MEDIAkompakt Ausgabe 26
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart
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2/2019 BODY<br />
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beim Tanzen auszudrücken. Eine Choreografie<br />
soll vom Tänzer nicht nur dekoriert, sondern definiert<br />
werden.“ Dabei spielen bereits die Haltung<br />
und der Blick eine wichtige Rolle. Die Zuschauer<br />
sehen, ob der Tänzer „nur“ steht oder ob er mit einer<br />
Intention steht und etwas vermitteln möchte.<br />
Der Direktor der John Cranko Schule, Tadeusz<br />
Matacz, sah in jedem Fall etwas in Fabio Adorisio,<br />
als er vor zehn Jahren in Stuttgart vortanzte. „Als<br />
ich mich bewarb, wusste ich über das hohe Ansehen<br />
und Niveau der Schule Bescheid“, sagt er. Der<br />
damals 15-Jährige erhielt direkt nach dem Probetraining<br />
eine Zusage für die Ballettausbildung an<br />
der John-Cranko-Schule, einer der berühmtesten<br />
Ballettschulen der Welt.<br />
Noch am selben Tag organisierte sich der<br />
Teenager ein Zimmer und den Umzug nach Stuttgart.<br />
„Ich war frei und konnte tun was ich wollte“,<br />
erzählt er lächelnd. Doch dieser neue Abschnitt in<br />
seinem Leben war ein großer Schritt. Er entschied<br />
sich endgültig für eine professionelle Tanzkarriere,<br />
wohnte, kochte und organisierte seinen Alltag<br />
selbst. Am Vormittag besuchte er den normalen<br />
Schulunterricht, von 14 bis 20 Uhr trainierte er.<br />
„Es war eine harte Zeit,<br />
„Und plötzlich hat<br />
sich an einem Tag<br />
mein ganzes Leben<br />
verändert.“<br />
aber ich habe genau das<br />
getan, was ich liebe und<br />
das hat mir enorme Kraft<br />
gegeben.“<br />
Nach zwei Jahren<br />
schloss Fabio seine Ausbildung<br />
ab und wurde in der<br />
Spielzeit 2013/2014 in die<br />
Compagnie übernommen.<br />
Sein Aufstieg war steil und so scheint es auch<br />
weiterzugehen. Im vergangenen Jahr beförderte<br />
ihn Reid Anderson zum Halbsolisten. „Ich denke,<br />
ich fiel durch meine harte Arbeit auf“, sagt der<br />
Tänzer, der bereits als Schüler eigene Werke choreografierte.<br />
Mit seinen eigenen Arbeiten hat sich Fabio in<br />
der Szene bereits einen Namen gemacht. Der Ballettintendant<br />
bot ihm letztes Jahr an, eine eigene<br />
Choreografie für den wichtigen Ballettabend „Die<br />
Fantastischen Fünf“ zu entwickeln. Ein Jahr zuvor<br />
präsentierte er in New York „Blind Thought“. Die<br />
Idee zu diesem eindringlichen Werk hatte Fabio,<br />
nachdem er die Skulptur „Flow“ der Künstlerin<br />
Satako gesehen hatte. „Ich mag die Konfrontation<br />
zwischen zwei Menschen, deswegen greife ich<br />
gern die Beziehung zwischen ihnen auf.“<br />
Wenn er selbst tanzt, bevorzugt er lustige Rollen,<br />
die das Publikum zum Lachen bringen, „auch<br />
wenn das die schwierigste Disziplin ist“, gibt Fabio<br />
zu. Ihm wurden schon einige Solorollen, z. B.<br />
in „Don Quijote“ und „La fille mal gardée“ anvertraut.<br />
„Wenn sich der Vorhang öffnet, lasse ich<br />
mich von meinen Gefühlen leiten. In diesem Moment<br />
weiß ich ganz genau, was ich dem Publikum<br />
zeigen möchte“, schwärmt er.<br />
Hinter dieser Hingabe steckt für Nicht-Balletttänzer<br />
ein Mysterium. Warum tut man sich das alles<br />
an? Das Hochgefühl beim Tanzen lässt sich<br />
schwer beschreiben, doch er versucht es: „Für<br />
mich ist Ballett wie eine Reise.“ „Man öffnet sich<br />
und teilt einen einzigartigen Moment mit dem<br />
Publikum. Ich bin verletzlich,<br />
angreifbar und kann<br />
andere mitfühlen lassen,<br />
was ich durchlebe.“<br />
Ist es nicht das, um<br />
was es im Leben geht? Ist<br />
es für uns alle nicht essenziell,<br />
dass unsere Gefühle<br />
von anderen wahrgenommen<br />
und verstanden werden,<br />
auch wenn man sie nicht so recht in Worte<br />
fassen kann? Das Zusammenspiel von Tanz, Musik,<br />
Bühnenbild und Beleuchtung entführt in eine<br />
Welt, die ästhetischer und poetischer nicht sein<br />
könnte. Vielleicht ist es dieser unsichtbare rote Faden,<br />
der alles stimmig aussehen lässt und die Faszination<br />
der Ballettwelt ausmacht. Fabio lebt diese<br />
Faszination. Mit jeder Faser seines Körpers.<br />
BIOGRAPHIE<br />
Fabios Start ins Ballett<br />
Ivrea, Italien 2001: Ballettunterricht an der<br />
privaten Ballettschule Accademia di Danza e<br />
Spettacolo<br />
Florenz, Italien 2009: Wechsel zur Ballettschule<br />
Balletto di Toscana<br />
Ivrea 2010: Erster Platz bei Prix De Danse Accademia<br />
Stuttgart 2011-2013: Abschluss an der John<br />
Cranko Schule<br />
Fabios Aufstieg nach der Ausbildung im<br />
Stuttgarter Ballett<br />
13/14 Eleve: Erste Erfahrungen in der Compagnie<br />
14/15: Corps de ballet: Gruppentänze<br />
18/19: Halbsolist: Wichtige Solorollen<br />
Neues von Fabio Adorisio<br />
Ballettabend „Creations I – III“:<br />
Uraufführung seiner neuen Choreografie am<br />
30.11.2019<br />
Bild: Stuttgarter Ballett<br />
Bild: Stuttgarter Ballett