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Society 359 / 2011

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***<br />

Straßenkonzert in Perelada<br />

Während zum würdigen Abschluss der<br />

Ehrung die vier philharmonischen Herren<br />

zur Fiedel griffen, versank ich noch einmal<br />

in Tagträumen und erinnerte mich an unvergessliche<br />

Erlebnisse mit dem tenoralen<br />

Maestro. Seinen zweiten Liederabend nach<br />

seiner schweren Krankheit gab „Don José“<br />

im bezaubernden kleinen Festspielstädtchen<br />

Perelada, in der Nähe von Barcelona.<br />

Hier organisierte sein Manager Carlos Caballé,<br />

der Bruder der großen Diva Montserrat,<br />

ein Festival. Es war Mitte August 1988 und<br />

ich reiste auf Einladung Herrn Caballés mit<br />

einem Kamerateam an die Spanische Mittelmeerküste.<br />

Am Nachmittag vor dem triumphalen<br />

Konzert, das vor der Kulisse eines<br />

wunderschönen Wasserschlosses stattfand,<br />

spazierten die aus aller Welt, vor allem aber<br />

aus Katalonien angereisten Fans, wie auch<br />

die anwesende Spanische Königin Sophia,<br />

die Griechische Ex-Königin Annemarie und<br />

Lady Di durch die Gassen des bezaubernden<br />

kleinen Städtchens. Auch ich war mit meinen<br />

Kollegen auf Motivsuche unterwegs.<br />

Mit einem Mal erklang irgendwoher wundervolle<br />

Musik. Montserrat Caballé hatte einen<br />

Flügel auf einen der Plätze transportieren<br />

lassen und gab ein spontanes<br />

Straßenkonzert. Uns alle, auch die drei königlichen<br />

Damen, zog es zu dieser Plaza, wo<br />

eine mir unvergessliche, einzigartige Stimmung<br />

herrschte. Jubelnde Dorfbewohner<br />

und Touristen, kreischende Babys, lachende<br />

Kinder, bellende Hunde. Die Zuschauer bevölkerten<br />

die Straßen ringsum, saßen auf<br />

Dächern, kletterten aus Fenstern, drängten<br />

sich auf den winzigen Balkonen, um Spaniens<br />

populärster Sängerin zu lauschen.<br />

Wir waren mit einem mal eine große Familie,<br />

geeint durch die geheimnisvollen Bande<br />

der Musik. Diese trugen dann auch den großen<br />

José Carreras durch seinen Liederabend,<br />

der ein unvorstellbarer Triumph mit nicht<br />

enden wollenden Ovationen war und der<br />

vom spanischen Fernsehen live übertragen<br />

wurde. Ich bin heute noch dankbar, dass ich<br />

das miterleben durfte.<br />

***<br />

Unprätentiöser Star<br />

Nun ist der Höhepunkt der Feierstunde<br />

gekommen. Der Liebling der Musen und der<br />

Opernfans nimmt seine goldene Ehrung<br />

entgegen umringt von dutzenden Photographen,<br />

die den Saal in gleisendes Blitzlichtgewitter<br />

tauchen. Ich schließe die Augen<br />

und tauche wieder ins Reich der<br />

Erinnerung ab. Ein Monat nach dem Liederabend<br />

an der Costa Brava fand ein<br />

„Abend mit José Carreras“ an der Wiener<br />

Staatsoper statt. Einen Tag davor gab es im<br />

Hotel Sacher ein Treffen mit dem „José Carreras<br />

Fanclub“, der ein riesiges Transparent<br />

mit der Aufschrift „Willkommen José“ an<br />

der Opernfassade anbringen ließ. Die Clubpräsidentin<br />

hatte ihre Begrüßungsrede auf<br />

Katalanisch einstudiert und José war von der<br />

Herzlichkeit seiner meist weiblichen Fans<br />

sichtlich berührt. Nie zuvor fasste das Haus<br />

am Ring so viele Zuschauer wie bei dem Liederabend<br />

tags darauf. Sogar auf dem abgedeckten<br />

Orchestergraben und der Hinterund<br />

den Seitenbühnen waren Sitzreihen<br />

aufgestellt. Vom Bundespräsidenten abwärts<br />

war alles, was in Politik, Wirtschaft, Kultur<br />

und Gesellschaft Rang und Namen hatte, gekommen.<br />

Sogar die behandelnden Ärzte aus<br />

Barcelona und Seatle waren angereist und<br />

natürlich seine gesamte Familie. Seinen<br />

neun Jahre älteren Bruder Alberto, seine<br />

Schwester und seine beiden Kinder durfte<br />

ich dann später, an seinem 50. Geburtstag,<br />

kennenlernen. Nach einer vielumjubelten<br />

Bajazzo-Vorstellung fand sich die Familie in<br />

einem kleinen italienischen Restaurant bei<br />

der Oper ein. Ich war als einziger Medienvertreter<br />

mit meinem Kamerateam geladen<br />

und lernte an jenem Abend den unprätentiösen<br />

