Society 359 / 2011
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KUNST UND KULTUR<br />
COVERSTORY<br />
Botero – Ein Ausnahmekünstler<br />
Lateinamerikanische Sinnlichkeit<br />
und Subversivität<br />
Die Bank Austria Kunstforum Direktorin Ingried Brugger im Gespräch mit SOCIETY über<br />
das „Massenphänomen Botero“ und dessen „scheinbare Naivität“. Von TANJA TAUCHHAMMER<br />
Wieso präsentieren Sie<br />
uns den Künstler Fernando<br />
Botero?<br />
Ich habe Botero deswegen<br />
gezeigt, weil er sicher<br />
einer der bekanntesten<br />
Künstler nach 1950 und einer<br />
der bedeutendsten<br />
Künstler Südamerikas dieser<br />
zweiten Jahrhunderthälfte<br />
ist. Südamerika interessiert<br />
mich vor allem im<br />
Zusammenhang mit der Kultur<br />
in der Auseinandersetzung<br />
mit der Frida Kahlo<br />
Ausstellung. Es ist ein Kontinent,<br />
der in seiner Vielfalt<br />
und Widersprüchlichkeit<br />
unglaublich spannend ist<br />
was sich auch in seiner<br />
Kunst spiegelt. Fernando<br />
Botero ist aber auch ein kosmopolitischer<br />
Künstler. Er ist ja nicht in Kolumbien geblieben,<br />
sondern hat auf der ganzen Welt<br />
seine Ateliers. Zusätzlich ist er auch in der<br />
internationalen Kunstszene sehr gut vernetzt.<br />
Natürlich wäre seine Kunst ohne<br />
den europäischen Kontext nicht zu denken<br />
gewesen, es ist aber eine Mischung aus<br />
dieser Tradition, die aus Südamerika<br />
kommt und die er auch immer forciert hat,<br />
und einem internationalen Kunstgeschehen.<br />
Das ist ein eigener Reiz. Er hat allerdings<br />
hier mit diesen wie aufgeblasen wirkenden<br />
Figuren, die etwas seltsam Hilfloses<br />
an sich haben, eine Marke kreiert, die als<br />
solche weltweit bekannt ist. Natürlich setzt<br />
eine Institution wie das Kunstforum auch<br />
auf Marken.<br />
Was erwartet den Besucher der Ausstellung?<br />
Wie werden die Reaktionen sein?<br />
Ich glaube die Leute werden sich sehr<br />
freuen. Es ist ein Fest der Sinne, der Fröhlichkeit<br />
und des Lebens. Es ist eine Kunst,<br />
die unglaublich nachdenklich macht und<br />
niemanden kalt lässt. Wir haben versucht<br />
Botero gerecht zu werden, indem wir auch<br />
Facetten seiner Arbeit zeigen, die nicht so<br />
bekannt oder beliebt sind. Botero hat die<br />
Fernando Botero, „Kartenspieler“,<br />
1991, Öl auf Leinwand<br />
Bilder der Folterszenen von Abu Ghraib gesehen,<br />
welche die Welt schockierten, und<br />
malte daraufhin in rascher Folge einen Zyklus<br />
dazu. Sie sind in einer Art und Weise<br />
drastisch gerade weil sie so manieriert sind.<br />
Gerade weil es ebenfalls diese dicken Figuren<br />
sind. Es geht wirklich an Herz und Nieren.<br />
Diese Bilder waren niemals ausgestellt<br />
oder im Handel. In den USA war dieser Zyklus<br />
ein großer Skandal, woraufhin Fernando<br />
Botero zur Persona non grata avancierte.<br />
Wenn man sich die Fotos ansieht, dann<br />
sind die Bilder noch erschreckender. Weil<br />
sie diese Übersetzungsleistung in ein anderes<br />
Medium haben und das bleibt beim Betrachter<br />
hängen.<br />
ZUR PERSON<br />
Ingried Brugger studierte Kunstgeschichte,<br />
Architektur und Germanistik<br />
in Wien und Berlin. 1988<br />
trat sie als Kuratorin in das<br />
Kunstforum ein, 1993 wurde sie<br />
stellvertretende Direktorin und<br />
im Jahr 2000 avancierte sie<br />
schließlich zur Direktorin.<br />
Was ist Ihrer Meinung<br />
nach das Besondere an<br />
Fernando Botero?<br />
Da gibt es zwei Aspekte:<br />
erstens existieren wenige<br />
Künstler, die so wenig<br />
einer Gruppe<br />
zugeordnet werden können<br />
wie Botero. Er ist<br />
sehr eigenständig und<br />
das ist an und für sich bemerkenswert.<br />
Das zweite<br />
ist, dass er einen visuellen<br />
Nerv trifft. Botero ist<br />
ein Massenphänomen,<br />
und das als wirklich guter<br />
Künstler.<br />
Inwiefern arbeitet Botero<br />
in der Tradition des<br />
südamerikanischen Bereichs?<br />
Es ist diese angebliche Volkstümlichkeit,<br />
diese scheinbare Naivität, welche<br />
auch Frida Kahlo besitzt, die aber in<br />
Wirklichkeit ein großes Raffinement<br />
darstellt. Genauso wie Frida Kahlo ist<br />
auch Fernando Botero natürlich kein<br />
naiver Künstler. Das ist vielmehr der Einsatz<br />
eines Kalküls. Er packt in diese Szenen,<br />
die vermeintlich aus der lateinamerikanischen<br />
Üppigkeit stammen, die<br />
Probleme unserer Welt. Darum zeige ich<br />
diesen Künstler so gerne. Ich denke, man<br />
hat ein falsches Bild von Botero: Das ist<br />
lustig, zynisch, seltsam oder monströs.<br />
Diese Vielschichtigkeit ist etwas Besonderes.<br />
Es sind Szenen, die scheinbar<br />
Leichtigkeit vorgaukeln: Fröhlichkeit,<br />
Feste, der Tanz, Menschen die sich umarmen,<br />
Menschen die zusammen arbeiten,<br />
aber das stimmt aber alles nicht. Es<br />
ist immer gleichzeitig totale Verzweiflung,<br />
unendliche Einsamkeit. Die Menschen<br />
stehen in überhaupt keiner Beziehung<br />
zueinander, genauso wie ihre<br />
Körper uneins sind. Sie wirken vollkommen<br />
nach innen gekehrt. Es sind diese<br />
verschiedenen Schichten die Botero zu<br />
einem großen Künstler machen.<br />
FOTOS: (C) FERNANDO BOTERO (BILD), BA KUNSTFORUM/HELENE WALDNER<br />
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