LEO November / Dezember 2019
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REISE<br />
SOMMERFRISCHE<br />
FOTOS: DAX<br />
FIRE ISLAND<br />
Während man im Sommers in New York ordentlich ins Schwitzen kommt, liegt die Abkühlung<br />
ganz nah: Auf Long Island, gut sechzig Minuten vom Flughafen JFK entfernt, sorgt das schwule<br />
Urlaubsparadies Fire Island für Abwechslung.<br />
Sie heißen Cherry Grove und The<br />
Pines, jene Orte, die für jeden<br />
schwulen New Yorker sofort nach<br />
Urlaub klingen. Beide liegen dicht nebeneinander<br />
auf der knapp fünfzig Kilometer<br />
langen und nur maximal einen Kilometer<br />
breiten Sandinsel Fire Island, die man von<br />
Manhattan aus per Zug und Fähre über<br />
das Städtchen Sayville in knapp zwei<br />
Stunden erreicht. Abseits der Großstadt<br />
hatten schwule Urlauber das einstige<br />
Walfänger-Nest Cherry Grove schon im 19.<br />
Jahrhundert entdeckt. Hier scherte sich<br />
niemand um Konventionen, und Freigeister<br />
wie der schwule Dichter Walt Whitman<br />
kamen als Gast. Seine Blüte erlebte Fire<br />
Island in den 1970er- und 1980er-Jahren, in<br />
denen hier alles erlaubt war und sexuelle<br />
Freizügigkeit das Leben dieses schwulen<br />
Urlaubsparadieses bestimmte. Die Aids-<br />
Krise der 1980er-Jahre sorgte auch auf<br />
Fire Island für eine tiefe Zäsur. Es waren<br />
vor allem Lesben, die nun in Cherry Grove<br />
viele Häuser aufkauften, um das Eldorado<br />
von Freiheit und Freizügigkeit zu bewahren.<br />
„Cherry Grove ist eine echte Community,<br />
hier kennt man sich, lebt zum Teil seit<br />
Jahrzehnten mit denselben Nachbarn und<br />
vermietet sein Haus kaum an Fremde.“ Julian<br />
Dorcelien kam 1990 der Liebe wegen<br />
nach Fire Island und ist inzwischen Hausherr<br />
des schwulen Gästehauses Belvedere,<br />
einem aus Holz erbauten Palast mit<br />
Türmchen und Erkern, deren strahlendes<br />
Weiß jeden Besucher Fire Islands schon<br />
von Weitem begrüßt.<br />
PALAST FÜR SCHWULE<br />
MÄNNER<br />
die Geschichte des 1957 erbauten<br />
Hauses ist ebenso schillernd<br />
wie die seiner Vorbesitzer. „Der<br />
erfolgreiche Set-Designer John Eberhardt<br />
hat das Haus von Anfang an als schwules<br />
Gästehaus geplant“, so Julian. „Die Lage<br />
am Wasser erinnerte John an Venedig,<br />
und so wurde das ganze Gebäude im Stil<br />
eines venezianischen Palazzo entworfen.“<br />
Wäre das Wort „Tuntenbarock“ nicht schon<br />
weitläufig bekannt, müsste man es wohl für<br />
das Belvedere erfinden: schwere Vorhänge,<br />
üppige Wandgemälde und Statuen nackter<br />
Männer, wohin das Auge blickt. Kitsch wird<br />
hier zur Kunst erhoben und macht einen<br />
Aufenthalt zum absoluten Kulterlebnis.<br />
Viele Optionen zur Übernachtung hat der<br />
europäische Tourist ohnehin nicht. Fire<br />
Island – vor allem The Pines – ist bekannt<br />
für seine luxuriösen Ferienhäuser, die man<br />
als Freundesgruppe von zehn Personen<br />
oder mehr über mehrere Wochen mietet.<br />
Wer nicht das Glück hat, Freunde mit einem<br />
„Share“ an einem solchen Haus zu haben,<br />
Julian<br />
ist auf die wenigen Gästehäuser wie das<br />
Belvedere angewiesen oder besucht Fire<br />
Island ab New York als (zugegeben etwas<br />
anstrengende) Tagestour. Vor allem an den<br />
Wochenenden zwischen Juli und September<br />
ist Fire Island voll bis auf den letzten<br />
Platz. Der typische Tagesablauf besteht<br />
dabei aus gemeinsamem Frühstück, Pool,<br />
Strand, Tea Dance, Nickerchen, Abendessen<br />
und einem Bar-Besuch. Während der<br />
bekannteste Tea Dance am Nachmittag bis<br />
Sonnenuntergang am Hafen von The Pines<br />
stattfindet, trifft man sich zu späterer Stunde<br />
in Cherry Grove zu Dragshows, Bingo oder<br />
Klubnacht im Ice Palace, einem geräumigen<br />
Klub direkt am Hafen. Den Weg zwischen<br />
den beiden Örtchen legt man entweder zu<br />
Fuß durch ein Pinienwäldchen entlang des<br />
Strandes oder per Wassertaxi zurück, denn<br />
Autos sind auf Fire Island nicht erlaubt.<br />
Zumindest als Kurzurlauber braucht man<br />
sich um Verpflegung keine Gedanken zu<br />
machen: Eine kleine Auswahl an Restaurants<br />
sorgt für die nötige Abwechslung. *dax<br />
www.discoverlongisland.com<br />
www.belvederefireisland.com