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KUNST KULTUR JOKER 7<br />

Zur Mitte hin<br />

„Interferenzen“ von Veronika Grüger und Jan Douma in der Freiburger Künstlerwerkstatt L6<br />

Jan Douma „Counterparts“ (<strong>2019</strong>) Foto: promo Veronika Grüger „Schneezeichnung“<br />

(<strong>2019</strong>) Foto: Veronika Grüger<br />

Dass es zwischen Veronika<br />

Grüger und Jan Douma wirklich<br />

Interferenzen geben sollte,<br />

wie dann auch der Titel der<br />

Ausstellung in der Künstlerwerkstatt<br />

ankündigt, war nicht<br />

unbedingt vorauszusehen. Die<br />

beiden kannten einander nicht<br />

vor ihrem gemeinsamen Auftritt<br />

in Freiburg. Wenn die Arbeiten<br />

von Veronika Grüger und Jan<br />

Douma also tatsächlich Verbindungen<br />

zueinander aufnehmen<br />

und Beziehungen eingehen, hat<br />

dies einerseits mit einer großen<br />

Offenheit zu tun, andererseits<br />

mit der beidseitigen Auseinandersetzung<br />

mit der Natur. Die<br />

Offenheit zeigt sich auch darin,<br />

dass sich Veronika Grüger nicht<br />

als Fotografin versteht, obgleich<br />

in dieser Ausstellung Fotos von<br />

ihr zu sehen sind, sondern vielmehr<br />

als Buchkünstlerin und<br />

Grafik-Designerin.<br />

Veronika Grügers Aufnahmen<br />

lassen aufmerken, sie stellt Symmetrien<br />

her, wo es offensichtlich<br />

keine geben kann. So neigen<br />

sich die Latten eines Holztores<br />

hin zu einer ominösen Mitte<br />

oder ein Wald verdoppelt sich<br />

selbst um eine rätselhafte Achse,<br />

während eine Art Datscha<br />

im Nirgendwo derart geheimnisvoll<br />

wirkt, dass man hier nun<br />

wirklich nicht weiß, ob man es<br />

mit Manipulationen zu tun hat.<br />

Diese Bilder wirken oft so als<br />

schaute man durch ein Kaleidoskop.<br />

Oft muss man dabei an<br />

das Zeitalter der Romantik oder<br />

ihren Vertreter Otto Runge denken,<br />

der die äußeren Erscheinungen<br />

in Arabesken überhöhte.<br />

In der Serie „Schneezeichnung“,<br />

die in der Künstlerwerkstatt in<br />

16 einzelnen Arbeiten zu sehen<br />

ist, hat sie in ein winterlich verschneites<br />

Feld Zeichen gesetzt.<br />

Braun auf Weiß heben sich diese<br />

Zeichnungen ab, die im Nachhinein<br />

gespiegelt wurden.<br />

Mit dem Moment der Doppelung<br />

arbeitet auch Jan Douma.<br />

Der gebürtige Niederländer lässt<br />

so zwei Stück Holz derart aufeinander<br />

lehnen, dass sie einander<br />

berühren, aber doch nicht<br />

ganz ineinander greifen. So<br />

wie die Oberflächen gänzlich<br />

unterschiedlich sind, schwarz<br />

geflammt das eine, matt das andere.<br />

Und dann sind da noch die<br />

2015 entstandenen Holzdrucke<br />

auf Papier, die er jeweils als<br />

Unikat schafft. Es sind direkte<br />

Abdrücke von Rinden, die nun<br />

auf Papier ein Spiel zwischen<br />

positiv und negativ, zwischen<br />

Leerstellen und Oberflächen<br />

ergeben. Und es sind Wiedergänger,<br />

Doubles der Bäume im<br />

Kunstraum, die nun eine Verbindung<br />

zum Wald und den<br />

Waldbildern von Veronika Grüger<br />

schaffen.<br />

Jan Douma, Veronika Grüger,<br />

„Interferenzen“. Künstlerwerkstatt<br />

L6, Lameystr. 6, Freiburg.<br />

Donnerstag und Freitag 16 bis<br />

19 Uhr, Samstag 11 bis 17 Uhr.<br />

Bis 12. Oktober.<br />

Annette Hoffmann<br />

Befriedete Zone<br />

Caroline von Gunten & Alain Jenzer haben im Kunsthaus L6<br />

ein großes Rasenstück ausgebreitet<br />

