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Kunst KULTUR JOKER 9<br />

Planet mit blinden Flecken<br />

„Abschied vom Außen. Eine Suchbewegung nach dem Terrestrischen“ im Kunstverein Freiburg<br />

Man muss sich Gaia wohl als<br />

eine eifersüchtige Göttin vorstellen.<br />

Im Kunstverein Freiburg<br />

kann man derzeit auf einer<br />

„Suchbewegung nach dem<br />

Terrestrischen“ „Abschied vom<br />

Außen“ nehmen. Erde liegt aus,<br />

es gibt „Gaiagrafien“, Pflanzen<br />

wachsen in einer Art Urhütte,<br />

dort beschwört auch ein Gedicht<br />

von Samuel Taylor Coleridge<br />

aus dem Jahr 1798 die Utopie einer<br />

Harmonie zwischen Mensch<br />

und Natur, von einem Paradies<br />

als Garten bis eine Frau aus<br />

Trauer um ihren Dämon-Geliebten<br />

die Erde zum Bersten bringt.<br />

Es liest sich wie die Beschreibung<br />

eines Vulkanausbruchs,<br />

der in dieser Ausstellung an<br />

anderer Stelle noch eine Rolle<br />

spielen wird. Abwesenheiten<br />

haben in der Mythologie immer<br />

schon Unheil hervorgerufen.<br />

Etwa den Winter, weil Demeter<br />

– noch so eine Erdgöttin – um<br />

ihre von Pluto geraubte Tochter<br />

Proserpina weint und die Pflanzen<br />

während deren Abwesenheit<br />

verkümmern lässt. Es ist nicht<br />

so, dass die Erde mythologisch<br />

gesehen keine anderen Göttinnen<br />

oder eben Frauen neben<br />

sich duldete.<br />

Vielleicht ist es also schlicht<br />

die Ausbildung eines Gegengewichts,<br />

wenn sich im Kunstverein<br />

Freiburg jetzt ein rein<br />

männliches Leitungsteam um<br />

das Terrestrische kümmert (Daniel<br />

Fetzner, Martin Dornberg,<br />

Ephraim Wegner, Wolfgang<br />

Klüppel, Jürgen Reuß und Adrian<br />

Schwartz). In einem Text<br />

des Ausstellungsmagazins werden<br />

Robert Smithson, Michael<br />

Snow, Joseph Beuys und Michel<br />

Serres als „Quadrupel-Referenz“<br />

genannt. Warum nicht die<br />

Landart-Künstlerin Ana Mendieta?<br />

Aus Furcht vor dem Esoterischen?<br />

Das Video von „Nile<br />

Vodoo“ will auch nicht gerade<br />

sehr rational erscheinen, in der<br />

Performance zitiert ein Vodoo-<br />

Priester mit halber Totenkopfmaske<br />

im Boot auf dem Nil Coleridges<br />

Gedicht und springt im<br />

Anschluss in den Fluss, Daniel<br />

Fetzner folgt. Der Künstler als<br />

Priester ist eine Idee, die in der<br />

der Tradition verpflichteten Lyrik<br />

des späten 19. und frühen 20.<br />

Jahrhunderts weit verbreitet war.<br />

Die künstlerische Forschung,<br />

die wesentliche Methode dieser<br />

interdisziplinären Ausstellung<br />

ist, ergründet jedenfalls nicht<br />

die blinden Flecken dieses Projekts.<br />

Die Aktion „Critical Water<br />

Zone. Müllstadt und Schwemmland<br />

Cairo“ nimmt einerseits auf<br />

die Bedeutung des Nils Bezug,<br />

dessen Überschwemmungen<br />

Land schufen, andererseits auf<br />

das System der Mülltrennung<br />

in Kairo, das überwiegend von<br />

Kopten geleistet wird.<br />

„Abschied vom Außen“ ist der<br />

Gegenentwurf zur Ausstellung<br />

„Immortalismus“, die 2017 im<br />

Kunstverein Freiburg zu sehen<br />

war. Die Beschäftigung mit der<br />

Erde, die Absage an eine von<br />

der Ökonomie geprägte Globalisierung<br />

ist wiederum ernst zu<br />

nehmen. Es gibt keine Fluchtbewegung<br />

ins All. Das Projekt<br />

„Abschied vom Außen“ ist<br />

dem Selbstverständnis nach ein<br />

Netzwerk und ein sozialer Ort<br />

mit einer ganzen Wundertüte<br />

von Veranstaltungen. Im konkreten<br />

Ausstellungsraum wirkt<br />

sich dies so aus, dass die einzelnen<br />

Objekte und Zonen hierarchiefrei<br />

präsentiert werden.<br />

Unabhängig davon, wo man<br />

einsteigt, man hat einen Faden<br />

des Netzes in der Hand. Die<br />

Nachbildung des Meteors, der<br />

1492 bei Ensisheim einschlug,<br />

führt zur Darstellung eines<br />

Vulkanausbruchs in Athanasius<br />

Kirchners „Mundus sub-<br />

