architektur PEOPLE 40 Dr. Harald Gründl Das modulare Kühlschrank-System „Greenfreeze 2“ Wo kann das Design der Zukunft eine Inspirationsquelle finden? In der Natur gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Lösungen, die die Erde aber über all die Jahre nicht kaputt gemacht haben. Das Kreislaufdenken in der Wirtschaft ist im Grunde durch die biologischen Kreisläufe der Natur inspiriert. Auch für das Design und die Architektur ist es wichtig, den Kreislauf fertig zu denken. Man soll sich nicht nur überlegen, wie man Dinge in die Welt schafft, sondern auch wie man sie wieder aus der Welt schafft. In Australien muss für neue Gebäude auch wieder ein Plan hinterlegt werden, wie man es wieder weg bekommt. In einem kleineren Maßstab wird das auch für Design notwendig sein. Für Materialien muss ein Bewusstsein geschaffen werden, wo diese herkommen, unter welchen Bedingungen diese hergestellt werden und ob sie später ein zweites Leben haben können. Dieses von der Natur inspirierte Wirtschaftsdenken in Kreisläufen muss in Design und Architektur ganz schnell Einzug halten. Welche Aufgaben wird dann Design in der Zukunft zu erfüllen haben? Es muss uns klarmachen, dass unsere Zukunft nicht alternativenlos ist, wie uns das die Politik und Wirtschaft zum Teil weismachen möchte. Es gibt viele Alternativen für alle Bereiche unseres Lebens. Design ist ein wunderbares Werkzeug, um uns Menschen zu zeigen, welche Zukünfte vor uns liegen. Bestimmte Zukünfte sollen dadurch zur Diskussion gestellt und gesellschaftliche Prozesse sollen angestoßen werden. Unsere aktuelle Ausstellung im MAK, die mit „Klimawandel“ übertitelt ist, versucht genau das. Wir müssen jetzt Formen und auch Institutionen schaffen, durch die wir unsere Zukunft verhandeln können. Design ist dafür das Werkzeug. Es soll auch spekulative Zukünfte in den Raum stellen, wo wir gemeinsam als Gesellschaft herausfinden und diskutieren können, wo wir hin wollen. Sehen Sie der Zukunft positiv entgegen? Die Zukunft ist das, was wir daraus machen. Eine der wichtigsten Aufgaben von Design ist es, die gesellschaftliche Rolle ernst zu nehmen. Die Transformation vom Massenkonsum zu einer nachhaltigeren Gesellschaft soll es aktiv mitgestalten und Lösungen in den Raum stellen. Wir müssen kritisch sein und auch bleiben, vielleicht sogar noch kritischer werden. Wenn das Design lediglich einer Marktlogik folgt, würde diese transformative Kraft nicht entfaltet werden können. Leider muss man sagen, dass in der Wirtschaft kurzfristiges Handeln und das nicht Abgehen von alten Geschäftsmodellen einem Wandel extrem im Weg stehen. Was ist für Sie ein Leitprojekt für die Zukunft? Eine Grundbedingung für ein Leitprojekt für die Zukunft ist ein vernetztes und systematisches Denken über die Disziplin hinaus. Abstrakt gesehen soll es schnell diesen Wandel hin zu einer Kreislaufgesellschaft ermöglichen. Gute Lösungen müssen vielen Menschen schnell zugute kommen. Alte Geschäftsmodelle müssen neu gedacht werden, obwohl Copyrights und Patente sicher noch länger existieren werden. Für EOOS ist dabei ein Projekt ganz wichtig, an dem wir seit fast zehn Jahren mit der Bill & Melinda Gates Foundation arbeiten: eine Toilettenlösung, bei der der Urin in der Toilette abgetrennt wird. Dieser kleine Schritt hat große Auswirkungen, denn man kann ihn dazu benutzen, um weniger Dünger zu verwenden und in weiterer Folge gibt es dadurch weniger Stickstoffeintrag in die Flüsse. Mit einer Reform hin zu einer biologischen Landwirtschaft würden wir den Einsatz von künstlichen Dünger zukünftig vermeiden können. Man sieht, dass eine kleine Sache riesengroße Auswirkungen haben kann und das nur, weil man sie systemisch denkt. Alle Projekte, die dem Klimawandel, der Umweltzerstörung und der sozialen Ungleichheit Lösungen gegenüberstellen, sind Leitprojekte für die Zukunft. Es braucht neue Akteure, ein fächerübergreifendes Denken und ein kritisches Auge auf die aktuellen Geschehnisse. Unsere schwierige Situation ist nicht unveränderlich. In diese haben wir uns jetzt hineingebracht, aber da kommen wir mit der Kreativität von allen wieder hinaus und dazu zählen eben nicht nur Designer. Die Zukunft des Designs/Design der Zukunft ist für mich … weltverträglich.
www.architektur-online.com 41 Architekt Professor Klaus Loenhart