LIFE UND STYLE MODE „Die Mode ist nur die jüngere, ausgelassenere, quecksilbrige, grenzenlos eitle, Stände und Nationen herrisch über einen Kamm scherende und von allen Hunden der Neuerungssucht gehetzte Schwester der Tracht. Dieser nachgeborene Kobold, die Mode eben, hat die ältere, gesetztere Schwester aufs Land verbannt.“ FRIEDRICH THEODOR VISCHER, 1789 Deutsche Tracht aus der Sicht von Susanne Bisovsky 98 | SOCIETY 3/4_11
Susanne Bisovsky Nichts ist unmoderner als der modische Höhepunkt einer Zeit Vielleicht können Modedesigner auch ohne die Beeinflussung durch die Geschichte der Bekleidung auskommen. Damit lassen sie sich aber die Zusammenkünfte und das Erlernen von Techniken, die von Belang sind, entgehen. FOTOS: KOLLEKTION FRIDA: WOLFGANG ZAJC, KOLLEKTION INNOCENTIA/MITGIFT3: PETER OLSCHINSKY/VERENA WEISS, KOLLEKTION EVERLASTING COLLECTION3: JOHANNA WOHLRAB Der Begriff „Tracht“, auf den man Susanne Bisovsky oft festnageln wollte, wurde wie viele andere Begriffe als Mittel zur Instrumentalisierung geschaffen. Reste davon finden sich noch heute in oft verwendeten Begriffen wie „Originaldirndl“, „Originaltracht“. Die Formensprache und Schnitte dieser „Original-Teile“ gehen aber auf die Arbeit einer einzigen Person zurück, die im Auftrag der Machthaber die Vielfalt vereinheitlichte. Das wird bis heute ohne Widerspruch übernommen. Eine Fälschung als zünftige Wiesngaudi, ein Trachten-Dirndl- Lederhosen-Hype, der einer ernsthaften Beschäftigung mit der Materie zumindest in die mediale Quere kommt. Susanne Bisovsky ist nur insofern an „Tracht“ und „Design“ interessiert, sofern sie einerseits aus dem Gebrauch im Alltag kommen oder andererseits optisch den Atem rauben (obwohl mitunter gar schwer zu tragen und somit alltagsuntauglich). Sie sammelt Geschichten und Berichte aus der Welt des Kleidertragens, dem Benutzen und den Benutzern von Gewand und ist damit folgerichtig auch bei dieser langsamen Gewandform gelandet. Daraus konstruiert sie jedoch kein PR-Dekors oder schwimmt auf den sich ewig wiederholenden Retrobewegungen. Im Gegenteil. Der mediale Overkill und die offensichtliche Bedeutungslosigkeit der unzähligen Events, Awards oder Charitys hält sie davon ab, sich in eine spezifische Öffentlichkeit zu integrieren oder sich auf den angebotenen Präsentationsflächen zu zeigen. Mit erfrischender Konsequenz nimmt sie nicht am hysterischen Modegeschehen oder Trachtengaudium teil. *** Unbefleckte Empfängnis Susanne Bisovsky agiert instinktiv (aber im selben Maße willentlich) nicht hip oder avantgardig, „damit Modisches nicht auf sie abfärbe“. Das hat marginalen Wert in den Augen der Lifestyle-<strong>Society</strong>, aber gerade diese „erarbeitete Jungfräulichkeit“ schärft den untrüglichen, unbestechlichen INFO Susanne Bisovsky hat für Helmut Lang, J.C.Castelbajac, Kathleen Madden und Austrian Embroideries designt. Momentan ist sie unter anderem für Sportalm/Kitzbühel tätig. Kooperationen wurden mit Herend, Hämmerle, Lobmeyr, Swarovski, Backhausen, Augarten u.v.m. realisiert. Blick. „Befleckung passiert automatisch dadurch, dass man lebt und atmet… dadurch werde man ausreichend beeinflusst!“, sagt die Modemacherin. Sie kreiert Haute Couture für die immer umfangreicher werdende, programmatische „Everlasting Collection“ (zuletzt „Innocentia“, wo sie auf Spuren des Brauchtums deutscher Minderheiten, z.B. der Sorben wandelt, auch das Ergebnis eines längeren Aufenthalts in Polen). Die unablässige Arbeit an ihrem Stil hat zudem ein bemerkenswertes Archiv entstehen lassen: Kleidung wider die Pest, Backen von Röcken, Bedeckung wider die Hoffart, Blutrock, gekalkte Hüte, gepiercte Flügelhauben, Arten der Trauer und daraus resultierende Regeln des Kleidens oder ein Leben lang nicht gewaschene Kleidungsstücke… Diese Geschichten beinhalten natürlich spezielle Oberflächen und Technologien und diese werden von Susanne Bisovsky aufgegriffen und transponiert. Stets hat sie das vermeintliche „Unvermögen“ der „Tracht“ inspiriert: Vorhandenes, aus welchen Gründen auch immer, weiterzuverwenden, aufzutrennen, zu wenden, zu stückeln und wieder anzunähen und daher immer (und zwangsläufig) in Stil und Material, in Lesbarkeit und innerhalb der Gemeinschaft stimmig zu bleiben. In ihren Prêt-à-porter-Kollektionen hat sie, um im Gegensatz zum unausgegorenen Rhythmus von Mode genauer vorgehen zu können, das laufend erweiterbare Bekleidungsmodell „Mitgift“ (engl. Dowry) entwickelt: „Mitgift“ bleibt sich in Design, Musterung und Look über einen langen Zeitraum treu. Ein erweiterbarer Basisbestand an Kleidung und Accessoires. Ein gut gefüllter Mitgiftschrank. *** Momentan: Ursuppe light Heute ist man in der Lage, alles kreuz und quer und sofort zu bekommen und zu blenden, stellt die Designerin fest. Das Unvermögen, mit der Übersättigung umzugehen (man denke zum Beispiel an den vergessenen Begriff des Schonens!), erzeugt ein ihrer Meinung nach verwirrtes Gesamtbild. Susanne Bisovsky ist in diesem Spiel nicht auffindbar. Aber vielleicht ist die Modemacherin gerade deswegen erfolgreich. KONTAKT SUSANNE BISOVSKY Salon Seidengasse 13 Brilliantengrund – Wien 7 Eröffnung im November <strong>2011</strong> Anmeldung und Infos unter: www.bisovsky.com SOCIETY 3/4_11 | 99