MEDIAkompakt Ausgabe 26
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart
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2/2019 HUMAN<br />
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Bild: Kathrin Briem<br />
Bild: Kathrin Briem<br />
I m Institut der künstlichen Augen<br />
Einem Ocularisten über den Weg zu laufen, ist sehr unwahrscheinlich: Weniger als 80 Personen<br />
üben diesen Beruf in Deutschland aus. Eine davon ist Rahel Feil aus Stuttgart, die mitten in der<br />
achtjährigen Ausbildung zur Herstellerin von Augenprothesen steckt. Ein Besuch.<br />
VON KATHRIN BRIEM<br />
Die lange Tradition der Augenprothesenherstellung<br />
aus Glas geht zurück<br />
in das kleine Dörfchen Lauscha im<br />
Thüringer Wald. Dort wurden die<br />
ersten Augenprothesen aus Glas im<br />
19. Jahrhundert hergestellt. Die meisten Ocularisten<br />
aus Deutschland haben Urahnen hier: So<br />
stammt auch Rahel Feils Ururgroßvater aus Lauscha.<br />
Bis heute sind die Beziehungen zu dem Glasbläserdorf<br />
eng: Immer noch beziehen sämtliche<br />
Hersteller von dort ihr Kryolithglas, dem Rohstoff<br />
für die Augenprothesen.<br />
Aus dem Glas werden zunächst halbfertige Augenprothesen<br />
geblasen, auf die mit bunten Farbstängel<br />
die Iris gezeichnet wird. Rote Glasfäden<br />
sorgen für die Äderchen. Im Stuttgarter Institut für<br />
künstliche Augen sind rund 8000 dieser halbfertigen<br />
Augenprothesen vorrätig. Jede davon ist ein<br />
Einzelstück. Kommt ein neuer Patient in das Institut,<br />
wird abgeglichen, ob eines der vorrätigen<br />
Exemplare in Frage kommt. Falls nicht, wird eine<br />
neue, individuell angepasste halbfertige Augenprothese<br />
erstellt. Aus der noch zunächst kugeligen<br />
halbfertigen Form wird dann die eigentliche Prothese<br />
herausgelöst. Danach hat sie keine runde,<br />
Bilder: Carolin Klein<br />
sondern eher eine schalenartige Form, die in die<br />
Augenhöhle eingesetzt werden kann. „Die Glasprothese<br />
begleitet den Patienten ungefähr ein<br />
Jahr, bevor sie wegen Abnutzungserscheinungen<br />
durch eine neue ersetzt werden muss“, erklärt Rahel<br />
Feil.<br />
Die individuelle Anpassung an Patienten erfordert<br />
nicht nur perfekte Beherrschung der Technik<br />
sowie künstlerisches Talent, sondern auch viel<br />
Geduld und Einfühlungsvermögen. Der Verlust<br />
eines Auges geht Patienten sehr nahe und ist oft<br />
verknüpft mit tragischen Schicksalsschlägen.<br />
Mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges versiegte<br />
die Lieferung von Lauschaer Kryolithglas<br />
nach Amerika. Aus der Not heraus wurde begonnen<br />
Augenprothesen aus Kunststoff zu fertigen.<br />
Diese Übergangslösung ist inzwischen weltweit<br />
Standard – bis auf den deutschsprachigen Raum.<br />
Hier arbeiten traditionsbewusste Ocularisten bis<br />
heute vorwiegend mit Glas.<br />
Dabei bietet Kunststoff Vorteile: So ist das Arbeiten<br />
mit diesem Material flexibler als das mit<br />
Glas. Mithilfe eines Abdruckes kann eine individuell<br />
auf die Augenhöhle abgestimmte Prothese<br />
hergestellt werden. Drückt oder zwickt es, kann<br />
nachgeschliffen oder zusätzliches Material angebracht<br />
werden. „Bei Glas muss jedes Mal eine<br />
komplett neue Prothese angefertigt werden“, erläutert<br />
Rahel Feil. Eine Kunststoffaugenprothese<br />
überzeugt auch durch ihre Tragedauer: Sie ist äußerst<br />
pflegeleicht und hält mehrere Jahre, sie muss<br />
lediglich einmal im Jahr poliert werden.<br />
Da es nur wenige dieser Spezialisten gibt, gehen<br />
Ocularisten regelmäßig auf Reisen. So auch<br />
das Institut für künstliche Augen aus Stuttgart, das<br />
in der Sonnenbergstraße ansässig ist. Für die Reisesprechstunden<br />
wird alles notwendige Werkzeug<br />
und Rohmaterial in einen Transporter gepackt<br />
und abwechselnd rund ein Dutzend Städte in der<br />
Schweiz und Süddeutschland angefahren. Dies ist<br />
wichtig für Patienten, die selbst nicht mehr mobil<br />
genug für die Reise ins Institut der künstlichen Augen<br />
sind. Insbesondere auch der dadurch entstehende<br />
enge Kontakt mit den Patienten und das<br />
Gewinnen deren Vertrauen, liegt dem Stuttgarter<br />
Ocularisten- Team am Herzen.<br />
Gründe ein Auge zu verlieren gibt es viele: Von<br />
Krankheiten, Kriegen, Unfällen bis hin zu angeborenen<br />
Defekten. Eines ist sicher: Eine Augenprothese<br />
hilft jedem Betroffenen, Lebensqualität zurückzugewinnen.<br />
www.augen-prothesen.de