14.01.2019 Aufrufe

Society 359 / 2011

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KUNST UND KULTUR<br />

PORTRÄT<br />

Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien für José Carreras<br />

Mit der Seele singt er von<br />

Liebe und Leidenschaft<br />

„Singen ist meine große Leidenschaft, dem Gesang gehört meine ganze Liebe. Es ist nicht<br />

bloß mein Beruf, es ist meine Berufung“, erzählt Startenor José Carreras im Gespräch mit<br />

Roman Bartl.<br />

José Carreras erhält<br />

die Goldene Ehrenmedaille<br />

der Stadt Wien<br />

Der Stadtsenatssitzungssaal des<br />

Wiener Rathauses an einem<br />

späten Vormittag. Da, wo sonst<br />

das politische Wort regiert, hängt<br />

nun der Himmel voller Geigen. Ein<br />

Streichquartett der Wiener Philharmoniker<br />

spielt walzerseelige Melodien<br />

des virtuosen Komponisten<br />

Fritz Kreisler unter dem Gemälde<br />

des legendären Bürgermeisters Helmut<br />

Zilk. In der Mitte des Raumes,<br />

der ersten Reihe etwas vorgelagert,<br />

sitzt einer der Superstars der internationalen<br />

Opernbühnen der<br />

1970er bis 90er Jahre, der als einer<br />

der „Drei Tenöre“ unsterbliche<br />

Musikgeschichte schrieb, nachdem<br />

er selbst dem nahenden Tod durch<br />

Leukämie auf wunderbare Weise<br />

entkommen und seinen Fans, wie<br />

auch der klassischen Musikszene erhalten<br />

geblieben ist. War Luciano Pavarotti<br />

in dem Triumvirat der<br />

Stimmgewaltige, Placido Domingo<br />

der künstlerisch Vielseitige, so war<br />

und ist José Carreras gewiss der<br />

Seelenvolle, der nicht zuletzt durch<br />

seine schwere Krankheit eine hohe<br />

menschliche Qualität und seine ganze beseelte<br />

Persönlichkeit in seine Stimme, wie<br />

auch sein Wesen zu legen weiß. „Wer an<br />

Musik denkt, denkt auch an José Carreras.<br />

Wie wenige Künstler hat der Tenor die<br />

Opernwelt geprägt“, schrieb einst ein namhafter<br />

Kritiker. Nun ist er nach Wien zurückgekehrt,<br />

in jene Stadt, die für den<br />

künstlerischen Kosmopoliten neben seiner<br />

Heimatstadt Barcelona die wichtigste seiner<br />

Karriere und seines Lebens ist. Er erhält<br />

während einer stilvollen Feier aus den Händen<br />

von Kulturstadtrat Mailath-Pokorny die<br />

Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien. In<br />

den engen Sitzreihen hinter ihm drängt<br />

sich alles, was in der klassischen Musikwelt<br />

Bedeutung hatte, hat oder haben wird. Ich<br />

sitze in der letzten Reihe. Hinter mir zwischen<br />

einigen Cocktailstehtischen die<br />

Claque, wie am Stehplatz bei unvergesslichen<br />

Opernabenden.<br />

***<br />

Der Opernskandal hat in Wien<br />

Tradition<br />

Einer der am längsten dienenden Operndirektoren<br />

der Wiener Musikgeschichte,<br />

Ioan Holender, lauscht einige Reihen vor<br />

mir der Laudatio seines Nachfolgers Dominique<br />

Meyer. Dieser sinniert gerade am<br />

Rednerpult darüber, dass der Tenorissimo,<br />

würde er sich all seine Orden und Ehrenzeichen<br />

an die Brust heften, einem russischen<br />

General aus den Zeiten des Kommunismus<br />

gleichen würde. Und doch bedeutet José<br />

Carreras diese Auszeichnung besonders<br />

viel, wie er mir in einem Gespräch nach seiner<br />

Feierstunde versichert. Er erzählt<br />

mir, dass ein Besuch von Wien<br />

ihm stets das Gefühl vermittelt,<br />

nach Hause zu kommen. „Wien hat<br />

das beste Publikum der Musikwelt“,<br />

gerät er ins Schwärmen: „Aufgrund<br />

des Wissens, aufgrund des Respekts,<br />

den das Wiener Publikum<br />

den Künstlern entgegenbringt und<br />

weil es sich auch nicht davor<br />

scheut, seinen Enthusiasmus zu zeigen.<br />

Wien ist die einzige Stadt der<br />

Welt, in der der Operndirektor in<br />

regelmäßigen Abständen in den<br />

Schlagzeilen der Tageszeitungen<br />

auftaucht. Der ‚Opernskandal‘,<br />

meist ohnehin nur ein Skandälchen,<br />

hat hier Tradition und gehört<br />

zu Wien wie das Salz in die<br />

Suppe. Und dann kann es passieren,<br />

dass sich plötzlich Leute über die<br />

Staatsoper erregen, die in ihrem Leben<br />

noch nie einen Fuß in das<br />

Opernhaus gesetzt haben.“<br />

Er erzählt mir amüsiert über<br />

eine besonders seltene, wie auch<br />

sehr peinliche Panne während einer<br />

Tosca-Vorstellung 1982, von der ich<br />

nichts wusste, da ich damals im Ausland<br />

gelebt habe: Das Erschießungskommando<br />

im 3. Akt erschien einfach nicht auf der<br />

Bühne. Die uniformierten Statisten saßen<br />

gemütlich in der Kantine, statt auf der<br />

Terrasse der Engelsburg aufzumarschieren.<br />

Da daher die tödlichen Schüsse auf Cavaradossi<br />

ausblieben, sah Tenorkollege Nicola<br />

Martinucci nur den Ausweg,<br />

fluchtartig in die Kulissen zu verschwinden<br />

und seine Tosca, Montserrat Caballé, etwas<br />

verstört zurück zu lassen, worauf das Publikum<br />

in schallendes Gelächter ausbrach.<br />

So gab es zum hochdramatischen Finale<br />

der Oper Lach- statt Gewehrsalven, während<br />

Montserrat tapfer aber ziemlich verloren<br />

den Tod ihres nicht mehr anwesenden<br />

Geliebten beklagte.<br />

FOTOS: NORBERT KÖSSLER<br />

104 | SOCIETY 3/4_11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!