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SERIE<br />
Im Osten geht der sommer auf: Teil 7<br />
Das<br />
entwurzelte<br />
Es gab einmal ein Dorf,<br />
und das hieß Liebel.<br />
Das war in einer Zeit,<br />
als noch niemand<br />
wusste, dass alle Dörfer in der<br />
Gegend auf Braunkohle gebaut<br />
waren, einer Zeit, in der man<br />
noch nicht mal wusste, was<br />
Braunkohle ist und wozu sie<br />
dient. Liebel lag abseits der großen<br />
Landstraßen, es war kein<br />
besonders großes Dorf. Vor<br />
mehr als 700 Jahren tauchte<br />
sein Name zum ersten Mal in<br />
den Chroniken auf. Damals<br />
hieß es Stary Lubol, das ist sorbisch<br />
und bedeutet „Lubols<br />
Ort“. Später zerfiel Liebel in<br />
zwei halbe Dörfer: Altliebel und<br />
Neuliebel.<br />
Es gab einmal ein Dorf, und<br />
Altliebel ist eines von<br />
137 Dörfern, die dem<br />
Braunkohleabbau<br />
weichen mussten.<br />
das hieß Liebel. Mit diesen<br />
Worten beginnt der Rentner<br />
Udo Zange, der die Gegend hier<br />
kennt wie kaum jemand, seine<br />
Erzählung über den Ort, um<br />
den es hier gehen soll. Der 77-<br />
Jährige ist mir als eine Art Hobby-Historiker<br />
empfohlen worden.<br />
Es wird sich herausstellten,<br />
dass er sehr viel mehr als<br />
das ist.<br />
Es war einmal ein Dorf, und<br />
das hieß Liebel. Es klingt wie<br />
der Beginn eines Märchens.<br />
Aber ein Happy End wird es<br />
nicht geben.<br />
Udo Zange lenkt seinen<br />
Hyundai über eine schmale Asphaltstraße,<br />
vorbei an Feldern<br />
und Wäldern, links wachsen<br />
kleinere Kiefern, dahinter größere<br />
Kiefern, darüber nichts als<br />
Himmel. An einem Ortsschild<br />
bremst er ab. Auf dem Schild<br />
steht Altliebel, Gemeinde Rietschen.<br />
Doch die paar Häuschen,<br />
die dahinter stehen, sind nicht<br />
Altliebel; es ist das Dorf Nappatsch,<br />
das sich umbenannt hat.<br />
Altliebel gibt es nicht mehr, das<br />
Dorf wurde 1994 abgerissen,<br />
sein Grund und Boden weggebaggert.<br />
700 Jahre Geschichte,<br />
weg, einfach so.<br />
Altliebel ist eines von 137 Dörfern,<br />
die im Braunkohlerevier<br />
verschwanden. Die Entscheidung,<br />
dass es weg muss, ist<br />
schon zu DDR-Zeiten getroffen<br />
worden, umgesetzt wurde sie<br />
nach der Wende. So vieles wurde<br />
nach 1990 anders, aber an<br />
dem Ende von Altliebel<br />
hielt man<br />
fest.<br />
Rom<br />
Herzsprung<br />
Wüstenhain<br />
Eisdorf<br />
Nächste Woche<br />
Klein Bademeusel<br />
Naschhausen<br />
Wetterwitz<br />
Altliebel/<br />
Rietschen<br />
BLZ/GALANTY