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MEDIAkompakt Ausgabe 26

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart

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<strong>26</strong><br />

MIND<br />

mediakompakt<br />

Homos halal<br />

Händchenhaltend durch<br />

die Stadt laufen, einen<br />

schnellen Kuss an der<br />

Ampel? Oder ist die Angst<br />

gesehen und entdeckt zu<br />

werden einfach zu groß?<br />

HELEN GLEIXNER<br />

Bild: freepik<br />

Diversität wird aktuell gepredigt wie<br />

nie zuvor. Homosexualität, Transsexualität,<br />

Intersexualität. Vor allem<br />

unsere Generation ist für diese Themen<br />

sensibilisiert wie keine andere<br />

zuvor. So zeigt es eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle,<br />

nach welcher 83 Prozent der Deutschen<br />

eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen<br />

Partnern befürworten. Jedoch ist diese Toleranz<br />

begrenzt.<br />

Sie verringert sich, je mehr es die Menschen<br />

persönlich betrifft. Etwa 40 Prozent geben in der<br />

Umfrage an, dass es für sie unangenehm wäre,<br />

wenn der Sohn schwul wäre. Das entspricht beinahe<br />

der Hälfte. Bin ich in der Hinsicht also vielleicht<br />

zu naiv? Lebe ich in meiner eigenen rosaroten<br />

Filterblase, in der ich mich in allgemeiner<br />

Toleranz wäge? Und vergesse dabei die Menschen,<br />

die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung tagtäglich<br />

Einschränkungen und Diskriminierung<br />

durch die Gesellschaft erfahren.<br />

Es ist früher Abend und ich sitze in meinem<br />

Wohnzimmer im Stuttgarter Osten. Gegenüber<br />

von mir sitzt Osman. Osman ist schwul. Seine Familie<br />

muslimisch. Offen kann er seine Sexualität<br />

nicht leben. Muss diese vor der Familie geheim<br />

halten. Bei einem Bier sprechen wir über sein Leben<br />

zwischen Mekka und Kings Club.<br />

mediakompakt: Bist Du gläubig?<br />

Osman: Jein, also ich bin schon gläubig, aber nicht<br />

religiös. Religion ist nicht mein Ding. Ich schließe<br />

nicht aus, dass es irgendwas Größeres geben könnte.<br />

Grüne Aliens mit Glubschaugen zum Beispiel,<br />

man kann ja nie wissen.<br />

mediakompakt: Und Deine Familie?<br />

Osman: Meine Eltern kommen ursprünglich aus<br />

dem Kosovo und sind gläubige Moslems. Kultur<br />

und Tradition spielen eine wichtige Rolle. Mein<br />

Vater ist in der islamischen Gemeinde in Stuttgart<br />

aktiv. Meine Geschwister dagegen sind eher Alibi-<br />

Moslems.<br />

mediakompakt: Wann hast Du gemerkt, dass Du<br />

schwul bist?<br />

Osman: Oh, eine große Frage. Ich frage dann immer<br />

gerne zurück: Wann hast du denn gemerkt, dass<br />

du heterosexuell bist? Als ich in der sechsten Klasse<br />

war, hat es Klick gemacht. Ich habe bemerkt,<br />

dass ich nicht die Lisa aus der Parallelklasse megahübsch<br />

finde, sondern den Stefan. Ich konnte das<br />

zunächst nicht zuordnen. Das hat sich schon richtig<br />

angefühlt, aber im selben Moment hat man das<br />

Gefühl, das es falsch ist. In dem Alter traut man<br />

sich noch nicht, über solche Dinge zu reden und<br />

weiß nicht, ob es bei anderen ebenfalls so ist. Ob<br />

das normal ist. Ich habe das verdrängt und versucht<br />

dem aus dem Weg zu gehen. Ich hatte auch<br />

Angst vor den Reaktionen meiner Eltern und meiner<br />

Freunde. Als ich 17 war, habe ich mich in einen<br />

Jungen aus meiner Klasse verliebt. Da war der<br />

Drops gelutscht.<br />

mediakompakt: Weiß Deine Familie, dass Du auf<br />

Männer stehst?<br />

Osman: Meine Geschwister wissen das. Das war keine<br />

große Sache, als ich ihnen das erzählt habe.<br />

Mein Bruder hatte zu dem Zeitpunkt einen Streit<br />

mit Mama und meinte nur, „das ist jetzt echt egal,<br />

ich reg mich über Mama auf, danach können wir<br />

über dich reden“. Das war eine echte Erleichterung.Vor<br />

meinen Eltern habe ich mich bis nicht<br />

geoutet. Seit einem Jahr gibt es immer wieder Momente,<br />

da sind alle gut drauf und gerade, wenn ich<br />

mich überwinde, bekomme ich keinen Ton raus,<br />

da fühlt man sich wieder wie ein Teenie. Die Angst<br />

überwiegt, ich könnte meine Eltern verlieren.<br />

mediakompakt: Wie kommentieren deine Eltern das<br />

Thema Homosexualität?<br />

Osman: „Das ist nicht richtig“ und „Gott hat das<br />

nicht so gewollt“, sind zwei Sätze, die ich oft von<br />

meinen Eltern zu hören bekomme, wenn wir<br />

abends zusammen vor dem Fernseher sitzen und

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