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KULTUR<br />
SEITE19<br />
BERLINER KURIER, Donnerstag, 25. April 2019<br />
VomMenschenrecht aufs Glücklichsein<br />
Foto: Volkmar Otto<br />
Bastian Kraft verbindet<br />
im Deutschen Theater<br />
Märchen von Hans<br />
Christian Andersen mit<br />
Biografien von Menschen,<br />
die sich verwandelt haben<br />
Regisseur Bastian Kraft<br />
inszeniert„ungly duckling“ im DT.<br />
In der amerikanischen Verfassung<br />
von 1787 gibt es einen<br />
einzigartigen, beneidenswerten<br />
Passus: Das Menschenrecht<br />
auf Streben nach Glück.<br />
Ganz individuell. „Ich träumte<br />
nie von soviel Glück, als ich<br />
noch das hässliche kleine Entlein<br />
war.“ Diesen Satz stellt der<br />
Regisseur Bastian Kraft, 38, seinem<br />
Stück „ugly duckling“ im<br />
Deutschen Theater voran.<br />
Bastian Kraft verbindet auf<br />
der Bühne zwei Geschichten<br />
des dänischen Erzählers Hans<br />
Christian Andersen, das Märchen<br />
vom hässlichen Entlein,<br />
das zum stolzen Schwan wird,<br />
und der kleinen Meerjungfrau,<br />
die sich aus Liebe zum Menschen<br />
verwandelt und auf ihre<br />
Stimme verzichtet, mit den Biografien<br />
dreier Drag Queens und<br />
Travestie-Künstler. Jade Pearl<br />
Baker, die mit „Voice of Germany“<br />
bekannt wurde, die <strong>Berliner</strong>in<br />
Gérome Castell und die Israelin<br />
Judy LaDavina. „Das ist<br />
eine sehr fruchtbare Kombination.<br />
In den Märchen wie in den<br />
Biografien geht es um Transformation,<br />
um Verwandlung.“<br />
Hans Christian Andersen<br />
(1805 bis 1878) war Schriftsteller,<br />
er schrieb Romane und Gedichte.<br />
Seine Märchen wurden<br />
Weltliteratur. Die Prinzessin<br />
auf der Erbse, des Kaisers neue<br />
Kleider. Ihr allegorischer Gehalt<br />
ist nicht nur für Kinder<br />
zeitlos geblieben. Das beweist<br />
auch die Inszenierung Krafts.<br />
Viel wurde in der Forschung<br />
darüber gestritten, ob Andersen<br />
schwul war. Das ist völlig<br />
unerheblich, passt aber in gewisser<br />
Weise zum Stück.<br />
Sechs Menschen stehen auf<br />
der Bühne. „Am Anfang sehen<br />
wir sie noch privat“. Im Laufe<br />
der Inszenierung verwandeln<br />
sie sich in ihre „Drag-Alter-<br />
Egos“ und erzählen ihre eigene<br />
Geschichte und Geschichten.<br />
Etwa Jérome Castell, die über<br />
die Travestie ihre eigene Transsexualität<br />
entdeckte und heute<br />
als Frau lebt. „Identitätsfindung<br />
und Geschlechtlichkeit“<br />
nennt Kraft das. Dabei gehe es<br />
ihm auch um die Erweiterung<br />
des Begriffs „Drag“: „Es gibt heterosexuelle<br />
Männer, die als<br />
Travestiekünstler auftreten,<br />
Drag Kings, Frauen oder Transfrauen.<br />
Drag ist offen für alle.“<br />
Die sechste Arbeit am Deutschen<br />
Theater des in Mittelhessen<br />
gebürtigen und am Wiener<br />
Kuhns<br />
Kulturstück<br />
Helmut Kuhn<br />
schaut,liest<br />
und hörtfür<br />
den KURIER.<br />
Burgtheater groß gewordenen<br />
Regisseurs sei vielmehr „ein<br />
Spiel mit Geschlechterrollen“.<br />
Vielleicht steckt in „ugly<br />
duckling“ auch diese einfache<br />
Botschaft: Es geht nicht um ein<br />
Märchen. Nicht um Drag<br />
Queens oder Drag Kings oder<br />
um die Möglichkeit einer dritten<br />
Toilette in öffentlichen Gebäuden.<br />
Es geht darum, das wir,<br />
wenn wir es wollen, jemand anders<br />
sein dürfen und können.<br />
Dass wir ein Menschenrecht<br />
auf Verwandlung und/oder<br />
vollständige Transformation<br />
und das Streben nach Glück<br />
haben. Und dass diese Freiheit<br />
akzeptiert und von allen anerkannt<br />
sein sollte.<br />
„ugly duckling“, Bastian Kraft,<br />
Deutsches Theater,Schumannstraße<br />
13 a, 25. April bis 28. Mai.<br />
echT kulTuR<br />
Wechselnde Besetzung<br />
5<br />
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