MEDIAkompakt Ausgabe 26
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart
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2/2019<br />
MIND<br />
21<br />
Wie wird<br />
ein Mensch<br />
zum Mörder?<br />
Bild: Unsplash<br />
Es gibt viele Gründe, warum Menschen töten. Dramatische Erfahrungen oder Fehlentwicklungen<br />
des Gehirns können eine Rolle spielen. Oder liegt das Böse doch einfach in unserer Natur?<br />
VON JENNIFER STRÜBEL<br />
Geschichten über grauenhafte Morde<br />
erschrecken, aber faszinieren uns<br />
auch. Nachrichten über Unfälle und<br />
Gewalttaten erreichen online viel<br />
Aufmerksamkeit, Kriminalromane<br />
stehen ganz oben auf den Bestsellerlisten. Und<br />
sonntags zieht der „Tatort“ Millionen Zuschauer<br />
in seinen Bann. Offenbar interessieren sich<br />
Menschen für Gewalttaten. Es stellt sich jedoch<br />
die Frage, warum ein Mensch einem anderen so<br />
etwas Grausames antun kann.<br />
Auf die Frage, weshalb Menschen töten, gibt es<br />
keine einfache Antwort. Die Bereitschaft dazu<br />
liegt aber in unserer Natur. Eine Studie der<br />
Estación Experimental de Zonas Áridas und der<br />
Universität in Granada untersuchte die Gewaltbereitschaft<br />
verschiedener Säugetierarten gegenüber<br />
der eigenen Spezies — unter anderem der menschlichen<br />
Vorfahren. Laut dem Forscher Jóse María<br />
Gómez zeigte die Studie, dass tödliche Gewalt<br />
einen evolutionären Ursprung hat, aber von<br />
ökologischen und kulturellen Faktoren reguliert<br />
werden kann.<br />
Auch wenn Nachrichten über Gewalttaten in<br />
den Medien ein anderes Bild vermitteln: Im Laufe<br />
der Jahrtausende sind Morde immer seltener<br />
geworden. „Noch in der Steinzeit wurde die Hälfte<br />
aller Männer getötet,“ erläutert der Neuropsychologe<br />
Thomas Ebert in einem Interview mit der<br />
„Zeit“. Er ist überzeugt, es liegt in der DNA der<br />
Menschen, Gewalt auszuüben. Wie kam es dazu,<br />
dass die Anzahl der Morde zurückgegangen ist?<br />
Ganz einfach: Die Gesellschaft verändert und<br />
entwickelt sich weiter. Was in der Steinzeit noch<br />
alltäglich war, wurde zur Zeit des Alten Testaments<br />
als Schlechtes angesehen. Denn eines der<br />
Zehn Gebote lautet: „Du sollst nicht töten.“<br />
Mord ist in unserer Zeit ein gesellschaftliches<br />
Tabu und wird mit lebenslanger<br />
„Jeder kann in<br />
eine Situation<br />
geraten, die<br />
tödlich endet.“<br />
Freiheitsstrafe bestraft. Tatsächlich<br />
ist laut der Kriminalstatistik<br />
des Bundeskriminalamts (BKA)<br />
die Zahl der Tötungen in<br />
Deutschland seit 1993 permanent<br />
gesunken. Laut Ebert könne<br />
jeder Mensch zum Mörder werden<br />
— doch die meisten besitzen<br />
eine Hemmschwelle, die einen<br />
davon abhält. Der Einfluss von Alkohol oder Drogen<br />
führe jedoch zu einer höheren Gewaltbereitschaft.<br />
Ebenso Extremsituationen, Vernachlässigung<br />
oder Misshandlung in der Kindheit, sagt der<br />
Fachmann.<br />
„Wer hat nicht schon selbst mal gedacht, den<br />
könnte ich umbringen! Aber allein deswegen ist<br />
man nicht schon ein potenzieller Mörder.“ äußert<br />
Kriminalhauptkommissar Frank Schröder im<br />
Interview. Er hatte in seinen mehr als zwanzig<br />
Jahren als Ermittler mit einigen Mördern zu tun.<br />
„Es kann theoretisch jeder in eine Situation geraten,<br />
die tödlich endet.“ Morde gibt es seiner Erfahrung<br />
nach in allen sozialen Schichten und<br />
Altersgruppen. Er berichtet vom biederen Angestellten,<br />
der seine Frau bewusstlos machte und sie<br />
auf ein Bahngleis legte, um sie vom Zug überfahren<br />
zu lassen. Oder vom Familienvater und Fußballtrainer,<br />
der seiner Frau die Kehle durchschnitt,<br />
weil er eine andere liebte.<br />
Oder vom Obdachlosen, der<br />
seine Partnerin nackt gefesselt<br />
und erdrosselt hat. „Mordmotive<br />
und Lebensbiografien sind<br />
ebenso unterschiedlich wie<br />
zahlreich.“ Einige Psychologen,<br />
darunter Thomas Ebert,<br />
sehen ein zusätzliches Merkmal,<br />
das manche Mörder von<br />
anderen Menschen unterscheidet.<br />
Sie empfinden keine Empathie und somit<br />
kein Mitgefühl für ihre Opfer. Gründe dafür<br />
sind häufig Fehlentwicklungen oder -bildungen<br />
im Gehirn, die durch Misshandlungen in der<br />
Kindheit entstehen können.<br />
Dieses fehlende Empathievermögen scheint<br />
häufiger bei Psychopaten vorzukommen. Jedoch<br />
sind nicht alle Mörder psychisch krank. Letztendlich<br />
gibt es nicht den einen Grund, warum man<br />
zum Mörder wird. Trotz aller Untersuchungen<br />
bleibt das Phänomen Mord geheimnisvoll,<br />
erschreckend und unvorhersehbar.