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Berliner Zeitung 12.12.2019

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22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 289 · D onnerstag, 12. Dezember 2019<br />

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Feuilleton<br />

Der Monbijou-Parkmit Bodemuseum im Hintergrund ROBERT RAUH Theodor Fontane gemalt von CarlBreitbach WWW.BE-PICTURED.DE/BETTINA PASSMANN-MÖBIS<br />

„Ein bloßer Raritäten-Laden“<br />

Fontanes <strong>Berliner</strong> Notizen (Teil 2): Das Hohenzollern-Museum im Schloss Monbijou<br />

VonGabriele Radeckeund RobertRauh<br />

Geblieben ist nur der<br />

Name. Er hat überlebt,<br />

obwohl der Ort seit sechs<br />

Jahrzehnten verschwunden<br />

ist. Durchquert man das Areal<br />

zwischen Bode-Museum und Oranienburger<br />

Straße,begegnet einem die<br />

Bezeichnung „Monbijou“ – übersetzt<br />

so viel wie „Mein Schmuckstück“<br />

–gleich mehrfach: Monbijouplatz,<br />

Monbijoupark, Monbijoustraße,<br />

Monbijou Theater, Monbijoubrücke<br />

und das Kinderbad<br />

Monbijou. Dass hier ein Schloss<br />

stand, wissen nur wenige. Das Gebäude<br />

wurde im November 1943 bei<br />

einem Luftangriff schwer beschädigt<br />

und 1958/59 abgerissen. Anschließend<br />

ließ die SED-Führung auf dem<br />

Gelände eine „Grünanlage“ mit<br />

Schwimmbad errichten, die wiederum<br />

Wende und Wiedervereinigung<br />

überdauerthat.<br />

Unbekannte Notizen<br />

Schloss Monbijou, Anfang des 18.<br />

Jahrhunderts von Eosander von Göthe<br />

im Stil des Spätbarock errichtet,<br />

wurde vielfach genutzt: Erst diente<br />

es als Residenz für zwei preußische<br />

Königinnen, dann als Location für<br />

die kulturelle Elite der Hauptstadt.<br />

So berichtet Göthes Sohn August,<br />

dass am 24. Mai1819 in Monbijou „2<br />

Scenen aus dem Faust mit der Compostion<br />

des Fürsten Radziwil gegeben“<br />

wurden – eine der ersten<br />

„Faust“-Aufführungen überhaupt.<br />

Später wurde Monbijou als Depot für<br />

die Königliche Kunstkammer genutzt,<br />

am Ende wurde es ein Museum.<br />

Am 22. März1877 weihte Kaiser<br />

Wilhelm I. anlässlich seines 80.<br />

Geburtstages in 42 Räumen des<br />

Schlosses das Hohenzollern-Museum<br />

ein. Zu den ausgestellten Exponaten<br />

gehörten die Fahne des<br />

Königreichs Preußen von 1701 und<br />

das berühmte Gemälde vom Tabakskollegium<br />

des Soldatenkönigs.<br />

Einer der ersten Ausstellungsbesucher<br />

war Fontane. Ineinem Notizbuch<br />

vermerkte er auf 28 Seiten<br />

einzelne Exponate mit kurzen<br />

Kommentaren. DieNotizen, die vor<br />

Ort entstanden und jetzt erst entziffert<br />

und identifiziert wurden,<br />

sind kulturgeschichtlich von großem<br />

Wert, weil das erste Sammlungsinventar<br />

des Hohenzollern-<br />

Museums verschollen ist. Im „Luisenzimmer“<br />

zählte Fontane 22 Porträts,<br />

[e]inige sehr hübsch“, unter<br />

„Friedrichs Sachen aus der Campagne-Zeit“<br />

entdeckte er eine<br />

„Schachtel mit Gift (wie Hannibal)“,<br />

und in dem Raum für „Fr. W.<br />

II.“ besichtigte er einen „[w]undervoll<br />

angelegte[n] Schrank“, der auch<br />

heute noch als das kostbarste Werk<br />

des Kunsttischlers David Roentgen<br />

aus Neuwied gilt.<br />

Fontane als Museumsdirektor<br />

Ob Fontanes Notizen über das Hohenzollern-Museum<br />

in eine veröffentlichte<br />

Ausstellungskritik mündeten,<br />

ist bisher nicht bekannt. Dass<br />

Fontane dies beabsichtigte, ist sehr<br />

wahrscheinlich. Denn dasThema lag<br />

ihm am Herzen. Und nicht nur das.<br />

DIE AUTOREN<br />

Gabriele Radecke ist Literaturwissenschaftlerin sowie Herausgeberin der Großen Brandenburger<br />

Fontane-Ausgabe und der Fontane-Notizbücher.<br />

Zugang zum kostenlosen Notizbuch-Portal: https://fontane-nb.dariah.eu/index.html<br />

RobertRauh ist Historiker sowieAutor diverser Fontanebücher und derWebsite „NeueWanderungen“.<br />

http://fontanes-wanderungen.de/<br />

Gemeinsam sind Gabriele Radeckeund RobertRauh Herausgeber vonTheodor Fontanes<br />