Menschen hinter dem Opernstar kennen<br />

und erlebte eine derart herzliche Atmosphäre<br />

und einen derart starken familiären<br />

Zusammenhalt, wie er wohl nur in mediterranen<br />

Verwandtschaften zu finden ist. Unter<br />

diesen Menschen fühlte ich mich sofort zu<br />

Hause.<br />

***<br />

Mailänder Waterloo<br />

Der offizielle Teil der Veranstaltung ist<br />

nun vorbei, Drinks werden gereicht, José<br />

steht vor einem riesigen Blumenarrangement<br />

und gibt geduldig Fernsehinterviews.<br />

Ich beobachte diesen wahrhaften Gentleman<br />

mit den angenehmen Manieren des<br />

vergangenen Jahrhunderts und bewundere,<br />

wie immer, seine elegante Garderobe. Als ich<br />

mich dann in einer langen Schlange von<br />

Gratulanten ihm entgegen bewege, erinnere<br />

ich mich zu guter Letzt noch an eine Begegnung<br />

in Mailand. José Carreras gab an<br />

der Scala, außerhalb der Staggione, einen<br />

Liederabend mit von Lucian Berio bearbeiteten<br />

Verdi-Liedern. Nach der Probe besuchte<br />

ich ihn in seiner Garderobe und fragte ihn,<br />

wo er wohl seine wunderschönen Krawatten<br />

kaufe. Er empfahl mir die Boutique von<br />

„Etro“ in der Via Monte Napoleone. Am<br />

Nachmittag suchte ich diese auf und deckte<br />

mich mit Krawatten und Stecktüchern ein.<br />

In meiner Euphorie nach Verdis wunderbarem<br />

Liedgut befiel mich ein wahrer Kaufrausch<br />

und ich besuchte in der noblen Einkaufsmeile<br />

zahlreiche Boutiquen von<br />

„Versace“ und „Valentino“ über „Hermes“<br />

bis zu „Gucci“. Nach der Vorstellung nahm<br />

ich dann an einem zu Josés Ehren gegebenen<br />

Abendesse in kleinem Rahmen Teil und<br />

brachte ihn zum Lachen, da ich ihm für seinen<br />

Tipp zu meinen wunderschönen Krawatten<br />

dankte, ihm aber mitteilen musste,<br />

dass die glanzvolle Via Monte Napoleone für<br />

mein Konto ein finanzielles Waterloo war.<br />

***<br />

Zum Singen geboren<br />

Als der schlimmste Trubel vorbei ist,<br />

nimmt sich der Startenor ein wenig Zeit für<br />

ein kleines Gespräch auch mit mir. Er erzählt<br />

mir, dass er kommenden Sommer bei<br />

den Salzburger Festspielen auftreten wird.<br />

Als er 2010 in Zürich ein Benefizkonzert für<br />

seine Stiftung gab, hat ihn Alexander Pereira<br />

für sein erstes Direktionsjahr an die Salzach<br />

eingeladen. Er freut sich schon sehr,<br />

verrät er mir, da, wo er an der Seite Herbert<br />

von Karajans riesige Triumphe feierte, wieder<br />

auf der Bühne stehen zu können. Ich<br />

muss ihm nun gestehen, dass ich die Opernabende<br />

mit ihm vermisse, da er 2004 zum<br />

vorerst letzten Mal Oper gesungen hat. Er<br />

antwortet mir offen, dass er sein Repertoire<br />

der 1970er, 80er und 90er Jahre nicht mehr<br />

wie damals darbringen könnte und den von<br />

ihm erwarteten hohen Standard nur in den<br />

klug ausgewählten Programmen seiner Konzertabende<br />

bieten kann. Er erzählt mir weiter,<br />

dass allerdings eine Oper für ihn in Arbeit<br />

ist, deren musikalische Proben<br />

vielversprechend seien und die 2013 Premiere<br />

haben könnte. So frage ich ihn zum<br />

Schluss, warum er sein vom Orchester der<br />

Wiener Volksoper unter der Leitung von<br />

David Giménez begleitetes Konzert am Tag<br />

darauf „Liebe und Leidenschaft“ betitelt<br />

hat. Er antwortet: „Singen ist meine große<br />

Leidenschaft, dem Gesang gehört meine<br />

ganze Liebe. Es ist nicht bloß mein Beruf, es<br />

ist meine Berufung. Ich weiß seit meinem<br />

elften Lebensjahr, als ich zum ersten Mal auf<br />

einer Bühne stand, dass Singen das ist, wofür<br />

ich geboren wurde.“ Zwinkert mir zu<br />

und eilt zu einem Champagnerempfang anlässlich<br />

der Eröffnung einer neuen Chopard<br />

Boutique, dessen Ehrengast er ist, da<br />

die Besitzerfamilie Scheufele mit ihm befreundet<br />

ist und stets reichlich für seine Leukämiestiftung<br />

spendet. Ich hingegen bin<br />

schon voll Vorfreude auf einen neuen José<br />

Carreras Abend, als ich die Treppen der<br />

Feststiege fröhlich hinab schreite.<br />

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