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5. Naturparkmagazin "Stark"

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Es kann nach starken Niederschlägen<br />

auf großer Fläche abrutschen,<br />

wie aktuell am Hechendorfer<br />

Berg. Einen großen<br />

Kontrast dazu zeigen wiederum<br />

die trockenen Süd- und Südwesthänge,<br />

wie an der Kieneckspitze<br />

und am Kofel, wo sich<br />

hohe knorrige Kiefern im steilen<br />

Gelände festkrallen. An Nordflanken<br />

wie an der Notkarspitze<br />

findet sich hingegen die sehr<br />

seltene Spirke, auch Hakenkiefer<br />

genannt. Man erkennt<br />

sie auch an den Zapfen, deren<br />

Schuppen wie Haken zurückgebogen<br />

sind.<br />

Der Naturpark Ammergauer<br />

Alpen enthält somit sämtliche<br />

Waldstandortstypen, die am<br />

nördlichen Alpenrand vorkommen<br />

können. Vom Rotwild über<br />

Birk- und Auerhuhn bis zum<br />

Waldkauz und Uhu fühlen sich<br />

zahlreiche Tierarten in diesen<br />

Wäldern wohl. Der Dreizehenspecht<br />

sucht sich vor allem<br />

ältere Fichten, aus deren Rinde<br />

er Insekten pickt. Vom schädlichen<br />

Borkenkäfer kann dieser<br />

Vogel über 2.000 Exemplare<br />

am Tag verzehren!<br />

Die größte Vielfalt an Lebewesen<br />

im Wald findet sich je-<br />

Spaziergänge zu alten<br />

Baumriesen<br />

Im Schlosspark von Linderhof<br />

sieht man Totholz und abgestorbene<br />

Bäume aufgrund der<br />

Verkehrssicherungspflicht fast<br />

nicht – immerhin besuchen<br />

jährlich fast eine halbe Million<br />

Menschen aus aller Welt König<br />

Ludwigs II. ehemaliges Lieblingsschloss<br />

und seinen großzügigen<br />

Park. Dafür kann man<br />

hier, ohne eine große Bergtour<br />

unternehmen zu müssen, mehr<br />

als 200 Jahre alte Fichten, Tannen<br />

und Buchen bewundern.<br />

Am Weg, der im Schlosspark<br />

zwischen Venusgrotte und<br />

Maurischem Kiosk nach Norden<br />

abzweigt, stehen diese stolzen<br />

Exemplare.<br />

Ähnlich bequem ist ein Spaziergang<br />

auf dem Wetzsteinrücken<br />

bei Saulgrub. Hier sieht<br />

man vom Aussichtspunkt am<br />

Gipfel des Rückens eine freistehende<br />

Feldulme, die das<br />

Ulmensterben überlebt hat. Ein<br />

durch internationalen Handel<br />

eingeschleppter Pilz hat den<br />

Ulmenbestand in Mitteleuropa<br />

über die letzten Jahrzehnte fast<br />

ausgerottet. Die Saulgruber<br />

Feldulme wurde vom Ulmensplintkäfer,<br />

der den Pilz überträgt,<br />

bis vor ein bis zwei Jahren<br />

verschont.<br />

Gut die Hälfte des Naturparks<br />

Ammergauer Alpen ist mit Wald<br />

bedeckt, an den Bergen sind<br />

es sogar zwei Drittel. Dort erfüllt<br />

der Wald auch Schutzfunktionen.<br />

Durch ihre mächtigen<br />

Stämme und Wurzeln, die den<br />

Boden zusammenhalten, verhindern<br />

die Bäume Lawinen,<br />

Muren und Hangrutschungen.<br />

Besonders am Hörnle, Aufacker<br />

und Labermassiv behüten<br />

Schutzwälder Ortschaften, Siedlungen<br />

und Straßen, wie die<br />

Ettaler Passstraße. Eine Station<br />

auf dem Ettaler Bergwald-Erlebnispfad<br />

erklärt ausführlich<br />

die Funktionen des Schutzwalds<br />

und wie er abschnittsweise<br />

auch saniert werden<br />

muss.<br />

Schließlich stehen Bäume<br />

auch mitten in den Gemeinden<br />

und Dörfern des Naturparks,<br />

so die knapp 300 Jahre alte<br />

Dorflinde im Herzen von Bad<br />

Kohlgrub oder die mächtige<br />

Hoflinde in Kirmesau bei Bad<br />

Bayersoien. Wie ihre zahlreichen<br />

Nachbarn in den Bergwäldern<br />

spenden sie Schatten<br />

und ein angenehmes Lüfterl<br />

vor Ort und sind unverzichtbare<br />

Säulen einer intakten Natur –<br />

besonders im Zeitalter des Klimawandels.<br />

Bergahorn und Fichten in der Nähe<br />

der Brunnenkopfhäuser<br />

© Foto: Klaus Pukall<br />

Die Geschichte der Wälder in den<br />

Ammergauer Alpen<br />

Eine Hakenkiefer am Aufstieg zur Notkarspitze · © Foto: Klaus Pukall<br />

Eine wirkliche Besonderheit<br />

sind schließlich die Sommerlinden-Mischwälder<br />

an den<br />

steilen Südhängen oberhalb<br />

von Graswang, die in Bayern<br />

sonst nur aus der Schwäbischen<br />

und Fränkischen Alb bekannt<br />

sind. Sommerlinden, Bergahorne<br />

und Eschen mischen sich<br />

hier mit Spitzahornen, Salweiden<br />

und Haselsträuchern.<br />

doch im Kleinen. Zahllose Insektenarten<br />

und Pilze bis hin zu<br />

Fledermäusen leben fast ausschließlich<br />

im „Totholz“. Dies<br />

sind stehende oder schon umgestürzte<br />

abgestorbene Baumstämme<br />

und -kronen. Im Zuge<br />

einer naturnahen Forstwirtschaft<br />

wird das Totholz in den<br />

Wäldern des Naturparks von<br />

den Waldbesitzern vermehrt<br />

liegen gelassen.<br />

Vom Hochmittelalter bis ins<br />

beginnende 19. Jahrhundert<br />

war das Graswangtal Bannwald<br />

des Klosters Ettal. Er<br />

durfte nur vom Kloster genutzt<br />

und bewirtschaftet<br />

werden. In den Wäldern des<br />

nördlich vorgelagerten Ammertals<br />

konnten die Klosteruntertanen<br />

Bäume schlagen,<br />

um ihren Eigenbedarf an Bauund<br />

Brennholz zu decken und<br />

Köhlereien (wie bei Bad Kohlgrub)<br />

zur Gewinnung von Holz-<br />

kohle zu betreiben. Nach der<br />

Säkularisation 1803 ging der<br />

Bannwald in Staatsbesitz über<br />

und wird heute von den Bayerischen<br />

Staatsforsten (BaySF)<br />

bewirtschaftet. Die Wälder<br />

im Ammertal gingen im Zuge<br />

der sogenannten Purifikation<br />

an die ehemaligen Klosteruntertanen<br />

über, wobei in<br />

Ober- und Unterammergau<br />

bis heute viele Waldbesitzer<br />

in Privatwaldgemeinschaften<br />

zusammengeschlossen sind.<br />

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