MEDIAkompakt Ausgabe 26
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart
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2/2019 FUTURE<br />
19<br />
Bild: Mika Baumeister<br />
Wo sind die Studenten?<br />
Fridays for Future ist längst<br />
kein Schülerstreik mehr,<br />
sondern eine internationale<br />
Protest-Bewegung. Aber wo<br />
stecken die Studenten<br />
bei den Demos?<br />
VON ANNIKA FIX<br />
Was haben deutscher Vormärz, die<br />
weltweite 68er Revolution und<br />
der arabische Frühling gemeinsam?<br />
Sie alle sind bedeutende Revolutionen<br />
der Weltgeschichte<br />
und wurden ausgelöst von Studenten. Sie sahen<br />
Missstände in Gesellschaft oder Politik ihres Landes<br />
und gingen auf die Straße, um die Welt zu verändern.<br />
Im Jahr 2019 schwappen erneut die Wellen<br />
einer Protestbewegung über viele Länder,<br />
darunter auch Deutschland. Fridays for Future<br />
(FFF) heißt diese Bewegung, die weltweit über<br />
Missstände in der Klimapolitik und die verheerenden<br />
Auswirkungen des Klimawandels wachrütteln<br />
will und zum Handeln auffordert.<br />
Doch sind es dieses Mal nicht Studenten, die<br />
hinter dem Protest stecken, sondern Schüler. Jeden<br />
Freitag schwänzen sie die Schule, um für das<br />
Klima zu demonstrieren. Hat der Streik mit der<br />
16-jährigen Schwedin Greta Thunberg begonnen,<br />
tun es ihr mittlerweile tausende Schüler weltweit<br />
gleich. Die Klimaschutz-Bewegung ist zu einem<br />
globalen Netzwerk geworden. Studenten sieht<br />
man weniger, sie machen nur ca. 20% der Demonstranten<br />
aus. Erwachsene und Politiker wollen<br />
die Schüler lieber in der Schule sehen. Doch<br />
genau das ist der Punkt, auf den Schüler aufmerksam<br />
zu machen versuchen: Warum sollten wir für<br />
unsere Zukunft lernen, wenn die mit der aktuellen<br />
Klimapolitik zerstört wird? Man würde diesen Gedanken<br />
auch bei Studenten erwarten, deren Zukunft<br />
genauso von den Folgen des Klimawandels<br />
betroffen sein wird, wie die der Schüler. Warum<br />
fällt die Einstellung dieser beiden Gruppen junger<br />
Menschen so unterschiedlich aus?<br />
„Ich dachte das ist nur was für Schüler.“, antwortet<br />
Mathe-Student Tim achselzuckend auf die<br />
Frage, warum er noch bei keiner FFF-Demonstration<br />
dabei war. Anne, 21, schließt sich da an. Außerdem<br />
gehe auch keiner von ihren Freunden mit.<br />
Alleine zu protestieren sei „nicht so cool“. Ob das<br />
Thema nicht so wichtig sei, wollen wir wissen.<br />
„Doch, schon. Aber ich versuche halt irgendwie so<br />
meinen Beitrag zu leisten. Ich esse kein Fleisch,<br />
versuche Plastik zu vermeiden“. Das Thema Klimaschutz<br />
ist auf Nachfrage auf jeden Fall präsent<br />
unter den Studenten. Den meisten ist es „schon irgendwie<br />
wichtig“. Aber es gibt eben auch viele andere<br />
Dinge, die bei ihnen weiter oben stehen.<br />
Nie endende Abgaben für die Uni zum Beispiel.<br />
Mal ganz abgesehen vom Druck in Regelzeit<br />
sein Studium vorzeigbar zu beenden, um einen<br />
guten Job zu finden. Bei soviel (Zeit-)Druck,<br />
„bleibt einfach keine Zeit zum Demonstrieren gehen“,<br />
rechtfertigt sich Fabian, 24. Das wäre vermutlich<br />
der Punkt, an dem Greta Thunberg ihm<br />
sagen würde: Warum setzt du dich so unter Druck<br />
für die Zukunft, wenn unsere Zukunft doch gar<br />
nicht so rosig aussieht. Protestforscher Simon Teune<br />
sieht in Zeitdruck und der Verschulung des<br />
Universitätsalltags auf jeden Fall einen Grund für<br />
die politische Passivität der heutigen Studentengeneration.<br />
Studenten hätten heute keine Zeit<br />
und Möglichkeit mehr sich politisch auszutauschen.<br />
Das wirke sich auf ihr Engagement aus.<br />
Aber nicht nur Zeitdruck und Unistress halten<br />
Studenten davon ab zusammen mit Schülern für<br />
eine nachhaltige Zukunft zu demonstrieren. Politikverdrossenheit<br />
und Resignation spielen ebenfalls<br />
eine Rolle. Zum Beispiel bei BWL-Studentin<br />
Leonie, die auf die Frage nach ihrer Teilnahme an<br />
den Demonstrationen sagt „Ich glaube nicht, dass<br />
das was bringt. Also klar, die Schüler haben jetzt<br />
die Aufmerksamkeit. Aber letztendlich wird die<br />
Politik sowieso nichts unternehmen, es wird sich<br />
nichts verändern.“<br />
Ob nun Interesselosigkeit, Zeitdruck oder Resignation,<br />
der Protest-Geist früherer Studenten<br />
scheint an dieser Generation vorbeigegangen zu<br />
sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Ausdauer der<br />
Schüler irgendwann auch die Studenten wachrütteln<br />
wird.<br />
MEHR INFOS<br />
August 2018: Erster Streik von Greta<br />
Thunberg vor dem schwedischen<br />
Regierungsgebäude.<br />
Ende 2018: erste Streiks in Deutschland<br />
In Deutschland streiken mehr als 300.000<br />
Schüler organisiert in 400 Ortsgruppen.<br />
Am 15.März nahmen weltweit fast zwei<br />
Millionen Menschen in 120 Ländern<br />
an den Demonstrationen teil.