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Berliner Kurier 04.08.2019

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SERIE<br />

Im Osten geht der sommer auf: Teil 7<br />

Das<br />

entwurzelte<br />

Es gab einmal ein Dorf,<br />

und das hieß Liebel.<br />

Das war in einer Zeit,<br />

als noch niemand<br />

wusste, dass alle Dörfer in der<br />

Gegend auf Braunkohle gebaut<br />

waren, einer Zeit, in der man<br />

noch nicht mal wusste, was<br />

Braunkohle ist und wozu sie<br />

dient. Liebel lag abseits der großen<br />

Landstraßen, es war kein<br />

besonders großes Dorf. Vor<br />

mehr als 700 Jahren tauchte<br />

sein Name zum ersten Mal in<br />

den Chroniken auf. Damals<br />

hieß es Stary Lubol, das ist sorbisch<br />

und bedeutet „Lubols<br />

Ort“. Später zerfiel Liebel in<br />

zwei halbe Dörfer: Altliebel und<br />

Neuliebel.<br />

Es gab einmal ein Dorf, und<br />

Altliebel ist eines von<br />

137 Dörfern, die dem<br />

Braunkohleabbau<br />

weichen mussten.<br />

das hieß Liebel. Mit diesen<br />

Worten beginnt der Rentner<br />

Udo Zange, der die Gegend hier<br />

kennt wie kaum jemand, seine<br />

Erzählung über den Ort, um<br />

den es hier gehen soll. Der 77-<br />

Jährige ist mir als eine Art Hobby-Historiker<br />

empfohlen worden.<br />

Es wird sich herausstellten,<br />

dass er sehr viel mehr als<br />

das ist.<br />

Es war einmal ein Dorf, und<br />

das hieß Liebel. Es klingt wie<br />

der Beginn eines Märchens.<br />

Aber ein Happy End wird es<br />

nicht geben.<br />

Udo Zange lenkt seinen<br />

Hyundai über eine schmale Asphaltstraße,<br />

vorbei an Feldern<br />

und Wäldern, links wachsen<br />

kleinere Kiefern, dahinter größere<br />

Kiefern, darüber nichts als<br />

Himmel. An einem Ortsschild<br />

bremst er ab. Auf dem Schild<br />

steht Altliebel, Gemeinde Rietschen.<br />

Doch die paar Häuschen,<br />

die dahinter stehen, sind nicht<br />

Altliebel; es ist das Dorf Nappatsch,<br />

das sich umbenannt hat.<br />

Altliebel gibt es nicht mehr, das<br />

Dorf wurde 1994 abgerissen,<br />

sein Grund und Boden weggebaggert.<br />

700 Jahre Geschichte,<br />

weg, einfach so.<br />

Altliebel ist eines von 137 Dörfern,<br />

die im Braunkohlerevier<br />

verschwanden. Die Entscheidung,<br />

dass es weg muss, ist<br />

schon zu DDR-Zeiten getroffen<br />

worden, umgesetzt wurde sie<br />

nach der Wende. So vieles wurde<br />

nach 1990 anders, aber an<br />

dem Ende von Altliebel<br />

hielt man<br />

fest.<br />

Rom<br />

Herzsprung<br />

Wüstenhain<br />

Eisdorf<br />

Nächste Woche<br />

Klein Bademeusel<br />

Naschhausen<br />

Wetterwitz<br />

Altliebel/<br />

Rietschen<br />

BLZ/GALANTY

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