-flip_joker_2019-10
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Kunst KULTUR JOKER 9<br />
Planet mit blinden Flecken<br />
„Abschied vom Außen. Eine Suchbewegung nach dem Terrestrischen“ im Kunstverein Freiburg<br />
Man muss sich Gaia wohl als<br />
eine eifersüchtige Göttin vorstellen.<br />
Im Kunstverein Freiburg<br />
kann man derzeit auf einer<br />
„Suchbewegung nach dem<br />
Terrestrischen“ „Abschied vom<br />
Außen“ nehmen. Erde liegt aus,<br />
es gibt „Gaiagrafien“, Pflanzen<br />
wachsen in einer Art Urhütte,<br />
dort beschwört auch ein Gedicht<br />
von Samuel Taylor Coleridge<br />
aus dem Jahr 1798 die Utopie einer<br />
Harmonie zwischen Mensch<br />
und Natur, von einem Paradies<br />
als Garten bis eine Frau aus<br />
Trauer um ihren Dämon-Geliebten<br />
die Erde zum Bersten bringt.<br />
Es liest sich wie die Beschreibung<br />
eines Vulkanausbruchs,<br />
der in dieser Ausstellung an<br />
anderer Stelle noch eine Rolle<br />
spielen wird. Abwesenheiten<br />
haben in der Mythologie immer<br />
schon Unheil hervorgerufen.<br />
Etwa den Winter, weil Demeter<br />
– noch so eine Erdgöttin – um<br />
ihre von Pluto geraubte Tochter<br />
Proserpina weint und die Pflanzen<br />
während deren Abwesenheit<br />
verkümmern lässt. Es ist nicht<br />
so, dass die Erde mythologisch<br />
gesehen keine anderen Göttinnen<br />
oder eben Frauen neben<br />
sich duldete.<br />
Vielleicht ist es also schlicht<br />
die Ausbildung eines Gegengewichts,<br />
wenn sich im Kunstverein<br />
Freiburg jetzt ein rein<br />
männliches Leitungsteam um<br />
das Terrestrische kümmert (Daniel<br />
Fetzner, Martin Dornberg,<br />
Ephraim Wegner, Wolfgang<br />
Klüppel, Jürgen Reuß und Adrian<br />
Schwartz). In einem Text<br />
des Ausstellungsmagazins werden<br />
Robert Smithson, Michael<br />
Snow, Joseph Beuys und Michel<br />
Serres als „Quadrupel-Referenz“<br />
genannt. Warum nicht die<br />
Landart-Künstlerin Ana Mendieta?<br />
Aus Furcht vor dem Esoterischen?<br />
Das Video von „Nile<br />
Vodoo“ will auch nicht gerade<br />
sehr rational erscheinen, in der<br />
Performance zitiert ein Vodoo-<br />
Priester mit halber Totenkopfmaske<br />
im Boot auf dem Nil Coleridges<br />
Gedicht und springt im<br />
Anschluss in den Fluss, Daniel<br />
Fetzner folgt. Der Künstler als<br />
Priester ist eine Idee, die in der<br />
der Tradition verpflichteten Lyrik<br />
des späten 19. und frühen 20.<br />
Jahrhunderts weit verbreitet war.<br />
Die künstlerische Forschung,<br />
die wesentliche Methode dieser<br />
interdisziplinären Ausstellung<br />
ist, ergründet jedenfalls nicht<br />
die blinden Flecken dieses Projekts.<br />
Die Aktion „Critical Water<br />
Zone. Müllstadt und Schwemmland<br />
Cairo“ nimmt einerseits auf<br />
die Bedeutung des Nils Bezug,<br />
dessen Überschwemmungen<br />
Land schufen, andererseits auf<br />
das System der Mülltrennung<br />
in Kairo, das überwiegend von<br />
Kopten geleistet wird.<br />
„Abschied vom Außen“ ist der<br />
Gegenentwurf zur Ausstellung<br />
„Immortalismus“, die 2017 im<br />
Kunstverein Freiburg zu sehen<br />
war. Die Beschäftigung mit der<br />
Erde, die Absage an eine von<br />
der Ökonomie geprägte Globalisierung<br />
ist wiederum ernst zu<br />
nehmen. Es gibt keine Fluchtbewegung<br />
ins All. Das Projekt<br />
„Abschied vom Außen“ ist<br />
dem Selbstverständnis nach ein<br />
Netzwerk und ein sozialer Ort<br />
mit einer ganzen Wundertüte<br />
von Veranstaltungen. Im konkreten<br />
Ausstellungsraum wirkt<br />
sich dies so aus, dass die einzelnen<br />
Objekte und Zonen hierarchiefrei<br />
präsentiert werden.<br />
Unabhängig davon, wo man<br />
einsteigt, man hat einen Faden<br />
des Netzes in der Hand. Die<br />
Nachbildung des Meteors, der<br />
1492 bei Ensisheim einschlug,<br />
führt zur Darstellung eines<br />
Vulkanausbruchs in Athanasius<br />
