Society 366 / 2014/15
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DIPLOMATIE<br />
KOMMENTAR<br />
Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik<br />
Catherine Ashton und der iranische Außenminister Javad Zarif im<br />
Rahmen einer Gesprächsrunde zwischen den E3/EU+3 (Frankreich,<br />
Deutschland, Vereinigtes Königreich, China, Russland und USA) und<br />
dem Iran am Mittwoch, 09. April <strong>2014</strong>.<br />
Verbündeten. Härte und Kompromisslosigkeit<br />
gaben zuletzt den Ton an.<br />
Die iranische Führung wertete das vorläufige<br />
Scheitern der Wiener Gespräche<br />
als Ergebnis der konsequenten Haltung<br />
Teherans. Man habe sich nicht vom Westen<br />
in die Knie zwingen lassen, betonte<br />
der Oberste Führer Seyed Ali Khamenei, in<br />
Richtung Hardliner im eigenen Land. Zugleich<br />
sicherte er der Welt Unterstützung<br />
für die Fortsetzung der Atomverhandlungen<br />
zu. Jedenfalls bleiben beim Stand der<br />
Dinge die westlichen Wirtschaftssanktionen<br />
vorerst aufrecht.<br />
Wortkarger reagierte der Westen. Auf<br />
Seiten der USA dürften deren Verbündete<br />
Saudi-Arabien und Israel ihren Einfluss<br />
geltend gemacht haben, hart zu bleiben.<br />
Israel hat immer wieder seinen Argwohn<br />
gegen eine Annäherung an den Iran klar<br />
artikuliert. Die Führung in Riad hat im<br />
Ringen um geopolitischen Einfluss kein<br />
gesteigertes Interesse daran, dem Iran als<br />
einem starken politischen Akteur neue<br />
Handlungsspielräume zu verschaffen.<br />
•<br />
Zweckbündnisse gegen<br />
gemeinsamen Feind IS<br />
A la longue werden dennoch Kompromisse<br />
Voraussetzung für einen tragbaren<br />
Deal sein. In den letzten Monaten bahnte<br />
sich eine Entwicklung an, die den Atomkonflikt<br />
mit den kriegerischen Konflikten<br />
im Nahen Osten verknüpft. Zum Sprengstoff<br />
Atom gesellte sich der Sprengstoff<br />
IS. In der Terrormiliz „Islamischer Staat“<br />
(IS) ist den USA und dem Iran ein gemeinsamer<br />
Feind erwachsen. Es gilt den Vormarsch<br />
der Islamisten zu stoppen, über<br />
ideologische Grenzen und politische<br />
Feindschaften hinaus.<br />
„Amerikaner und Iraner haben einen<br />
gemeinsamen Gegner, aber keine gemeinsame<br />
Strategie“, analysierte die „Neue Zürcher<br />
Zeitung“. Die Kritik, mit der Teheran<br />
anfangs die von den USA geschmiedete Anti-IS-Allianz<br />
bedachte, ist der Suche nach<br />
Mitteln und Wegen gewichen, um eine<br />
Kooperation gegen die Islamisten diskret<br />
abzuwickeln. Erleichtert wird diese Kooperation<br />
der einstigen Erzfeinde dadurch,<br />
dass die USA im Irak militärisch nur aus<br />
der Luft angreifen, während der Iran am<br />
Boden Militärhilfe gegen den IS leistet.<br />
Die alte Faustregel „Der Feind meines<br />
Feindes ist mein Freund“ gilt nicht mehr.<br />
Denn die IS-Jihadisten bedrohen alle.<br />
Neue Zweck-Allianzen bildeten sich heraus.<br />
So standen Katar und die Türkei in<br />
Ägypten hinter der Muslim-Bruderschaft,<br />
Saudi-Arabien und die VAE hingegen hinter<br />
den Militärs. Alle finden sich in der Anti-IS-Allianz<br />
wieder. Doch die kurzfristige<br />
Abstimmung der Interessen ändert nach<br />
Ansicht von Experten nichts an tief sitzenden<br />
Rivalitäten, wie sie zwischen dem<br />
Iran und Saudi-Arabien bestehen.<br />
In einem anderen Fall könnte die Annäherung<br />
nachhaltiger sein. Die IS-Gefahr<br />
führte die einstigen Feinde Iran und Irak<br />
zusammen, die sich 1980-88 einen blutigen<br />
Krieg lieferten. Nun stehen beide<br />
Staaten Seite an Seite im Krieg gegen IS.<br />
Dem irakischen Ministerpräsidenten Haidar<br />
al-Abadi wurde in Teheran volle Unterstützung<br />
zugesichert. Der Iran werde<br />
bis zuletzt gegen IS kämpfen, so Präsident<br />
Hassan Rohani. Der Iran entsandte Militärberater<br />
für die irakischen Streitkräfte<br />
und die kurdischen Peshmerga-Kämpfer.<br />
•<br />
Schade um die grosse Chance<br />
Auch Österreich erhoffte sich von einem<br />
Atom-Deal und der damit verbundenen<br />
Embargo-Lockerung Auftrieb im<br />
Iran-Geschäft. 2013 lag der Wirtschaftsaustausch<br />
über der 200-Millionen-Marke.<br />
Wien hatte auch in schwierigen Zeiten<br />
einen guten Draht zur Islamischen Republik.<br />
Ein Besuch von Bundespräsident<br />
Heinz Fischer war lange im Gespräch; dies<br />
wäre die erste Visite eines Staatschefs aus<br />
den Reihen der EU seit fast zehn Jahren.<br />
Schade um die große Chance in Wien.<br />
Doch hier waren nicht nur Atomkraft<br />
und Atomwaffen im Spiel, sondern auch<br />
Macht und Öl. Die breite Öffentlichkeit<br />
hatte fest auf einen positiven Abschluss<br />
der Gespräche gehofft. Denn ein bedeutsamer<br />
Deal in Sachen Atomenergie hätte<br />
auch zur Annäherung von politischen Akteuren<br />
in einer brisanten Nahost-Region<br />
geführt, deren Konflikte ihre Schatten auf<br />
die ganze Welt werfen. Der Atom-Krimi ist<br />
noch nicht zu Ende. Ein weiteres Kapitel<br />
ist angesagt.<br />
•<br />
SOCIETY 2_<strong>2014</strong> | 87