Handwerkskunst im Detail<br />

Die „Originale“ verbindet regionale mit internationaler Angewandter Kunst<br />

Die „Originale“ versteht sich<br />

als Messe für Angewandte<br />

Kunst und Handwerk im Raum<br />

Südbaden. Die diesjährige Ausgabe<br />

vom 18. bis 20. Oktober<br />

ist bereits die vierte und kündet<br />

vom Erfolg, den die vielgestaltige<br />

Messe bis heute zeitigt. Im<br />

Mittelpunkt der „Originale“ stehen<br />

gestalterische Originalität,<br />

Individualität und handwerkliche<br />

Ausführung der Produkte,<br />

die von mehr als 50 AusstellerInnen<br />

im Forum Merzhausen<br />

präsentiert werden.<br />

Regional und überregional<br />

positioniert sich die Messe mit<br />

Werkstätten und Manufakturen<br />

aus Baden-Württemberg, Gästen<br />

aus anderen Regionen Deutschlands<br />

und internationalen Ausstellern.<br />

Dass die Messe dabei<br />

Gebrauchskunst und Kunst spielerisch<br />

nebeneinanderstellt, öffnet<br />

sie nicht nur verschiedenen<br />

AusstellerInnen, sondern den<br />

Interessenbereichen verschiedener<br />

BesucherInnen. Innovatives<br />

Design und experimentelle<br />

Ästhetik treten auf der „Originale“<br />

dabei in überraschende<br />

Wechselbeziehungen.<br />

Massenware wird es hingegen<br />

nicht zu sehen geben. Die AusstellerInnen<br />

der „Originale“<br />

präsentieren und verkaufen lediglich<br />

Unikate. Ein Vorteil,<br />

dass man so gut ins Gespräch<br />

kommen kann und vieles über<br />

Entstehungsgeschichte und<br />

Werkmaterial der Stücke erfahren<br />

kann. Von Schmuck über<br />

moderne Kunst, Küchenartikel,<br />

Kleidung bis hin zu den beliebten<br />

Handpuppen von Maria<br />

Barleben bietet die Messe ein<br />

breites Panorama an persönlicher<br />

Handwerkskunst.<br />

Eine Besonderheit der Messe<br />

ist die Sonderfläche mit Ausstellern<br />

aus Freiburgs iranischer<br />

Partnerstadt Isfahan. Die präsentierten<br />

Arbeiten zeigen sich<br />

deutlich von der persischen<br />

Arbeit von Norbert Spätling<br />

und Andreas Walter<br />

Foto: A. Walter<br />

terraneus“ aus dem Jahr 1664,<br />

die durch eine eigentümliche<br />

Mischung aus Naturforschung<br />

und Poesie geprägt ist. Das alles<br />

miteinander verbunden ist,<br />

hat auch damit zu tun, dass viele<br />

vorherige Projekte von Daniel<br />

Fetzner und Martin Dornberg<br />

in Ägypten und Indien in die<br />

Ausstellung geflossen sind. Es<br />

stimmt, es gibt keinen Planet B,<br />

aber eine Perspektivverschiebung<br />

hätte noch andere Räume<br />

erschlossen.<br />

Abschied vom Außen. Kunstverein<br />

Freiburg, Dreisamstr.<br />

21. Di-So 12 bis 18 Uhr, Mi 12<br />

bis 20 Uhr. Bis 27. Oktober.<br />

Annette Hoffmann<br />

Handwerkskunst beeinflusst<br />

und ergänzen den europäischen<br />

Fokus der „Originale“ mit<br />

Kunst, die man so nicht alle Tage<br />

sehen dürfte. Seit 2016 wird die<br />

„Originale“ vom Forum design<br />

& handwerk veranstaltet. Ziel<br />

des Forums ist die Angewandte<br />

Kunst in das kulturelle Leben<br />

der Region einzubinden. Vor<br />

allem regionale Kuntshandwerker<br />

sollen präsenter werden, auf<br />

Ausstellungen und Messen. Die<br />

überregionale bis internationale<br />

Vernetzung zwischen KünsterInnen<br />

bildet einen weiteren<br />

Schwerpunkt des Forums.<br />

Öffnungszeiten: Fr. 19-22<br />

Uhr, Sa. <strong>10</strong>-19 Uhr, So. <strong>10</strong>-17<br />

Uhr.<br />

Weitere Infos: www.originalefreiburg.de<br />

Schmuckstücke von Saskia<br />

und Sebastian Derksen<br />

Foto: Britt Schilling<br />

Blick in den Laderaum:<br />

Videodokumentation „Nile<br />

Vodoo, Mundus Subterraneus“<br />

(1664), „Meteor<br />

von Ensisheim“ (1492),<br />

terrestrische Projektion,<br />

kybernetisches Objekt,<br />

Gaiagrafie mit Schiffsflagge,<br />

Schwarzer Monolith<br />

und Vodoo-Hütte (v.l.n.r.)

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