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“<br />

„Und dann gibt es noch mich, der in die innere Emigration<br />

flüchtete und sein ganzes Leben von der Schulzeit über<br />

das Studium bis in den Beruf brav meisterte, jedoch alles<br />

im Uneigentlichen über sich ergehen lassen musste.<br />

Denn eigentlich war ich Schriftsteller. Lächerlich, nicht?<br />

„Friedinger“, S.9, von Stefan Kutzenberger<br />

genommen wird , ist normalerweise 1 zu 3000. Ab dem<br />

Moment hat das Märchen gar nicht aufgehört.“<br />

In Linz aufgewachsen<br />

Was wird im Roman erzählt? „Das Buch ist eine Aufarbeitung<br />

meiner oberösterreichischen Wurzeln.“ Kutzenberger<br />

ist Linzer, sein Vater Ewald war Leiter der<br />

Abteilung Statistik beim Land Oberösterreich, später<br />

wurde er in Wien Chef der Statistik Austria. „ Nach der<br />

Matura bin ich zum Studium nach Wien und dort geblieben.<br />

Meine Eltern haben erst vor zwei Jahren ihr<br />

Haus in Linz-St. Magdalena verkauft und sind nach<br />

Wien gezogen. „Das hat mich völlig am falschen Fuß<br />

erwischt. Ich bin mir plötzlich heimatlos vorgekommen.<br />

Gleichzeitig habe ich mir gedacht, das ist ja völlig<br />

lächerlich, denn es gibt so viele Menschen auf der<br />

Welt, die tatsächlich vertrieben und damit heimatlos<br />

werden. Ich habe meine Gefühle dann mit der Geschichte<br />

meiner Großeltern verglichen, die alles verloren<br />

haben. Die Großeltern mütterlicherseits haben<br />

durch Hitler und den Aufstand in Indonesien 1965 alles<br />

verloren. Die Großeltern väterlicherseits haben durch<br />

die Hyperinflation in den 1920-er Jahren auch alles verloren,<br />

sie mussten in Linz neu anfangen. Damit bin ich<br />

beim Thema, was ist Heimat, kann man neu anfangen?<br />

Wie verwurzelt ist man mit dem, von wo man herkommt?“<br />

waren neben der Heimat, was ist Treue, was bedeutet<br />

Älterwerden?“<br />

Kutzenbergers Vater Ewald ist in Steinbruck, einer<br />

Ortschaft nahe von Peuerbach (Bez. Grieskirchen), aufgewachsen.<br />

Sohn Stefan hatte aber mehr Kontakt zu<br />

Stefansdorf, einer benachbarten Ortschaft, zum Haus<br />

des Sepp Pfeiffer in Stefansdorf 11. „Da war ich in meiner<br />

Kindheit viel öfter, weil sie gleichaltrige Kinder gehabt<br />

haben. Ich habe die Erinnerungen im Buch verarbeitet.<br />

Am Dorffest sein, im Freibad sein, das Gras für die Kühe<br />

mähen, das erste Mal mit dem Traktor fahren, schwarz<br />

fischen. Diese Sachen habe ich dort gelernt. Das ist für<br />

mich das österreichische Landleben schlechthin. Ich<br />

habe auch das Trinken kennen gelernt. Nachdem ich in<br />

Linz aufgewachsen und ein Stadtkind bin, waren diese<br />

Erfahrungen im Sommer extrem wichtig.“<br />

Das Buch sei für seine Frau nicht leicht, denn der Kutzenberger<br />

habe im Buch eine Affäre mit einer jungen<br />

Französin. „Fiktion und Biografie trennen sich hier, dann<br />

kommen sie wieder zusammen. Das Leben meiner<br />

Großeltern ist aber fast real. Meine Großeltern mütterlicherseits<br />

hatten ein so interessantes Leben. Die Oma<br />

ist als Berliner Jüdin nach Amsterdam geflüchtet, dann<br />

nach Indonesien. Ihre Tochter, meine Mama, hat nach<br />

der Matura studiert.“<br />

Aufstand 1965<br />

Fotos: Michael Emprechtinger<br />

Der Friedinger<br />

„Der Friedinger im Roman ist ein Linzer. Der Kutzenberger<br />

lernt ihn in Kreta kennen, sie freunden sich<br />

miteinander an. Der Friedinger erzählt dem Kutzenberger<br />

seine Geschichte, über die voest, über die Waffenlieferungen<br />

und den Noricum-Skandal. Der Kutzenberger<br />

will immer Schriftsteller werden, kommt aber<br />

darauf, dass die Geschichte, die ihm der Friedinger erzählt,<br />

viel besser ist als die, die er schreiben wollte. Er<br />

beginnt die Friedinger-Geschichte aufzuschreiben und<br />

besucht ihn auch in Linz. Das ist für ihn auch eine Art<br />

Heimkommen. Er kommt das erste Mal wieder nach<br />

Linz, nachdem seine Eltern das Haus verkauft haben.<br />

So verschränken sich die verschiedenen Erzählstränge.<br />

Aber man kann den Roman relativ leicht lesen.<br />

Leichter als ich mir gedacht habe. Die großen Fragen<br />

„Die Oma wollte aber nicht, dass sie das in Amsterdam<br />

macht, denn die Indonesier haben stets gegen die<br />

Holländer für ihre Freiheit gekämpft. Als Jüdin wollte<br />

sie auch nicht, dass sie in Deutschland studiert, also<br />

ist sie nach Österreichgekommen. Als sie da waren,<br />

kam es in Indonesien 1965 zu einem Putsch gegen die<br />

chinesische Minderheit und sie konnten nicht mehr<br />

zurück, weil der Opa ein Chinese war. Sie haben alles<br />

verloren. Sie sind in Österreich geblieben und haben<br />

sich hier ein neues Leben aufgebaut. Der Opa wurde<br />

Arzt im Linzer AKH.“<br />

Text von Josef Ertl, Chefredakteur Kurier.<br />

Ertl, Josef: „Eine Aufarbeitung meiner oö.<br />

Wurzeln“ , in: Kurier (2018), 29.04.2018.<br />

Mit freundlicher Genehmigung zur<br />

Veröffentlichung. Wir bedanken uns sehr<br />

herzlich bei Dr. Josef Ertl!<br />

Seite / 33<br />

HERBST 2018<br />

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