Society 366 / 2014/15

IRAN
KOMMENTAR
Der Feind ohne
Grenzen und die Zeit
der Vernunft
Ist die Zeit nicht gekommen, mit einem
ernsten, starken Willen, global gegen den
Extremismus und die Gewalt vorzugehen?
Text: Dr. Habibollah Malakooti Far
Extremismus und Gewaltanwendung
sind Phänomene,
die essentiell gegen die Natur
des Menschen und die
menschliche Vernunft sind,
geschweige grundsätzlicher
Inkongruenz mit der natürlichen Neigung
des Menschen. Im Gegensatz dazu sind auf
Vernunft basierendes Verhalten und eine
gemäßigte Politik, die fern aller Brutalität
und nicht kriegerisch sind, charakteristisch
für einen vernünftigen Menschen
und werden in allen Kulturen respektiert
und geachtet.
Extremismus und die Tendenz zur
Gewaltanwendung können verschiedene
Gründe und Wurzeln haben. Abgesehen
von den Gründen, die man dafür angibt
und wofür man sogar wissenschaftlich
belegbare Rechtfertigungen vorlegt, muss
man die Ursachen des Extremismus und
der Gewalt in der Unwissenheit der Menschen
suchen, und das ist der springende
Punkt, weshalb man in der iranischen Kultur
traditionell zu mehr Toleranz und einer
moderaten Haltung neigt. Je mehr ein
Mensch über sich selbst und über die Phänomene
in seiner Umgebung in Unwissenheit
steckt, umso mehr ist eine Bestärkung
des Dogmas von ihm zu erwarten
und der Exzess und die Strenge in seiner
Haltung zu erleben. Ali Ben Abutaleb (1),
einer der größten religiösen Persönlichkeiten
der islamischen Welt, bezeichnet
den Radikalismus und den Fanatismus als
Merkmale unwissender Menschen: „Der
ignorante Mensch verhält sich stets zweierlei:
entweder er übertreibt die Dinge
oder er vernachlässigt sie gänzlich.“
Der berühmte iranische Dichter Molana
(2) bezeichnet jede Art des Extremismus
und Fanatismus als Zeichen der
Ahnungslosigkeit und der Unwissenheit
des Menschen. Fanatismus, Strenge und
Extremismus sind für das individuelle Leben
aber auch für Familien eine Katastro-
70 | SOCIETY 2_2014