer Ausstellung zeigt“. Regelrechte<br />
Körperlandschaften sind<br />
das, eine nackte Schulter, ein<br />
übergeschlagenes Bein – alles<br />
andere kann nur erahntwerden.<br />
Lynch, der nicht über seine Arbeit<br />
und Bilder spreche, offenbart<br />
hier einmal mehr seine Leidenschaft<br />
für das Mysterium.<br />
Ungewöhnliche Licht- und-<br />
Schatten-Kontraste unterstreichen<br />
das beinahe schon Abstrakte<br />
dieser Bilder. „Es sind Akte,<br />
bei denen man sich nicht unwohl<br />
fühlt“, sagt Harder.<br />
Seit der Darstellung der Venus<br />
von Willendorf vor rund30000<br />
Jahren gebe es das Thema Akt,<br />
betont Harder. „Im Werkfast jeden<br />
Fotokünstlers taucht es irgendwann<br />
auf“.<br />
So hat der Fotograf und Maler<br />
Saul Leiter (1923-2013), Sohn eines<br />
jüdischen Talmud-Lehrers,<br />
in der Geschichte der Fotografie<br />
als einer der wichtigsten Vertreter<br />
der „New York School“ einen<br />
festen Platz. Er revolutionierte<br />
das Genre bereits in den<br />
40er- und 50er-Jahren mit melancholischen,<br />
tiefgründigen<br />
Straßen-Aufnahmen, wie als<br />
Mode-Fotograf für Harper’sBazaar,<br />
Elle oder Vogue.<br />
Seine Bilder wirken oft wie aus<br />
dem Fenster geschaut, Leiter<br />
baut Leerflächen und Betonwüsten<br />
ein, die einen Effekt der<br />
Entfremdung erzeugen. Umso<br />
spektakulärer, dass nun erstmalig<br />
Akte dieses außergewöhnlichen<br />
Künstlers ausgestellt werden.<br />
Es sind private, stille, intime<br />
Aufnahmen, die er selbst<br />
entwickelte.<br />
Leiter behielt sie zu Lebzeiten<br />
stets unter Verschluss. Die Modelle<br />
waren Freundinnen oder<br />
Geliebte, die er in seiner New<br />
Yorker Wohnung porträtierte.<br />
Es sind zum Teil sehr kleinformatige<br />
Schwarz-Weiß-Aufnahmen,<br />
aber auch Farbbilder und<br />
Farbüberzeichnungen.<br />
„Leiter nähert sich der Frau<br />
fast schüchtern, nicht alle sind<br />
nackt. Er verbindet das Voyeuristische<br />
des Fotografen mit<br />
dem Exhibitionischen der Frauen,<br />
und es scheint die Natürlich-<br />
Kuhns<br />
Kulturstück<br />
Helmut Kuhn<br />
schaut,liest<br />
und hörtfür<br />
den KURIER.<br />
keit der Nacktheit auf.“ Erst<br />
nach Leiters Tod wurden die<br />
unterschiedlichen Aspekte seines<br />
Werkes von der Direktorin<br />
der Saul-Leiter-Foundation,<br />
Margit Erb, aufgearbeitet. Harder<br />
reiste nach New York und<br />
traf mit ihr die Auswahl zu 200<br />
Bildern. Am Samstag werden<br />
Margit Erb und Matthias Harder<br />
Besucher durch die Ausstellung<br />
von Saul Leiter führen, Erb<br />
spricht dabei zum Werk. Die<br />
Tour ist im Ticketpreis inbegriffen.<br />
Und dann natürlich Helmut<br />
Newton. Selbstredend dekliniert<br />
die Stiftung das Werk des<br />
2004 in Los Angeles verstorbenen<br />
Künstlers auf viele Weise<br />
durch. Auch hier finden sich 40,<br />
zumindest selten gezeigte Bilder.<br />
Etwa 100 sind es insgesamt,<br />
von lebensgroß bis Polaroid.<br />
Newton begann mit der Aktfotografie<br />
in den 70er-Jahren, die<br />
Serien „Naked and Dressed“<br />
und „Big Nudes“ machtenihn in<br />
den 80er-Jahren weltberühmt.<br />
So bilden die drei Räume ein<br />
ungewöhnliches Triptychon:<br />
„Helmut Newton musste Saul<br />
Leiter gekannt haben. David<br />
Lynch wiederum hat Newton<br />
selbst porträtiert. Zum ersten<br />
Mal sind diese Fotografen in einer<br />
Ausstellung vereint“, sagt<br />
Harder.<br />
„Saul Leiter. David Lynch,<br />
Helmut Newton: Nudes“,<br />
Ausstellung der Helmut-<br />
Newton-Stiftung, Museum<br />
für Fotografie, Jebensstraße<br />
2, 1.12. bis 19.5. 2019, 10 Euro.