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LEO November / Dezember 2019

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22 KULTUR<br />

FOTOS: MARIE-LAURE BRIANE<br />

INTERVIEW<br />

DAVID CAHIER –<br />

über Liebesduette und Tanz als Sprache<br />

David Cahier wuchs in Brest<br />

auf. Er war als Tänzer am<br />

Ballet National de Marseille und<br />

dem Hessischen Staatsballet tätig,<br />

bevor er 2017 zur Kompagnie des<br />

Gärtnerplatztheaters kam. Er wird<br />

ab dem 28.11. den Prinzen in der<br />

Nussknacker-Version von Karl Alfred<br />

Schreiner tanzen.<br />

Wann wusstest du, dass du professioneller<br />

Tänzer werden möchtest?<br />

Ich fing an zu tanzen, als ich 16 Jahre alt<br />

war, was für einen Tänzer etwas „spät”<br />

war. Nachdem ich einen Auftritt von<br />

Jose Montalvo gesehen hatte, war ich so<br />

beeindruckt von der Freiheit der Tänzer<br />

auf der Bühne, dass ich nur noch Tanz im<br />

Kopf hatte. Ich fing an, so viel wie möglich<br />

Unterricht und Workshops zu nehmen<br />

und durch den Zuspruch der Lehrer, die<br />

ich traf, hatte ich schnell den Traum einer<br />

professionellen Karriere. Außerdem hatte<br />

ich das Glück, dass mir eine gute Schule<br />

einiges ermöglichte, und ich mit 19 Jahren<br />

meinen ersten Vertrag als professioneller<br />

Tänzer unterschreiben konnte.<br />

Kannst du dich an Schlüsselmomente<br />

erinnern?<br />

Die bereits erwähnte Aufführung von Jose<br />

Montalvo, die Tanzstile wie Ballett, Modern,<br />

Hip-Hop und Zirkus mischte, wurde<br />

eine Hauptinspiration für mein Studium<br />

und meine Karriere. Wenn man einen<br />

künstlerischen Anspruch als Tänzer hat, ist<br />

es von elementarer Bedeutung für andere<br />

Stile offen zu sein.<br />

Was war deine bisherige<br />

Lieblingsrolle?<br />

Als moderner Tänzer ist es seltener, Handlungsballette<br />

zu tanzen, aber ich hatte ein<br />

paar Möglichkeiten, eine Rolle in moderneren<br />

Adaptionen zu tanzen. Ich habe<br />

Lysander im Sommernachtstraum getanzt<br />

oder Lord Stanhope in Kaspar Hauser,<br />

einem Stück von Tim Plegge. Die Figur war<br />

offensichtlich schwul und rauchte auf der<br />

Bühne. Diese Rolle hat mir wirklich Spaß<br />

gemacht zu tanzen. Natürlich ist es immer<br />

noch mein Kindheitstraum, den Prinzen in<br />

der Nussknacker-Version von Karl Alfred<br />

Schreiner am Gärtnerplatztheater zu<br />

tanzen.<br />

Gibt es etwas, das sich besser<br />

tanzend als sprechend ausdrücken<br />

lässt?<br />

Eigentlich bin ich ein sehr schüchterner<br />

Mensch, also ist das Tanzen für mich<br />

tatsächlich wie eine Sprache. Ich weiß<br />

nicht, ob ich mich durch Tanzen besser<br />

ausdrücken kann, aber meistens versuche<br />

ich Gefühle und Bedeutungen in meinen<br />

Bewegungen zu finden.<br />

Wie würdest du die Beziehung<br />

zwischen der schwulen Community<br />

und der professionellen Ballettszene<br />

beschreiben? Wie akzeptiert ist es,<br />

als professioneller Balletttänzer<br />

offen schwul zu sein?<br />

Wie in den meisten Bereichen der Kunst<br />

denke ich, ist die Tatsache, schwul zu sein,<br />

wirklich akzeptiert, ich habe mich nie nach<br />

meiner sexuellen Orientierung beurteilt<br />

gefühlt, und das ist auch die Schönheit<br />

des Tanzes für mich, es hat mir bei der<br />

Arbeit nie Grenzen gesetzt. Ich hatte<br />

tatsächlich einige Male die Gelegenheit,<br />

mit meinem Freund auf der Bühne<br />

Liebesduette zu tanzen.<br />

Während meiner Karriere habe ich natürlich<br />

viele schwule Tänzer kennengelernt, aber<br />

auch bisexuelle oder transgender, und ich<br />

denke, dass es in der heutigen Tanzwelt<br />

keine Diskriminierung gibt.<br />

Wo gehst du in München aus?<br />

Ich unternehme nicht besonders viel.<br />

Dafür arbeite ich zu lange. Aber wenn ich<br />

ausgehe, wäre es höchstwahrscheinlich<br />

rund um den Gärtnerplatz oder das<br />

Sendlinger Tor.<br />

Worauf freust du dich gerade?<br />

Im Allgemeinen auf den Tag, an dem<br />

die Community nicht mehr für die<br />

Grundrechte kämpfen muss. Ganz<br />

persönlich freue ich mich natürlich darauf,<br />

das nächste Mal auf der Bühne zu stehen,<br />

interessante Tanzprojekte zu realisieren<br />

und eine schöne Zeit mit meinem Freund<br />

zu verbringen.<br />

*Interview: Jonas Mayer<br />

Ab 28.11, Der Nussknacker, Staatstheater<br />

am Gärtnerplatz, Gärtnerplatz 3,<br />

München, Tickets 089 21851960,<br />

www.gaertnerplatztheater.de

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