Auch das „Große Rasenstück“<br />

Albrecht Dürers war nie reine<br />

Natur. Was an dem Aquarell<br />

aus dem Jahr 1503 so frappiert,<br />

ist, dass Schafgarbe, Ehrenpreis,<br />

Rispengras und Löwenzahn hier<br />

ihren eigenen Auftritt bekamen,<br />

während sie sonst ein Dasein im<br />

Schatten der Aufmerksamkeit<br />

fristeten. Und sie mussten es mit<br />

niemanden teilen, nicht mit biblischen<br />

oder andersartig symbolisch<br />

aufgeladenen Szenen. Und<br />

dieses Stück Wiese ist derart<br />

hundsgewöhnlich, dass wir es<br />

so heute auch finden könnten.<br />

Wenn auch nicht überall. Eher<br />

in Brachen denn in Vorgärten<br />

oder intensiv landwirtschaftlich<br />

bearbeiteten Regionen.<br />

Mit diesem Bild von Natur als<br />

einer befriedeten Zone spielt<br />

Caroline von Guntens & Alain<br />

Jenzers Arbeit „das große Rasenstück“.<br />

Wie ein Wasserfall<br />

ergießt sich eine Stoffbahn<br />

aus vielen polyederförmigen<br />

Flicken von der Decke auf den<br />

Boden des Kunsthaus L6. Man<br />

kann sich gut vorstellen, dass<br />

man diese Patchworkdecke<br />

zusammenlegen und mit den<br />

aufgenähten Klettverschlussstreifen<br />

zu einer dicken Wulst<br />

bündeln kann. Praktisch für<br />

den Transport und praktisch für<br />

einen Ausflug ins Freie – und<br />

sind nicht Klettverschlüsse der<br />

eigentliche Marker für alle Outdooraktivitäten?<br />

Sozusagen, um<br />

„unlocking the outdoors“ – womit<br />

gerne die großen Abenteuer<br />

von Städtern in unberührter Natur<br />

übers Wochenende beschrieben<br />

werden.<br />

Caroline von Gunten & Alain<br />

Jenzer betreiben in Basel den<br />

kleinen Off-Space FAQ. Er ist<br />

so klein, dass die eingeladenen<br />

Künstlerinnen und Künstler<br />

sich meist auf die Ausführung<br />

einer Idee konzentrieren. Von<br />

Gunten und Jenzer haben dieses<br />

Konzept auf das Kunsthaus<br />

L6 übertragen. Es hätte durchaus<br />

etwas mehr Werk vertragen,<br />

doch das Konzept dieser<br />

Rauminstallation ist vieldeutig.<br />

Caroline von Gunten & Alain<br />

Jenzer haben Freunde um Picknickdecken<br />

gebeten und etliche<br />

in Kaufhäusern dazu gekauft.<br />

Die fünfeckigen Stoffstücke<br />

sind vernäht, mal gibt es sechs<br />

Anschlussstellen, dann wieder<br />

nur eine. Diese unterschiedlich<br />

gemusterten Module sind bereits<br />

ein schöner Hinweis auf<br />

das distanzierte Verhältnis des<br />

Menschen zur Natur in der Moderne.<br />

Und überhaupt die Stoffe:<br />

Streifen, Karos, grundsätzlich<br />

viel Geometrisches und dann ist<br />

da noch die Abteilung Exotik –<br />

stilisierte Blätter und Blüten als<br />

sublimierte Form der Natur. Alles<br />

sehr flauschig und eher mal<br />

nicht Biobaumwolle. Auf einigen<br />

der Fünfecke sind Sprüche<br />

wie „unlocking the outdoors“<br />

oder die Frage „if nature is right<br />

for you“ zu lesen, die einmal<br />

mehr die Distanz zwischen Natur<br />

und Betrachter aufzeigen.<br />

Auch in dieser Ausstellung ist es<br />

so, dass der Mensch in der Natur<br />

vor allem sich selbst begegnet.<br />

Caroline von Gunten &<br />

Alain Jenzer, „Das große Rasenstück“.<br />

Kunsthaus L6, Lameystr.<br />

6, Freiburg. Donnerstag,<br />

Freitag 16-19 Uhr, Samstag<br />

und Sonntag 11-17 Uhr. Bis 3.<br />

November <strong>2019</strong>.<br />

Annette Hoffmann

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