Melange No8
Melange No8 - Das Magazin im Süden Bayerns
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P O R T R A I T<br />
Foto: Florian Warnecke<br />
DER WOHNLADEN GEIGER<br />
ZWISCHEN TRADITION<br />
UND MODERNE<br />
Mitten im beschaulichen Ort Eschenlohe befinden sich der<br />
Wohnladen und die Schreinerei Geiger. Das alte Haus mit<br />
seinen dicken Mauern verleiht dem Ladengebäude schon<br />
von außen ein gewachsenes, traditionsreiches Flair.<br />
Sobald man jedoch hineingeht, umfängt einen noch etwas<br />
anderes: Der zarte Duft nach Zirbenholz.<br />
Auch „Königin der Alpen“ genannt, werden der Zirbe verschiedene<br />
Kräfte nachgesagt. Sie könne nachweislich das<br />
Nervensystem beruhigen, Stress reduzieren, für erholsamen<br />
Schlaf sorgen und das Raumklima nachhaltig verbessern.<br />
Mich persönlich erinnert dieser Duft an heimelige Nachmittage<br />
in meiner Kindheit, wenn ich meinem Opa in der<br />
Werkstatt beim Schnitzen zugeschaut habe, unter den Füßen<br />
kleine Berge aus Holzspänen. Es ist ein Geruch nach Heimat.<br />
Geführt werden der Wohnladen und die Schreinerei Geiger<br />
von den Geschwistern Martina Weber und Beppo<br />
Geiger. Und das mit viel Herzblut.<br />
Kein Wunder – wurde doch die Schreinerei bereits von<br />
ihrem Großvater Josef Geiger im Jahr 1933 gegründet.<br />
„Über ihn könnten wir viel erzählen“, lächelt Frau Weber.<br />
So ist er zum Beispiel Ende der 20er-Jahre auf Wanderschaft<br />
gegangen. Er bereiste die Schweiz und Frankreich;<br />
in Marseille ist er gar ins Gefängnis geworfen worden, weil er<br />
mit nacktem Oberkörper im Meer gebadet hat. Das war an<br />
sich zwar kein Vergehen, jedoch war der Großvater am Oberkörper<br />
so sehr behaart, dass er wegen Erregung öffentlichen<br />
Ärgernisses verhaftet worden war. Bald darauf kam er<br />
aber wieder frei, reiste zurück nach Eschenlohe und heiratete<br />
die damalige Bürgermeisterstochter, Maria Mangold.<br />
Vom Hochzeitsgeld konnten sie das Anwesen kaufen, auf<br />
dem wir uns hier und heute befinden. Der Großvater gründete<br />
die kleine Schreinerei, und seine Frau, Martinas und<br />
Beppos Großmutter, eröffnete eine kleine Wirtschaft mit<br />
Lebensmittelverkauf. „In diesem Wirtshaus, das sich ebenfalls<br />
hier im Gebäude befand, wurde das erste Weißbier in der ganzen<br />
Region ausgeschenkt“, erzählt mir Frau Weber.<br />
Im Jahr 1933 wütete ein großer Sturm. Dabei wurde beim<br />
Nachbargrundstück das komplette Dach abgedeckt. „Das<br />
Blechdach“, so erzählt mir Beppo Geiger, „lag zusammengerollt<br />
hier im Grundstück.“ Der Nachbar war nach dieser<br />
Naturgewalt zum Verkauf gezwungen, und ihr Großvater<br />
hat das Nachbarhaus für wenig Geld dazugekauft. „Früher<br />
war hier vorne im Haus noch eine kleine Muttergottes-Grotte<br />
integriert. Aber der damalige Pfarrer Demleitner hat wohl gesagt,<br />
das gehört sich nicht, wenn hier eine Gaststätte geführt wird.“<br />
Der Großvater ist 101 Jahre alt geworden. Kurz vor seinem<br />
102. Geburtstag war er gestorben.<br />
Nach dem Opa übernahm Martinas und Beppos Vater die<br />
Schreinerei und führte sie mit Leidenschaft fort, bis er sie<br />
schließlich seinen Kindern übergab und bis heute im Hintergrund<br />
mitwirkt.<br />
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