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Melange No8

Melange No8 - Das Magazin im Süden Bayerns

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sich ganz schnell an. Da wird immer geschrien, dass sie sich integrieren<br />

müssen. Aber ich sage dann immer: wie sollen sie sich<br />

integrieren, wenn wir nicht bereit sind, sie mitzunehmen?“<br />

Raouf ist mittlerweile 18 Jahre alt. Er hat sein ganzes Leben<br />

lang in Flüchtlingslagern gelebt. Seine Eltern mussten bereits<br />

vor vielen Jahren in den Iran fliehen. Als Raouf einen Einberufungsbefehl<br />

bekommen hatte, war er davongelaufen. Er möchte<br />

keinen Krieg.<br />

„Ein Jugendlicher braucht Klarheit. Er braucht Halt“, sagt Stückl.<br />

Und das möchte er Raouf, der mittlerweile bei Stückls Eltern<br />

lebt, gerne geben, soweit es in seiner Macht steht. „Keiner will<br />

sehen, dass die Integration uns was dazu gibt und uns nicht<br />

etwas wegnimmt. Andersrum wird ganz oft gesagt, wir brauchen<br />

die Flüchtlinge, um unser eigenes Sozialsystem aufrecht zu erhalten.<br />

Das ist auch eine komische Moral.“<br />

Auch am Volkstheater wurden zwischenzeitlich Lehrlingsstellen<br />

für Flüchtlinge geschaffen. „Man darf diese Menschen nicht einfach<br />

als Arbeiter missbrauchen, sondern man muss ihnen auch<br />

eine Perspektive geben. Wir halten uns an der Religion fest und<br />

berufen uns auf sie, um unsere Vorurteile zu rechtfertigen. Aber<br />

Jesus hat gesagt: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst. Und<br />

wenn das nun ein Flüchtling ist?“<br />

Oder einfach ein Andersfarbiger. Im Chiemgau, so erzählt<br />

Stückl, hat sich mal ein 14-jähriger Bub aus dem Senegal vorgenommen,<br />

dass er im Preisplatteln gewinnen möchte. Und<br />

das hat er geschafft. Der Preisrichter hatte seine liebe Not, den<br />

Namen des Gewinners richtig auszusprechen („Wia hoaßt<br />

der??“), aber der Bua war selig vor Glück.<br />

„Vor was haben wir denn Angst? Unsere Werte nimmt uns doch<br />

keiner weg.“ Ihn selber hat übrigens auch schon mal ein junger<br />

Polizist aufgehalten und hat ihn ziemlich unwirsch gefragt, welcher<br />

Landsmann er denn sei, nur weil er dunkle Locken hatte.<br />

„Ich möchte bei uns in Bayern ehrlich gesagt kein Ausländer sein.“<br />

Christian Stückl:<br />

„ICH MÖCHTE BEI UNS<br />

IN BAYERN EHRLICH GESAGT<br />

KEIN AUSLÄNDER SEIN.“<br />

Foto: Florian Warnecke<br />

Gerne hätte ich Christian Stückl noch zu den kommenden Passionsspielen<br />

2020 befragt, aber er zuckt nur mit den Schultern,<br />

lacht und sagt, dass das alles noch am Entstehen ist. Jetzt steht<br />

erst einmal die Aufführung von „Wilhelm Tell“ an. Und hier<br />

schließt sich wieder der Kreis. Denn: „Freiheit, Unabhängigkeit<br />

und Gerechtigkeit – die Pflicht jedes Menschen, Widerstand gegenüber<br />

schrankenloser staatlicher Macht zu leisten, dies sind<br />

die Themen, die Schiller in seinem Drama „Wilhelm Tell“ in den<br />

Vordergrund stellt.“<br />

2011 erhielt Christian Stückl den Bayerischen Integrationspreis.<br />

„Wichtig ist, dass man sein Herz für Fremde öffnet und Mut zeigt<br />

im Angesicht einer Gesellschaft mit vielen Reserviertheiten.“<br />

Man darf gespannt sein!<br />

Anna Marguerita Schön<br />

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