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5. Naturparkmagazin "Stark"

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gefähr vier Wochen brauch ich<br />

Zeit. Dann kann ich mich hinsetzen<br />

und in Ruhe malen, aber<br />

meistens mach ich es dann eh<br />

recht knapp!“, gesteht die Malerin<br />

lachend.<br />

Einige Vereine bringen ihre<br />

Scheiben mit zeitlichem Vorlauf.<br />

Manche kommen aber erst vier<br />

Wochen vor Abholtermin. Im<br />

Winter hat sie traditionell mehr<br />

Aufträge, weil die Schützen<br />

meist im Winter schießen. Insgesamt<br />

im Jahr bemalt sie zehn<br />

bis zwölf Scheiben.<br />

„Wenn jemand zum Beispiel<br />

einen runden Geburtstag hat,<br />

dann ist es bei uns Brauch, dass<br />

es eine Geburtstagsscheibe<br />

gibt. Oder ein Schützenkönig<br />

spendiert fürs nächste Jahr eine<br />

Scheibe. Manchmal beklebt<br />

man sie ja auch bloß. Aber für<br />

besondere Anlässe – da lässt<br />

man eine malen.“<br />

Der Oberammergauer Hermann<br />

Wiegand ist unter anderem<br />

Zeichner, Illustrator und<br />

Karikaturist. Im Interview, in<br />

seinem Atelier in Ettal, verrät<br />

er der Journalistin Sibylle Kölmel<br />

einiges aus seiner Arbeit.<br />

Sibylle Kölmel: Welche Bedeutung<br />

oder was für eine Symbolik<br />

hat eine Schützenscheibe?<br />

Hermann Wiegand: „Sie ist der<br />

Preis für den Schützen. Wie ein<br />

Pokal (er zeigt ein Exemplar).<br />

Hier zum Beispiel steht: Gegeben<br />

von der SG Hubertus. Das<br />

bedeutet, die Schützengesellschaft<br />

hat sie gestiftet – wer<br />

gewonnen hat, wissen wir ja<br />

noch nicht. Sobald der Gewinner<br />

feststeht, bekomme ich die<br />

Scheibe wieder, dann schreibe<br />

ich den Namen rein und gebe<br />

sie wieder zurück.“<br />

Was passiert dann mit den<br />

Scheiben?<br />

„Früher hat man auf sie geschossen.<br />

Dort, wo der Schuss<br />

reinging, hat man dann einen<br />

Holzdübel gesteckt – damit man<br />

gewusst hat, von wem der<br />

Schuss stammt. Die Scheiben<br />

sind dann natürlich schon mal<br />

kaputt gegangen, auch in der<br />

Bemalung. Aber das ist heute<br />

nicht mehr so, heute schießt<br />

man nicht mehr auf die Scheiben<br />

selbst, sondern auf Papierscheiben,<br />

die im Kugelfang drin<br />

stecken. Der Schütze mit dem<br />

besten Blatt bekommt dann<br />

die dementsprechende Scheibe.<br />

Und in die kann man sogar<br />

das Blatt reinkleben.“<br />

Was muss man bei der Schrift<br />

beachten?<br />

„Es geht darum, dass ich keine<br />

Fehler mache und dass die<br />

Schrift schön mittig steht. Daher<br />

schreibe ich von der Mitte<br />

aus immer nach rechts und<br />

links. Zum Beispiel heißt es hier<br />

‚Luftgewehr-Schießen’. Das<br />

Hermann Wiegand beim Malen des verkleinerten Entwurfs<br />

sind eins, zwei, drei (er zählt<br />

durch) … 19 Buchstaben. Die<br />

Hälfte davon liegt zwischen<br />

neun und zehn, dann hab ich<br />

genau die Mitte, wo ich mit<br />

dem Schreiben beginne. Die<br />

Textvorgabe kommt immer<br />

vom Auftraggeber.“<br />

Wie sind Sie zum Zeichnen<br />

gekommen?<br />

„Das Zeichnen ist eigentlich<br />

ein Talent. Klar muss man das<br />

lernen. Ich hatte an der Schnitzschule<br />

Zeichnen als Unterrichtsfach.<br />

Bei ‚Lang Sel. Erben’<br />

[Anm. d. R.: eine traditionsreiche<br />

Schnitzerei in Oberammergau],<br />

habe ich meine Lehre<br />

als Fassmaler und Vergolder<br />

gemacht. So hat sich das eben<br />

ergeben. Ich bemale heute fast<br />

alles, das haben Sie ja in der<br />

Werkstatt gesehen, vom großen<br />

Bühnenbild bis zur Karikatur.<br />

Die Leute kommen von<br />

ganz alleine, ich brauch keine<br />

Werbung, ich bin ein Steinzeit-<br />

Mensch, ich hab noch nicht mal<br />

einen Computer (lacht).“<br />

Was gehört noch alles zu Ihrer<br />

Arbeit? Was machen Sie noch?<br />

„Ich fertige Urkunden, sogar<br />

für die Staatsregierung habe<br />

ich schon welche gemacht. Das<br />

Gästebuch von Kloster Ettal<br />

habe ich mitgestaltet sowie<br />

Goldene Bücher. Ich lasiere und<br />

bemale Krippenfiguren, Horizonte<br />

und Hintergründe für<br />

Krippen und ich bemale Türschilder.<br />

Ich mach alles. Wenn<br />

Sie zu mir kommen und sagen<br />

‚Mal mir mein Wohnzimmer<br />

aus’ dann mache ich das. Also<br />

nicht streichen, aber eben alle<br />

Sachen, die künstlerisch sind.<br />

Zum Beispiel im Oberammergauer<br />

Altenheim habe ich die<br />

ganze Decke im Café gestaltet.“<br />

Und Sie machen einen Oberammergauer<br />

Kalender, der<br />

immer zur Weihnachtszeit erscheint?<br />

[Anm. d. R.: Der Kalender<br />

für 10,- Euro wird auf dem<br />

Oberammergauer Christkindlmarkt<br />

am 1. Adventssonntag<br />

verkauft, die Einnahmen werden<br />

vollständig gespendet.<br />

Wiegand verdient an dem Kalender<br />

nichts].<br />

„Ich bring jedes Jahr den Kalender<br />

über Oberammergau<br />

raus. Mal ist er dicker, mal dünner<br />

– je nachdem, was so alles<br />

passiert. Man kann ja nicht von<br />

allem eine Karikatur machen.<br />

Man muss Fingerspitzengefühl<br />

haben und immer vorsichtig<br />

sein, ich will ja keinen beleidigen.<br />

Die Karikaturen für den<br />

Kalender mache ich, wenn‘s<br />

passiert. Wenn das heute passiert,<br />

dann zeichne ich eben<br />

heute. Ich setze mich nicht erst<br />

zu Weihnachten hin und zeichne<br />

dann tagelang.<br />

Der Kalender 2020 kommt<br />

zum Christkindl-Markt 2019<br />

raus.<br />

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