Society 359 / 2011
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RUMÄNIEN<br />
KOMMENTAR<br />
Starker Wirtschaftspartner Österreich<br />
Rumäniens dorniger Weg ins<br />
Schengen-Land<br />
Rumänien wird auf seinem Europa-Kurs gegenwärtig viel Geduld und Beharrlichkeit abverlangt.<br />
Vier Jahre nach dem Beitritt zur Europäischen Union ist es den zwei benachbarten EU--<br />
Partnern Rumänien und Bulgarien allerdings noch nicht geglückt, als Mitglieder in den<br />
Schengen-Raum aufgenommen werden. Von HERMINE SCHREIBERHUBER<br />
Groß war die Enttäuschung in den beiden<br />
osteuropäischen Staaten, weil der<br />
Beitritt in diesem Jahr nicht mehr<br />
vollzogen wird, auch nicht in Form einer<br />
Zwei-Phasen-Lösung. Für Rumänien wäre<br />
eine Aufnahme in den Schengen-Raum<br />
vor den für 2012 angesetzten Parlamentsund<br />
Kommunalwahlen als großer außenpolitischer<br />
Erfolg zu verbuchen gewesen.<br />
Der von Deutschland und Frankreich<br />
vorgelegte Kompromissvorschlag – Anfang<br />
Oktober <strong>2011</strong> Öffnung der Häfen und Flughäfen,<br />
Mitte nächsten Jahres Aufhebung<br />
der Festlandgrenzen – gelangte im EU-<br />
Innenministerrat im September nicht<br />
mehr zur Abstimmung. Die Bedenken der<br />
Niederlande und Finnlands waren nicht<br />
auszuräumen. Eine Entscheidung soll nun<br />
auf EU-Gipfelebene fallen.<br />
Begründet wurde die Ablehnung der<br />
Schengen-Reife, auch seitens der EU-Kommission,<br />
mit Defiziten im Kampf gegen die<br />
Korruption. Der technische Acquis gilt als<br />
erfüllt. Vergeblich pochten rumänische<br />
Regierungsvertreter auf die verstärkten<br />
Anti-Korruptions-Maßnahmen Bukarests,<br />
wie die Einrichtung einer eigenen Anti-<br />
Korruptions-Staatsanwaltschaft und die<br />
Schaffung einer Abteilung für Korruptionsbekämpfung<br />
im Innenministerium.<br />
Die polnische EU-Ratspräsidentschaft<br />
warnte angesichts der Verzögerung vor einer<br />
Vertrauenskrise in der Europäischen<br />
Union. Bulgarien sprach von einem ungerechten<br />
Aufschub, Rumänien befürchtet,<br />
dass die Euro-Finanzkrise das Thema<br />
Schengen von der EU-Tagesordnung verdrängen<br />
werde. Österreich hatte seinerseits<br />
der EU-Kommission signalisiert, dass<br />
es mit dem Zwei-Stufen-Kompromiss gut leben<br />
könnte.<br />
***<br />
Bukarest will Europa-Engagement<br />
stärken<br />
Mit oder ohne Schengen – Rumänien<br />
CURRICULUM VITAE<br />
Mag. Hermine Schreiberhuber<br />
absolvierte Studien an<br />
den Universitäten Wien und<br />
Paris (Dolmetsch, Publizistik,<br />
Kunstgeschichte, Politologie).<br />
Danach war sie als Übersetzerin,<br />
Dolmetscherin, Reiseleiterin<br />
sowie freie Journalistin<br />
tätig und arbeitete an<br />
den österreichischen Vertretungsbehörden<br />
in Spanien und Frankreich. Sie war stellvertretende<br />
Ressortleiterin für Außenpolitik bei der Austria<br />
Presse Agentur (APA). Ferner verfasst sie Reportagen für<br />
Wochenzeitungen wie „Die Furche“ und wirkt an politischen<br />
Büchern mit.<br />
hat sich Europa auf die Fahnen geschrieben.<br />
Kürzlich wurde ein neues Ministerium<br />
für Europäische Angelegenheiten geschaffen.<br />
Der ausgewiesene EU-Experte<br />
Leonard Orban soll für eine bessere Nutzung<br />
von EU-Geldern sorgen. Nur knapp 14<br />
Prozent der für Rumänien vorgesehenen<br />
Finanzierungen wurden bisher beansprucht;<br />
über 19 Mrd. Euro stünden bis<br />
2013 zur Verfügung. Die Nutzungsrate soll<br />
nun bis Jahresende auf 25 Prozent angehoben<br />
werden.<br />
Staatspräsident Traian Basescu plädierte<br />
unterdessen dafür, das Ziel des gemeinsamen<br />
und starken Europa nicht aus den<br />
Augen zu verlieren. Gegen die Großmächte<br />
USA und China könne nur eine Art<br />
„Vereinigte Staaten von Europa“ durch<br />
massiven Verzicht auf nationale Souveränität<br />
bestehen, betonte er im Sommer. Gemeinsame<br />
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />
und Sicherheit seien hierfür die<br />
Grundpfeiler, so Basescu.<br />
Innenpolitisch will Rumänien an seinem<br />
seit 2010 eingeschlagenen harten Sparkurs<br />
festhalten. Einsparungen im öffentlichen<br />
Dienst bis 2014 sollen jährlich rund<br />
400 Millionen Euro erbringen. Die Ausweitung<br />
der Staatsschulden konnte auf diese<br />
Weise gestoppt werden. Immerhin ist Rumänien<br />
einer der erfolgreichsten Verschuldungsbekämpfer<br />
unter den EU-Partnern.<br />
Als starker Partner präsentierte sich Rumänien<br />
zuletzt gegenüber dem Weltwährungsfonds.<br />
Staatschef Basescu betonte vor<br />
Vertretern von IWF und Weltbank, dass<br />
sein Land weitaus besser dastehe als andere<br />
EU-Staaten. Für das Gesamtjahr <strong>2011</strong><br />
wird ein Wirtschaftswachstum von bis zu<br />
zwei Prozent, für 2012 ein Anstieg von 4,4<br />
Prozent prognostiziert.<br />
***<br />
Österreich ein wichtiger Investor<br />
Zwischen Österreich und Rumänien hat<br />
sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs,<br />
aber vor allem seit dem EU-Beitritt Rumäniens<br />
2007 eine enge bilaterale Wirtschaftspartnerschaft<br />
entwickelt. Nach den<br />
Niederlanden ist Österreich der zweitgrößte<br />
Investor in dem Donau-Staat. Mehr als<br />
zehn Milliarden Euro haben österreichische<br />
Unternehmen dort nach Angaben der<br />
Wirtschaftskammer Österreich investiert.<br />
Der Löwenanteil entfällt auf die OMV –<br />
durch die Übernahme der rumänischen Erdölgesellschaft<br />
Petrom, und die Erste Bank<br />
– durch den Erwerb der Banca Comerciala<br />
Romana BRC. Zuletzt erhielten die österreichischen<br />
Baukonzerne Strabag und Alpine<br />
den Zuschlag für bedeutende Straßenbauprojekte.<br />
Die Europa-Route ist mühsamer geworden,<br />
vor allem seit die EU die Folgen der Finanzkrise<br />
zu bewältigen hat, die den Partnern<br />
ein Maximum an Solidarität<br />
abverlangen. Rumänien hat bewiesen, dass<br />
es sein Europa-Engagement ernst nimmt.<br />
Es wird sich auch durch Verzögerungen<br />
beim Eintritt in den Schengen-Raum nicht<br />
von seinem Weg abbringen lassen.<br />
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