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People - architektur der Zukunft - architekt - architect - architekten im gespräch - architektinnen - projekte - nachhaltigkeit - architektur der zukunft - planer - bauen - baubranche - wissensgesellschaft - autocad - edv
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29<br />
Patrick Lüth<br />
© Ketil Jacobsen<br />
170 Snøhetta Mitarbeiter beim jährlichen Treffen im Dovre Nationalpark in der von Snøhetta<br />
entworfenen Tverrfjellhytta, einem Pavillon zur Rentier-Beobachtung.<br />
einen 3D-Drucker, ein VR-Setup und<br />
auch Leute, die mit komplexen geometrischen<br />
Modellen umgehen können.<br />
Die Simultanität dieser Medien<br />
ist wahnsinnig wichtig. Es ist auch<br />
hilfreich, um unsere eigene Arbeit<br />
zu evaluieren. Die Parallelität von<br />
analog und digital ist wichtig, damit<br />
man dieser Überprüfung standhalten<br />
kann. Das Analoge brauchen wir.<br />
Durch die haptische Komponente,<br />
durch das Auseinandersetzen mit<br />
einem Material und durch das Bauen<br />
eines Modells wird nicht nur die<br />
Wahrnehmung, sondern auch der<br />
Intellekt angesprochen. Im besten<br />
Fall denkt man dabei darüber nach,<br />
wieso der Entwurf so ausschaut, wie<br />
er ausschaut.<br />
Wird das analoge Arbeiten seinen<br />
hohen Stellenwert beibehalten?<br />
Ich bin ein Verfechter des Modells.<br />
Auch deshalb, weil es auch ein wichtiges<br />
Kommunikationswerkzeug ist.<br />
Das dürfen wir in dieser von Bildern<br />
dominierten Welt nicht aufgeben.<br />
Jedes Modell hat nämlich einen wesentlich<br />
höheren Abstraktionsgrad<br />
als zum Beispiel ein Rendering. Für<br />
Renderings muss man Entscheidungen<br />
treffen, die in einem frühen<br />
Entwurfsstadium noch überhaupt<br />
nicht relevant sind. Bei einem Modell<br />
unterhalten wir uns zuerst über<br />
Form, Geometrie, Wirkung oder auch<br />
Städtebau. Im Unterschied zum Rendering<br />
ist VR dafür auch ein dankbares<br />
Medium, weil es dabei auch<br />
möglich ist, das Modell untexturiert<br />
zu betrachten.<br />
Steigen Sie dann bei neuen Entwurfsaufgaben<br />
vom Analogen erst<br />
nach einiger Zeit ins Digitale um oder<br />
läuft das von Anfang an parallel?<br />
Das kommt darauf an. Grundsätzlich<br />
liegt der Unterschied darin, ob man<br />
mit dem Bauherrn etwas entwickelt<br />
oder ob es ein anonymer Wettbewerb<br />
ist. Ersteres ist uns lieber, denn<br />
wir arbeiten lieber im Dialog. Da ist es<br />
so, dass wir bei Workshops mit dem<br />
Auftraggeber unsere ersten Ideen in<br />
handgreiflichen Modellen erarbeiten.<br />
Wenn das nicht der Fall ist, starten<br />
wir meistens schon digital. Es gibt<br />
immer viele Grundlagen, die man<br />
beachten muss. Diese kann man gut<br />
digital vorbereiten. Ich muss schon<br />
zugeben, dass viel vom Entwurfsprozess<br />
digital abläuft. Die Gewichtung<br />
ist dabei sicherlich 80 Prozent digital<br />
und 20 Prozent analog, mehr ist davon<br />
nicht übrig.<br />
Was kann die Architektur-<br />
Software noch nicht?<br />
In der Entwurfsthematik stellt sich<br />
diese Frage nicht. Denn da kann sie<br />
alles und es wird sogar überbewertet,<br />
was sie können muss. Bei der<br />
Ausführung sehe ich durch BIM viel<br />
Potenzial, aber auch viel Gefahr. Die<br />
Industrie kann dadurch einen so<br />
starken Einfluss entwickeln, dass wir<br />
Architekten in unserer Bedeutungsfreiheit<br />
sehr stark beeinträchtigt<br />
werden. Für den sozialen Wohnbau<br />
ist es hilfreich, nicht aber wenn es<br />
um innovative Lösungen geht. Die<br />
Architektur darf nicht auf der Strecke<br />
bleiben und dafür muss es flexibler<br />
werden.<br />
Inwiefern beeinflussen digitale Gestaltungsmethoden<br />
den Entwurf?<br />
Ich glaube, dass wir da drüber stehen.<br />
In den frühen 2000er Jahren<br />
war das wesentlich stärker, dass<br />
man versucht hat auszuprobieren,<br />
was alles mit dem Computer und den<br />
3D-Programmen möglich ist. Jetzt<br />
verstehen wir, dass es nicht unbedingt<br />
notwendig ist, solche Geometrien<br />
zu machen. Es geht darum,<br />
die wahren architektonischen Fragestellungen<br />
zu beantworten. Dazu<br />
kommt, dass man es nicht geschafft<br />
hat, solche Geometrien wirtschaftlich<br />
zu realisieren. Die Verhältnismäßigkeit<br />
der eingesetzten Mittel muss<br />
zu dem gesellschaftlichen Nutzen<br />
betrachtet werden. Man muss sich<br />
fragen: Warum mache ich das und<br />
kann ich das nicht mit einer simpleren<br />
Geometrie bewerkstelligen? Für<br />
grundlegend relevante städtebauliche<br />
Aufgaben sind diese überhaupt<br />
nicht notwendig. Wir haben ein Kulturzentrum<br />
in Saudi-Arabien mit extrem<br />
komplexen Geometrien realisiert.<br />
Der Entwurf stammt noch aus<br />
dem Jahr 2007/2008, also noch vor<br />
der Krise. Ich glaube, dass wir so etwas<br />
nicht mehr machen werden, weil<br />
sich der Diskurs verändert hat.<br />
Würde es Snøhetta ohne die<br />
Digitalisierung geben?<br />
Das ist eine sehr spekulative Frage,<br />
die ich nicht genau beantworten<br />
kann. Unser Weg wurde dadurch<br />
stark beeinflusst und sie ist sicher<br />
ein Teil unserer Geschichte. Aber<br />
am Anfang stand auch der Wettbewerbsgewinn<br />
für die Bibliothek in<br />
Alexandria. Dieser Entwurf wurde<br />
komplett von Hand gezeichnet. Die<br />
digitalen Mittel schaffen weitere<br />
wichtige Handwerkszeuge, die einiges<br />
erleichtern und auch ermöglichen.<br />
Aber was am Ende zählt sind<br />
die grundlegenden Ideen. u