architektur Ausgabe 1 2019
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
42<br />
Bau & Recht<br />
Das Urheberrecht<br />
des Architekten<br />
In der Praxis wird vielfach unter Berufung auf vermeintliche Leitentscheidungen<br />
des Obersten Gerichtshofes die Meinung vertreten, das Werk eines Architekten sei<br />
jedenfalls urheberrechtlich geschützt. Dies ist in vielen Fällen ein Irrglaube.<br />
Text: Mag. Matthias Nödl<br />
Nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG)<br />
genießen nur Werke urheberrechtlichen<br />
Schutz, die eine eigentümliche geistige<br />
Schöpfung auf den Gebieten der Literatur,<br />
der Tonkunst, der bildenden Kunst und<br />
der Filmkunst darstellen. Zu den Werken<br />
der bildenden Künste zählen ausdrücklich<br />
auch Werke der Baukunst. Allerdings – und<br />
da scheiden sich in der Praxis die Geister –<br />
ist nicht jedes Werk eines Architekten ein<br />
Werk der Baukunst!<br />
Insbesondere aus zwei Entscheidungen des<br />
Obersten Gerichtshofes, die als „Flughafen<br />
Wien“-Entscheidung und als „Hundertwasserhaus“-Entscheidung<br />
bekannt sind, hat<br />
die Praxis vielfach die Schlussfolgerung gezogen,<br />
dem Werk eines Architekten käme<br />
jedenfalls Urheberrechtsschutz zu. Diese<br />
Schlussfolgerung ist rechtlich verfehlt und<br />
auf eine glatte Fehlinterpretation dieser beiden<br />
Entscheidungen zurückzuführen. Dabei<br />
wird nämlich unberücksichtigt gelassen,<br />
dass sich die „Flughafen Wien“-Entscheidung<br />
gar nicht auf das Urheberrecht des<br />
Architekten beruft. Und bei der „Hundertwasserhaus“-Entscheidung<br />
steht augenscheinlich<br />
die Baukunst, also die richtungsweisende,<br />
einzigartige und exemplarische<br />
Gebäudegestaltung im Vordergrund.<br />
Wo Baukunst beginnt und wo sie aufhört,<br />
lässt sich nicht so ohne Weiteres beurteilen.<br />
Lehre und Rechtsprechung liefern dafür nur<br />
unbestimmte Anhaltspunkte, die aber zumindest<br />
eine gewisse Indikation in die eine<br />
oder andere Richtung ermöglichen. Besteht<br />
die Aufgabe des Architekten nur darin,<br />
Vorgaben und Erfordernisse der Bautechnik<br />
zeichnerisch/planerisch zweckmäßig<br />
umzusetzen, ohne dabei künstlerisch tätig<br />
zu werden, wird das daraus resultierende<br />
Bauwerk eher nicht als Werk der Baukunst,<br />
sondern eher als Werk der Bautechnik zu<br />
werten sein.<br />
Ein Werk der Baukunst liegt erst dann vor,<br />
wenn der Architekt das von ihm zu planende<br />
Bauwerk über die bloß zweckbezogene<br />
technische Konstruktion hinaus kreativ<br />
und künstlerisch gestaltet – das Bauwerk<br />
muss also eine gewisse Einzigartigkeit hinsichtlich<br />
Gestaltung und/oder technischer<br />
Innovation aufweisen, andernfalls ist das<br />
Bauwerk als „Massenprodukt“, als Werk der<br />
Bautechnik, nicht aber als urheberrechtlich<br />
geschütztes Werk der Baukunst zu werten;<br />
dies setzt insbesondere voraus, dass der<br />
Architekt die an ihn gestellte Planungsaufgabe<br />
überhaupt auf technisch verschiedene<br />
Art und Weise lösen kann.<br />
Bauwerke haben grundsätzlich immer technische<br />
Vorgaben bzw. einen bestimmten<br />
Zweck zu erfüllen. Der Gestaltungsspielraum<br />
des Architekten ist deshalb von vornherein<br />
beschränkt. Ob im jeweiligen Einzelfall Baukunst<br />
vorliegt oder nicht, ist davon abhängig,<br />
ob und inwieweit der Architekt den ihm,<br />
aufgrund der technischen Vorgaben, zur<br />
Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum<br />
künstlerisch bzw. kreativ ausnützt.<br />
Dies kann auch dazu führen, dass nur ein<br />
Teil eines Bauwerkes urheberrechtlich geschütztes<br />
Werk der Baukunst ist. Dies ist<br />
etwa der Fall, wenn das Bauwerk grundsätzlich<br />
keinen künstlerischen/kreativen Fokus<br />
hat, sondern sich Form und Funktion allein<br />
an bautechnisch zweckmäßigen Gegebenheiten<br />
orientieren, aber z. B. eine originelle<br />
Fassadengestaltung, einen künstlerischen<br />
Torbogen, einen einzigartig gestalteten<br />
Treppenaufgang etc. aufweist. Geschützt<br />
ist diesfalls nicht das gesamte Bauwerk,<br />
sondern nur die Fassadengestaltung, der<br />
Torbogen bzw. der Treppenaufgang.<br />
Liegt tatsächlich ein Werk der Baukunst<br />
vor, ist grundsätzlich nicht nur das Bauwerk<br />
selbst urheberrechtlich geschützt. Vielmehr<br />
fallen dann auch die Pläne, Modelle, Zeichnungen,<br />
Ansichten und Nutzungskonzepte<br />
unter den Urheberrechtsschutz, wenn sich<br />
darin bereits der Charakter bzw. die individuellen<br />
Züge des Bauwerks zeigen. Selbst<br />
die vom Architekten erstellte Leistungsbeschreibung<br />
ist unter diesem Gesichtspunkt<br />
geschützt. Die Idee als solche ist nicht geschützt.<br />
Vielmehr muss sich die Idee nach<br />
außen hin, z. B. in einem Entwurf, manifestieren.<br />
Auch der Stil des entworfenen Bauwerks<br />
ist nicht schutzfähig. Schutz genießt<br />
nur der Gegenstand, der den Stil prägt.