-flip_joker_2019-10
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NACHALTIG KULTUR JOKER 19<br />
Bedingungslos sozial?<br />
Die Freiburger Diskurse mit einer Diskussion zum Bedingungslosen Grundeinkommen<br />
Wenn etwas in der Wirtschaft<br />
noch nach Idealismus klingt,<br />
dann ist es das Bedingungslose<br />
Grundeinkommen. Seit 15 Jahren<br />
wird dieses Konzept schon<br />
kontrovers verhandelt. Am<br />
25. Oktober nehmen sich auch<br />
die Freiburger Diskurse dem<br />
an. Um 18.30 Uhr diskutieren<br />
Volkswirtin Friederike Spiecker<br />
und Wirtschaftswissenschaftler<br />
Professor Dr. Bernhard<br />
Neumärker im Hörsaal<br />
2004 der Universität Freiburg<br />
die Frage, ob das Bedingungslose<br />
Grundeinkommen nun<br />
„Rettungsanker oder Sargnagel<br />
des Sozialstaats“ ist. Für<br />
Professor Neumärker löst das<br />
Bedingungslose Grundeinkommen<br />
den Sozialstaat von seiner<br />
„einseitigen Ausrichtung auf<br />
einfacher als ein kompletter<br />
Systemwechsel. Für Kranken-,<br />
Unfall- und Pflegeversicherung<br />
muss jedes BGE-Modell ohnehin<br />
Alternativen bereithalten,<br />
weil diese drei zu versichernden<br />
Risiken nicht durch ein<br />
allgemeines BGE von jedem<br />
individuell abgedeckt werden<br />
können.“ Das BGE erscheint<br />
für sie vor allem als „eine Art<br />
Streikgeld“, um die geschwächte<br />
Position der Arbeitnehmer<br />
gegenüber den Arbeitgebern<br />
zu korrigieren. „Wegen der nur<br />
schwer zu prognostizierenden<br />
Reaktionen bei der (Erwerbs-)<br />
Arbeit und vor allem bei den<br />
Preisen ist aber völlig offen,<br />
ob die Machtverhältnisse auf<br />
Dauer durch ein BGE tatsächlich<br />
wieder ins Lot gebracht<br />
Die Utopie des Bedingungslosen Grundeinkommens?<br />
Foto: iStock / mgkaya<br />
auf ausstehende Forschung<br />
hin. „Von Befragungen über<br />
Pilotstudien und Laborexperimenten<br />
bis hin zu Mikrosimulationen<br />
ist eigentlich alles<br />
dabei, aber noch nicht hinreichend<br />
beforscht. Die vielleicht<br />
bekannteste Befragung zum<br />
Thema Faulheit durch BGE<br />
offenbarte, dass der Befragte<br />
selbst stets gute Argumente<br />
für allerhand Tätigkeiten in Erwerbsarbeit<br />
und sonstiger Aufgabenübernahme<br />
hat, während<br />
er zumeist vermutet, dass die<br />
Nachbarn faul werden.“ Eine<br />
faule Debatte wird es in jedem<br />
Fall nicht werden. Auch nicht<br />
für die ZuhörerInnen. Am 26.<br />
Oktober, <strong>10</strong> Uhr folgt im Hörsaal<br />
1228 ein Vertiefungsseminar<br />
(Anmeldung erforderlich).<br />
Weitere Infos: www.freiburger-diskurse.de<br />
Professor Dr. Bernhard Neumärker Friederike Spiecker Fotos: privat<br />
Erwerbsarbeit“: „Unentgeltliche<br />
Arbeit und kreative, (un)<br />
produktive Freizeit werden<br />
mit Erwerbsarbeit sozialpolitisch<br />
sozusagen gleichgestellt.<br />
Der Bürger bekommt Zeitsouveränität,<br />
da er frei von<br />
grundlegenden ökonomischen<br />
Sachzwängen zwischen diesen<br />
Tätigkeiten wählen kann.<br />
So bekommen beispielsweise<br />
Sorgearbeit und gemeinnützige<br />
Tätigkeiten, die in wettbewerblichen<br />
Märkten vernachlässigt<br />
werden, höheres gesellschaftliches<br />
Gewicht.“ Friederike<br />
Spiecker sieht das BGE in seiner<br />
Ersetzung der Arbeitslosen-<br />
und Rentenversicherung<br />
hingegen als fragwürdiges<br />
Konzept. „Eine Reform der<br />
Arbeitslosenversicherung und<br />
der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
sind vergleichsweise<br />
werden.“ Statt eines „gesellschaftlichen<br />
Experiments“<br />
empfiehlt sie eine Korrektur der<br />
„verfehlten Wirtschaftspolitik<br />
innerhalb unseres Systems der<br />
Erwerbsarbeit und der sozialen<br />
Sicherung.“<br />
Friederike Spiecker argumentiert<br />
an diesem Abend<br />
gegen das Bedingungslose<br />
Grundeinkommen, während<br />
Professor Neumärker dessen<br />
Vorteile hervorhebt. Für ihn<br />
garantiert das BGE Augenhöhe<br />
von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.<br />
„Wenn der Müllmann,<br />
die Putz- oder Pflegekraft zu<br />
den angebotenen Bedingungen<br />
diese anstrengende und als unbegehrt<br />
eingestufte Erwerbsarbeit<br />
einstellt und deshalb zum<br />
Beispiel der Müll liegen bleibt,<br />
werden sich die Nachfrager<br />
nach Müllabfuhr, die sich an<br />
die recht niedrigen Gebühren<br />
gewöhnt haben, über ihre Zahlungsbereitschaft<br />
Gedanken<br />
machen und sicherlich mehr<br />
für Müllentsorgung bezahlen<br />
und den erhöhten Preis durch<br />
Einsparungen bei anderen<br />
Ausgaben kompensieren. Der<br />
Müllwerker bekommt dank<br />
BGE ein höheres Erwerbseinkommen,<br />
vielleicht das Müllunternehmen<br />
auch einen höheren<br />
Gewinn. Arbeitgeber werden<br />
sich auf den ersten Blick etwas<br />
entmachtet fühlen, bekommen<br />
aber in einem BGE-System<br />
Mitarbeiter, die die Arbeit<br />
gerne übernehmen und relativ<br />
produktiv sein werden, da sie<br />
ansonsten die Ausstiegsoption<br />
BGE vorziehen würden.“<br />
Die Frage, ob das alles bloße<br />
Zukunftsmusik ist, verneint<br />
Neumärker, weist aber auch