„Wundersame Frauen. Weibliche Lebensbilder in den ,Wanderungen durch die Mark Brandenburg’“,<br />

erschienen im Manesse-Verlag.<br />

Knapp zehn Jahrezuvor hatte er sich<br />

sogar als Museumsdirektor ins Spiel<br />

gebracht. Aber der Reihe nach: Bereits<br />

am 5. Mai 1868 war im Schloss<br />

Monbijou eine Ausstellung mit Erinnerungsstücken<br />

der Hohenzollern<br />

eingerichtet worden. Unmittelbar<br />

nach der Eröffnung war auch Fontane<br />

im Schloss, umdie Ausstellung<br />

am 10. Maifür die „Kreuzzeitung“ zu<br />

rezensieren. Schon drei Tage früher<br />

schrieb er seiner langjährigen Vertrauten<br />

Mathilde von Rohr ein vernichtendes<br />

Urteil: Die Ausstellung<br />

sei „nahezu ein Skandal“, „[v]on historischem,<br />

künstlerischem und<br />

überhaupt ästhetischem Standpunkt<br />

aus gesehn (…) ein bloßer Raritäten-Laden,<br />

zum Teil ein bloßes<br />

Jahrmarkts-Chaos“. DasChaos herrsche<br />

landesweit. Denn Fontane<br />

wusste vonseinen märkischen Wanderungen,<br />

„dass die wertvollsten<br />

und interessantesten Dinge sich wie<br />

Gerümpel herumtreiben, in alten<br />

Schlössern zum Teil auf Böden und<br />

Korridoren mißachtet und verzettelt<br />

unter Staub und Spinnweb verkommen“.<br />

Fontane beklagte, Preußen<br />

fehle „ein national-historisches Museum“,<br />

wie es die meisten europäischen<br />

Hauptstädte und selbst kleineredeutsche<br />

Residenzen besitzen.<br />

Dann unterbreitete er einen Museumsplan,<br />

den das gnädigste Fräulein<br />

„passenden Orts zur Sprache“<br />

bringen sollte und für dessen Umsetzung<br />

er sich gleich selbst anbot.<br />

„[H]ab ich doch hier das Gefühl: das<br />

könnt ich.“ DerPlan könne ihm „auf<br />

einem Ruck eine lohnende, ehrenvolle,<br />

auskömmliche und meinen<br />

Gaben entsprechende Stellung<br />

schaffen“. Mit seinem Konzept, wonach„sich<br />

Saal an Saal reihen müßte,<br />

von denen jeder einer Epoche oder<br />

einem Regierungsabschnitt“ entsprechen<br />

würde, nahm Fontane die<br />

Struktur des Hohenzollern-Museums<br />

vorweg. Fontane ist bekanntlich<br />

nicht Museumsdirektor geworden.<br />

Mathilde von Rohr sah sich außerstande,Plan<br />

und Bewerbung zu lancieren.<br />

Und Fontane räumte schon<br />

einen Tagspäter ein, er hätte sich<br />

keinen „großen Hoffnungen hingegeben“.<br />

Zunächst käme „ein Geheim-Sekretär<br />

oder ein Konrektor“<br />

infrage „und dann ein Schriftsteller<br />

noch lange nicht“. Gründungsdirektor<br />

wurde 1877 Robert Dohme –ein<br />

preußischer Hofbeamter.<br />

Es ist noch nicht zu Ende<br />

DieBestände des Hohenzollern-Museum<br />

wurden am Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs auseinandergerissen. Ein<br />

Teil wurde vernichtet oder von den<br />

Sowjets geraubt, der Rest auf verschiedene<br />

Museen aufgeteilt. Die<br />

kulturhistorisch bedeutsame<br />

Sammlung geriet wie Schloss Monbijou<br />

in Vergessenheit. Erst die aktuell<br />

bekannt gewordenen Ansprüche<br />

der Hohenzollern katapultierte sie<br />

zurück in das öffentliche Bewusstsein.<br />

Denn während die Enteignung<br />

der Hohenzollern-Immobilien<br />

durch das Bundesverfassungsgericht<br />

in den 1990er-Jahren bestätigt<br />

wurde, gilt sie für die Kunstobjekte<br />

nicht. Die Geschichte von Monbijou<br />

ist noch nicht zu Ende.<br />

Im Atemrhythmus des Ozeans<br />

„Transverse Wave“ bringt Mary Bauermeister und Rashid Al Khalifa mit dem Sounddesigner und Komponisten Simon Stockhausen zusammen<br />