Kirchners „Mundus sub-<br />
Handwerkskunst im Detail<br />
Die „Originale“ verbindet regionale mit internationaler Angewandter Kunst<br />
Die „Originale“ versteht sich<br />
als Messe für Angewandte<br />
Kunst und Handwerk im Raum<br />
Südbaden. Die diesjährige Ausgabe<br />
vom 18. bis 20. Oktober<br />
ist bereits die vierte und kündet<br />
vom Erfolg, den die vielgestaltige<br />
Messe bis heute zeitigt. Im<br />
Mittelpunkt der „Originale“ stehen<br />
gestalterische Originalität,<br />
Individualität und handwerkliche<br />
Ausführung der Produkte,<br />
die von mehr als 50 AusstellerInnen<br />
im Forum Merzhausen<br />
präsentiert werden.<br />
Regional und überregional<br />
positioniert sich die Messe mit<br />
Werkstätten und Manufakturen<br />
aus Baden-Württemberg, Gästen<br />
aus anderen Regionen Deutschlands<br />
und internationalen Ausstellern.<br />
Dass die Messe dabei<br />
Gebrauchskunst und Kunst spielerisch<br />
nebeneinanderstellt, öffnet<br />
sie nicht nur verschiedenen<br />
AusstellerInnen, sondern den<br />
Interessenbereichen verschiedener<br />
BesucherInnen. Innovatives<br />
Design und experimentelle<br />
Ästhetik treten auf der „Originale“<br />
dabei in überraschende<br />
Wechselbeziehungen.<br />
Massenware wird es hingegen<br />
nicht zu sehen geben. Die AusstellerInnen<br />
der „Originale“<br />
präsentieren und verkaufen lediglich<br />
Unikate. Ein Vorteil,<br />
dass man so gut ins Gespräch<br />
kommen kann und vieles über<br />
Entstehungsgeschichte und<br />
Werkmaterial der Stücke erfahren<br />
kann. Von Schmuck über<br />
moderne Kunst, Küchenartikel,<br />
Kleidung bis hin zu den beliebten<br />
Handpuppen von Maria<br />
Barleben bietet die Messe ein<br />
breites Panorama an persönlicher<br />
Handwerkskunst.<br />
Eine Besonderheit der Messe<br />
ist die Sonderfläche mit Ausstellern<br />
aus Freiburgs iranischer<br />
Partnerstadt Isfahan. Die präsentierten<br />
Arbeiten zeigen sich<br />
deutlich von der persischen<br />
Arbeit von Norbert Spätling<br />
und Andreas Walter<br />
Foto: A. Walter<br />
terraneus“ aus dem Jahr 1664,<br />
die durch eine eigentümliche<br />
Mischung aus Naturforschung<br />
und Poesie geprägt ist. Das alles<br />
miteinander verbunden ist,<br />
hat auch damit zu tun, dass viele<br />
vorherige Projekte von Daniel<br />
Fetzner und Martin Dornberg<br />
in Ägypten und Indien in die<br />
Ausstellung geflossen sind. Es<br />
stimmt, es gibt keinen Planet B,<br />
aber eine Perspektivverschiebung<br />
hätte noch andere Räume<br />
erschlossen.<br />
Abschied vom Außen. Kunstverein<br />
Freiburg, Dreisamstr.<br />
21. Di-So 12 bis 18 Uhr, Mi 12<br />
bis 20 Uhr. Bis 27. Oktober.<br />
Annette Hoffmann<br />
Handwerkskunst beeinflusst<br />
und ergänzen den europäischen<br />
Fokus der „Originale“ mit<br />
Kunst, die man so nicht alle Tage<br />
sehen dürfte. Seit 2016 wird die<br />
„Originale“ vom Forum design<br />
& handwerk veranstaltet. Ziel<br />
des Forums ist die Angewandte<br />
Kunst in das kulturelle Leben<br />
der Region einzubinden. Vor<br />
allem regionale Kuntshandwerker<br />
sollen präsenter werden, auf<br />
Ausstellungen und Messen. Die<br />
überregionale bis internationale<br />
Vernetzung zwischen KünsterInnen<br />
bildet einen weiteren<br />
Schwerpunkt des Forums.<br />
Öffnungszeiten: Fr. 19-22<br />
Uhr, Sa. <strong>10</strong>-19 Uhr, So. <strong>10</strong>-17<br />
Uhr.<br />
Weitere Infos: www.originalefreiburg.de<br />
Schmuckstücke von Saskia<br />
und Sebastian Derksen<br />
Foto: Britt Schilling<br />
Blick in den Laderaum:<br />
Videodokumentation „Nile<br />
Vodoo, Mundus Subterraneus“<br />
(1664), „Meteor<br />
von Ensisheim“ (1492),<br />
terrestrische Projektion,<br />
kybernetisches Objekt,<br />
Gaiagrafie mit Schiffsflagge,<br />
Schwarzer Monolith<br />
und Vodoo-Hütte (v.l.n.r.)