LEO November / Dezember 2019
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MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
AVA MAX:<br />
„Jeder muss sich frei<br />
entfalten dürfen“<br />
Das Auffälligste an Ava Max ist zumindest auf den ersten<br />
Blick ihre Frisur. Auf der rechten Seite trägt sie einen Bob, auf<br />
der linken Seite sind ihre blonden Haare lang. Dieser Look, sagt sie,<br />
sei eher zufällig entstanden: „Ich habe stets viel experimentiert und<br />
schließlich diesen Haarschnitt behalten, denn er unterstreicht meine<br />
Persönlichkeit.“ Die 25-Jährige, die als Tochter albanischer Eltern<br />
in Milwaukee geboren wurde, hatte nämlich immer das Gefühl,<br />
irgendwie anders zu sein: „Schon als Kind war ich eine Außenseiterin.<br />
Ich wurde in der Schule gemobbt.“<br />
FOTO: L. DUNN<br />
Los ging der ganze Ärger in der siebten<br />
Klasse. Da gab es eine Mitschülerin,<br />
die richtig fies zu der Sängerin<br />
war: „Sie verbreitete im Netz böse<br />
Sachen über mich und drohte sogar,<br />
mich umbringen zu wollen.“ Als sich<br />
Ava Max zu wehren begann, wurden<br />
sowohl sie als auch ihre Widersacherin<br />
vom Unterricht suspendiert. Sie<br />
wechselte auf eine christliche Privatschule,<br />
wo es nicht unbedingt besser<br />
lief: „Dort bekam ich Ärger, weil ich<br />
Mariah Careys Musik mochte. Das<br />
duldeten die Lehrer nicht. Ich sollte<br />
nur Lieder über Gott singen.“ Also<br />
wurde Ava Max fortan zu Hause<br />
unterrichtet: „Diese Entscheidung<br />
war Gold wert. Danach<br />
ging es mir endlich besser.“<br />
Dennoch waren diese negativen<br />
Erfahrungen prägend. Sie<br />
lieferten den Stoff für das Lied<br />
„So am I“, mit dem Ava Max ihre<br />
Fans dazu auffordert, zu sich<br />
selbst zu stehen: „Wir sind alle<br />
einzigartig. Darum bringt es überhaupt<br />
nichts, sich dauernd in den<br />
sozialen Medien oder sonst wo<br />
mit seinen Mitmenschen zu vergleichen.“<br />
Für die Künstlerin heißt<br />
das Zauberwort Toleranz: „Jeder<br />
muss sich frei entfalten dürfen – sei<br />
es in der LGBTQ*-Community oder<br />
mit extravaganter Kleidung. Meiner<br />
Ansicht nach steht es keinem zu,<br />
sich über andere zu erheben.“<br />
Solche Botschaften verpackt Ava<br />
Max nicht etwa in düstere Klänge,<br />
sondern in eingängigen Dance-Pop.<br />
Seitdem sie mit „Sweet but Psycho“<br />
einen Nummer-eins-Hit hatte,<br />
wird sie mit Lady Gaga verglichen.<br />
Das bringt sie beim Interview im<br />
Hamburger Büro ihrer Plattenfirma<br />
nicht etwa dazu, mit den Augen zu<br />
rollen – im Gegenteil: „Für mich ist<br />
so ein Kompliment schmeichelhaft.“<br />
Natürlich hätte sie nichts dagegen,<br />
ebenso erfolgreich wie die Pop-Diva<br />
zu werden. Ehrgeiz entwickelte sie<br />
bereits früh. Sie nahm an Talentwettbewerben<br />
teil, bei MySpace<br />
veröffentlichte sie eigene Lieder plus<br />
Coversongs. Als sie 14 war, verkauften<br />
ihre Eltern ihr Haus in Virginia<br />
und zogen ihrer Tochter zuliebe nach<br />
Los Angeles, damit sie im Musikgeschäft<br />
Fuß fassen konnte: „Meine<br />
Familie hat mich sehr unterstützt –<br />
ohne Zwang.“<br />
Das soll sich auf jeden Fall bezahlt<br />
machen. Ava Max arbeitet unermüdlich<br />
– wie sie es von ihrer Mutter<br />
und ihrem Vater lernte, die teilweise<br />
drei Jobs parallel hatten. In Mailand<br />
drehte die Musikerin das Video für<br />
ihre Single „Torn“. Nicht ohne Grund<br />
sieht man sie als Superheldin: „Ich<br />
gebe eine Frau, die ihre Stärke zurückgewinnt,<br />
nachdem sie von ihrem<br />
Mann betrogen wurde.“ Mit solchen<br />
Clips setzt sich Ava Max für die<br />
Emanzipation ein: „Es liegt mir sehr<br />
am Herzen zu zeigen, wie Frauen<br />
wirklich ticken. Sie sind keineswegs<br />
das schwache Geschlecht.“ Da<br />
passt es durchaus ins Bild, dass Ava<br />
Max ein Fan von Wonder Woman<br />
ist. Diese Comicfigur kann seit jeher<br />
gut kämpfen und ihre Opfer dazu<br />
bringen, die Wahrheit zu sagen.<br />
Wünscht sich Ava Max ebenfalls<br />
diese Fähigkeiten? „Ich hätte lieber<br />
Wunderheilkräfte, um alle Leute von<br />
ihren mentalen oder körperlichen<br />
Schmerzen befreien zu können.“<br />
*Dagmar Leischow