LEO November / Dezember 2019
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MUSIK<br />
INTERVIEW<br />
FOTO: JENS KOCH<br />
AUF DIE ZUKUNFT<br />
Das neue Album „Schritte“<br />
wird sie in ihr zwanzigjähriges<br />
Jubiläum begleiten. Silbermond<br />
umarmen darauf die Veränderungen,<br />
die das Leben mit sich bringt.<br />
Es gab Verluste und es gab Nachwuchs<br />
bei euch … Spätestens an<br />
diesen Punkten wird man erwachsen.<br />
Thomas: Du hast recht, bestenfalls wächst<br />
man daran. Ich „durfte“ mittlerweile den Tod<br />
und die Geburt eines Menschen begleiten.<br />
Ich empfinde das heute als Bereicherung.<br />
So schwer das eine auch war. Ob<br />
ich deswegen jetzt erwachsen bin, kann<br />
ich nicht sagen. Manchmal muss ich es<br />
sein und manchmal bin ich es sogar gern,<br />
ein andermal fühl ich mich wieder wie ein<br />
Kind, das ins Bällebad hüpfen will. Ich habe<br />
jetzt einen Sohn, da ist man täglich beides:<br />
Junge und Mann.<br />
Was seht ihr, wenn ihr eure bisherigen<br />
Schritte betrachtet?<br />
Nowi: In erster Linie schauen wir nach vorn.<br />
Im Moment sehe ich vier Freunde und ich<br />
sehe eine Band. Wir sind am Leben. Wir sind<br />
kreativ. Das ist wohl die größte Herausforderung.<br />
Wir haben so viel Schwein gehabt,<br />
ein paar Fettnäpfchen mitgenommen, aber<br />
die Mucke als Freund nie verloren. Das geht<br />
schnell im Pop-Business.<br />
Stefanie: Ja, da müsste man eigentlich<br />
jeden Tag ’nen Sekt drauf trinken! Was wir<br />
haben, ist nicht selbstverständlich, und das<br />
wissen wir. Also, auf die Zukunft. Prost.<br />
Es gibt nun ein Lied, dass ihr nach<br />
euch benannt habt – das aber nichts<br />
mit euch als Band zu tun hat, sondern<br />
inhaltlich fast resignierend klingt ...<br />
Stefanie: Ich empfinde das Lied nicht als<br />
resignierend. Es ist die Beschreibung der<br />
Realität. Ohne rosa Brille und Konfetti, aber<br />
mit dem Glauben an die Chance, das Ruder<br />
rumreißen zu können. Ich meine, wir haben<br />
die Dinge doch vor Augen: das extreme<br />
Wetter, brennende Wälder, schmelzende<br />
Pole, all das. Dass der Mensch daran keine<br />
Aktie hält, halte ich für eine Fehleinschätzung.<br />
Und glaub mir: Meine CO2-Bilanz ist<br />
definitiv mies, ich weiß das. Es ist gut, dass<br />
das Thema endlich auf dem großen Zettel<br />
ist, und doch müssen wir höllisch aufpassen,<br />
nicht zu hart zu moralisieren, sondern<br />
versuchen, möglichst viele mitzunehmen.<br />
Jeder sollte das tun, was er kann.<br />
Ihr habt euch überhaupt viel mit<br />
der Welt um euch herum beschäftigt.<br />
Wie werdet ihr schlau aus den<br />
Entwicklungen der letzten Jahre und<br />
dem weltweiten Wiederaufstieg so<br />
alter Ideen und Vorstellungen?<br />
Thomas: Also ich hätte auch gedacht,<br />
dass wir zwei, drei Themen längst hinter<br />
uns hätten. Stichwort: „… grab her by the<br />
pussy ...“ und „… wir werden sie jagen …“<br />
Aber offensichtlich ist dem nicht so. Auch<br />
den Gedanken, dass mehr Abschottung<br />
die großen Herausforderungen unserer Zeit<br />
lösen wird, verstehe ich nicht. Was ich aber<br />
verstehen kann, ist, dass sich angesichts<br />
der Zeichen der Zeit manche Menschen<br />
ungehört und überfordert fühlen. Ich kenne<br />
das auch von mir. Bei allem, was gut läuft<br />
in unserem Land, handelt die Politik da<br />
oft unglücklich. Dass das Zukunftsangst<br />
schürt, ist klar. Am Ende müssen Demokratie<br />
und Miteinander immer die beste Option<br />
sein. Daran sollten wir weiter werkeln.<br />
Ihr habt dieses Mal in Frankreich<br />
aufgenommen? Warum in die Ferne,<br />
wenn doch zu Hause so viele Studios<br />
nur auf euch gewartet hätten?<br />
Nowi: Na, wir wollten geilen Wein trinken.<br />
Provence-Style. Außerdem hatten wir da<br />
kaum einem Balken auf dem Display. Also<br />
war es auch gleichzeitig eine Digital-Detox-<br />
Kur. Keine Mails, keine Hashtags. Auch mal<br />
gut.<br />
Stefanie: Ja stimmt, aber: Wir wollten auch<br />
einen „modernen Oldschool-Sound“. Dafür<br />
brauchten wir entsprechende Räume. In<br />
Frankreich hatten wir die. Eine Bibliothek,<br />
eine Scheune und eine alte Mühle. All das<br />
hörst du auf „Schritte“.<br />
*Interview: Christian K.L. Fischer