VonIrmgard Berner<br />

Unzählige Steine und Steinchen<br />

reihen und türmen sich zu plastischen<br />

Mustern. Ausgrauen, blauen<br />

und beigen Kieselsteinen hat Mary<br />

Bauermeister minutiös und wie mit<br />

dem Pinsel hingetupft Quadrate,<br />

Kreise, Pyramiden zu großen Steinreliefs<br />

geformt. Manmeint, einer optischen<br />

Täuschung aufzusitzen, so<br />

dynamisch verdichten sich die von<br />

Gezeiten und Wellen flachgespülten,<br />

weich anmutenden Steine zu naturfarbenen<br />

Bildern.<br />

Gesammelt hat die Künstlerin sie<br />

an den Küsten von der Bretagne bis<br />

Griechenland. Ein über eine Wandtreppe<br />

spitz zulaufender Turm heißt<br />

denn auch „Verschwindender Horizent“.<br />

Es ist eine frühe Arbeit von<br />

1966, mit der die 85-Jährige und<br />

einstige Fluxus-Aktivistin die Natur<br />

und deren formende Zufallskraft bereits<br />

zu einem ihrer Werkinhalte gemacht<br />

hat.<br />

Gegenüber, inder Ausstellungshalle<br />

bei Me Collectors Room/Stiftung<br />

Olbricht, ziehen Reliefs von<br />

ganz anderer Machart über die<br />

Wandflächen. Die sich als vertikale<br />

Wellen von der Wand abhebenden<br />

Gittergeflechte glänzen metallisch<br />

und industriell, mutieren jedoch zu<br />

farbstarken Bildern, sobald man den<br />

Blickwinkel ändert. Das faszinierende<br />

Vexierspiel aus Glanz und<br />

Licht, aus Farbe, Fläche und Tiefe,<br />

das durch Emaille auf Aluminium<br />

entsteht, hat der aus Bahrain stammende<br />

67-jährige Künstler Rashid Al<br />

Khalifa entworfen.<br />

Trotz ihrer strengen Serialität und<br />

minimalistischen Ästhetik erinnern<br />

die Muster an orientalische Fenster,<br />

an die kunstvoll geschnitzten Arabesken,<br />

die das Sonnenlicht filtern<br />

und gemusterte Schatten werfen.<br />

Rashid Al Khalifa, Multicoloured Parametric, 2018, Emaille auf Aluminium RASHID AL KHALIFA<br />

Diese „Mashrabiyas“ dienen Al Khalifa<br />

als Metapher, trennen sie –und<br />

verbinden doch gleichsam das Außen<br />

mit dem Innen, das traditionelle<br />

mit dem modernen Leben. Die Ausstellung<br />

spielt hier subtil mit einer<br />

„Differenz der Künste“, verwebt sich<br />

darüber hinaus jedoch auf sinnliche,<br />

klangpoetische Weise zu einem Gesamtkunstwerk:<br />

durch die Musik von<br />

Simon Stockhausen. Der 52-jährige<br />

Komponist und Sounddesigner und<br />

Sohn von Mary Bauermeister und<br />

dem Komponisten und Neue-Musik-Pionier<br />

Karlheinz Stockhausen<br />

(1928–2007) saugt die Wellenbewe-<br />

gungen der Werkeinseiner Klanginstallation<br />

auf. So wandertder Sound<br />

mit orientalischen Anklängen und<br />

Polyrhythmen entlang vonRashid Al<br />

Khalifas Wellenreliefs, indem er ihr<br />

Changieren in sich verschiebenden<br />

Taktarten aufgreift.<br />

Das Metallische von AlKhalifas<br />

Parametrics-Serie findet seinen Widerhall<br />

im Glockenspiel und pentatonisch<br />

gestimmten Xylophon. Aufhorchen<br />

lässt der Klang dort, wo er<br />

als Jazz-Improvisation eine unsichtbare<br />

Raumdiagonale zwischen den<br />

Werken überwindet und plötzlich<br />

im vom Wasser umspülten, rauschenden<br />

Kies irgendwo an der Atlantikküste<br />

mündet und in hypnotisierenden<br />

Flötenklängen im Atemrhythmus<br />

des Ozeans auf- und abschwillt.<br />

Er breitet sich aus und der<br />

Schall fängt sich dort, wo Bauermeisters<br />

wie von den Wänden losgelöste<br />

skulpturale Arbeit, die In-<br />

stallation „Howevercall“ von 1964,<br />

die Schwerelosigkeit sucht und ihre<br />

großflächigen „Lichttücher“, gezeichnet<br />

aus Nähten, Flicken,<br />

Dichte und Fadenscheinigkeit,<br />

strahlend den Raum erhellen. Und<br />

er gerät dort inSchwingung, wo Al<br />

Khalifas Hängestrukturen aus filigranen<br />

Gitternetzen ihren Schatten<br />

wie ein Seelenbild auf den Boden<br />

werfen.<br />

Mit diesem Soundtrack erfüllt<br />

der Ausstellungstitel „Transverse<br />

Wave“ mehr als seine technisch anmutende<br />

Begrifflichkeit, reicht das<br />

Spektrum von Transversalwellen<br />

doch von Saitenschwingung bis hin<br />

zu Licht im Vakuum. Hier aber verdichten<br />

sie sich zu einem 52 Minuten<br />

Kunst-Raum-Klang-Erlebnis<br />

vomFeinsten.<br />

TransverseWave bis 31.1., Mi–Mo 12–18 Uhr,<br />

Me Collectors Room,Auguststr.68

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